KAPITEL 5: Krieg
Eines war klar,
nach all den Qualen und zweifacher Flucht, die die Elysianer hatten erdulden
müssen: Sie durften nicht erneut vertrieben werden. Die Gruppe schmiedete Pläne
und verwarf sie wieder. Es war schwierig, niemand wusste, wer die Menschen
waren, die unterwegs waren. Oder wie viele sie waren. Oder welche Waffen sie
hatten. Oder, ob sie wirklich mit schlechten Absichten unterwegs waren. Aber
sie wussten, dass es noch fast ein Jahr dauern würde, bis sie eintrafen.
Die Elysianer
hatten sich nun für die interstellaren Helden sichtbar gemacht, und eine Menge
Elysianer, die allesamt wie Aurora aussahen, nur in unterschiedlichen Farben
schimmerten, wuselten stetig um sie herum und betasteten die Neuankömmlinge,
hatten sie doch von den bestandenen Prüfungen gehört. Sie kannten keinerlei
Grenzen und benahmen sich manchmal wie kleine, neugierige Kinder. Einmal griff
eines der Wesen Sam schroff in die Haare und wollte sie als Gewand tragen.
"Woher
wissen sie überhaupt, dass der Planet bewohnt ist?", wollte Boreas wissen.
"Das spielt
jetzt keine Rolle", sagte Elara. "Wir müssen uns verteidigen. Aber
ich fürchte fast, sie sind uns gefolgt."
"Wir haben
keine brauchbaren Waffen", fügte Max hinzu.
"Vielleicht
brauchen wir keine konventionellen Waffen", sagte Samara und ihre Augen
leuchteten. "Ich könnte die Pflanzen genetisch modifizieren, sodass sie
sich schneller vermehren und gleichzeitig giftig und aggressiv werden."
Die anderen
sahen sie erstaunt an, aber Samara begann sofort mit der Arbeit. Sie nutzte ihr
Wissen über Genetik und kombinierte die DNA von schnellwachsenden Pflanzen mit
giftigen und spuckenden Pflanzen, um eine neue, tödliche Art zu erschaffen.
Innerhalb weniger Tage wuchsen die neuen Pflanzen und bildeten eine natürliche
Barriere um die wichtigsten Zugänge zu den unterirdischen Gängen.
Währenddessen
arbeiteten Elara und Max daran, versteckte Fallen in den Gängen zu bauen. Sie
gruben Gruben, spannten Netze und bauten Falltüren, die nur darauf warteten,
aktiviert zu werden. Die Elysianer mussten nur zum richtigen Zeitpunkt die
Fallen betätigen, wenn jemand darüber lief. In der gesamten Zeit produzierten
die Elysianer Waffen und lernten von Bo, damit umzugehen. Da die Elysianer
teilweise immer noch sehr naiv und kindlich waren, war es eine Geduldsprobe für
Bo. Mehr als einmal beschwerte er sich bei Sam, wie anstrengend das war. Vor
allem, weil sie sich manchmal unsichtbar machten, um ihn dann zu erschrecken,
dann lachten sie und stoben davon.
"Was hast
du gesagt?", entfuhr es Sam, die seiner Tirade gar nicht recht zugehört
hatte.
"Na, sie
kichern und rennen weg."
"Nein
davor!"
"Sie machen
sich unsichtbar?"
Sam stand abrupt
auf und starrte Bo an, ohne ihn zu sehen. Dann drehte sie sich um und rannte
hinaus, während sie Elara’s Namen rief.
"El, ich
habe eine Idee! Wieso sind wir da nicht gleich darauf gekommen," keuchte
sie, "es ist so einfach und es kann uns so viele Vorteile bringen! Ich
meine, natürlich hätten wir vorher dran denken sollen, jetzt ist es so, aber
wir können ja immer noch..."
"Sam!"
"Ja ich
meine... Können wir uns auch unsichtbar machen? Und das Raumschiff?"
Max dämmerte es
und er rief sofort das Ingenieurs Team in einem provisorischen Labor zusammen,
das hastig ausgerüstet worden war, um die Unsichtbarmachungstechnologie der
Elysianer zu analysieren. Auf dem Tisch lagen verstreut holografische Displays,
genetische Analysetools und Notizen, die in Eile gemacht worden waren. Max
stand im Zentrum, seine Augen funkelten vor Begeisterung, während die
Ingenieure um ihn herum diskutierten.
"Wenn wir
das Prinzip der genetischen Unsichtbarmachung auf eure DNA übertragen könnten,
hätten wir einen immensen taktischen Vorteil", sagte einer der Ingenieure.
"Es würde euch ebenfalls erlauben, euch vollkommen unerkannt zu bewegen."
Max nickte
zustimmend. "Genau. Die Elysianer nutzen eine Art genetische Tarnung, die
sich offenbar auf die Struktur ihrer Zellen auswirkt und sie unsichtbar macht.
Es ist eine Genveränderung, aber eine, die auf einem sehr hohen Niveau
kontrolliert wird."
Samara, die bis
dahin still zugehört hatte, verschränkte die Arme und warf den Ingenieuren
einen skeptischen Blick zu. "Wartet mal. Eine Genveränderung? Ihr sprecht
hier, als wäre das ein einfacher An-Aus-Schalter. Habt ihr vergessen, was der
Genexus mit uns gemacht hat? Das ist nicht wie ein neues Gadget, das man
einfach ausprobiert."
"Sam, du
übertreibst", sagte Max mit einem Hauch von Ungeduld. "Das hier ist
eine Chance, uns unsichtbar zu machen und einen klaren Vorteil zu haben."
Sam schüttelte
den Kopf. "Nein, Max. Du verstehst nicht. Wenn wir eine Genveränderung
durchlaufen, während wir bereits durch den Genexus modifiziert sind, könnte das
katastrophale Folgen haben."
Die Ingenieure
hielten inne, und die Aufregung wich langsam einem Gefühl der Unsicherheit.
"Was meinst du?", fragte einer der Ingenieure.
Sam seufzte
tief, ihre Stimme schwer von Sorge. "Wir wissen nicht, wie sich die
Genveränderungen gegenseitig beeinflussen. Der Genexus hat unsere Zellen
bereits neu programmiert, um uns am Leben zu erhalten und unseren
Alterungsprozess zu verändern. Das Einfügen einer zusätzlichen Modifikation wie
die Unsichtbarkeit könnte... alles aus dem Gleichgewicht bringen. Es könnte
Instabilität verursachen. Plötzlich sichtbare und unsichtbare Zustände.
Permanente Genveränderungen, die sich nicht rückgängig machen lassen."
Max runzelte die
Stirn, wollte widersprechen, aber Sam fuhr fort. "Was ist, wenn es zu
einer Überlastung kommt? Was, wenn unser Organismus nicht damit klarkommt und
sich gegen uns wendet? Wir könnten ernsthafte gesundheitliche Probleme
bekommen. Das Risiko ist nicht nur die Unsichtbarkeit – es könnte unsere
gesamte genetische Struktur destabilisieren."
Sie machte eine
Pause, ließ ihre Worte sacken und fügte dann hinzu: "Wir könnten am Ende
schneller altern oder unser Körper könnte die Unsichtbarkeit in Momenten
aktivieren, in denen wir es nicht wollen. Oder noch schlimmer: Wir könnten in
einen Zustand geraten, in dem wir weder vollständig sichtbar noch unsichtbar
sind. Stellt euch vor, mitten in einem Kampf halb unsichtbar und halb sichtbar
zu sein – wir wären angreifbar wie nie zuvor."
"Das könnte
unberechenbar sein", sagte Sam und ihre Stimme wurde weicher, aber
bestimmt. "Die Genveränderungen könnten den Alterungsprozess beschleunigen
oder uns anfälliger für Krankheiten machen. Es ist ein Risiko, das wir nicht
einschätzen können, weil wir die langfristigen Auswirkungen nicht kennen.
Vielleicht können die Elysianer damit umgehen, weil sie darauf ausgelegt sind,
aber wir… wir sind anders."
Max sah Sam in
die Augen, und in diesem Moment wurde ihm klar, dass sie Recht hatte. "Was
schlägst du vor?", fragte er schließlich.
"Wir müssen
nach anderen Lösungen suchen", sagte Sam entschlossen. "Es gibt immer
einen anderen Weg. Aber diese Genveränderung... das ist ein Schritt, den wir
nicht unüberlegt gehen können."
Abends
versammelte sich die Crew in ihren Quartieren, die die Elysianer in erstaunlich
kurzer Zeit für sie gebaut hatten. Die Decken waren niedrig, das Stehen war
zumindest für Max unmöglich, aber die Räume waren gemütlich und boten ihnen
alle Annehmlichkeiten. Die Elysianer hatten sogar den Essensdrucker nachgebaut
und die Gerichte daraus überraschend schmackhaft gemacht. Sam und Max
berichteten Elara und Bo von den Ereignissen des Nachmittags, während die
beiden aufmerksam zuhörten.
"Wir haben
eine Möglichkeit, die Unsichtbarmachung zu nutzen," sagte Max.
"Zumindest für mich. Ich bin nicht durch den Genexus modifiziert. Es
könnte funktionieren, ohne die Risiken, die Sam beschrieben hat."
Sam schüttelte
den Kopf, ihre Stirn in besorgte Falten gelegt. "Max, du denkst viel zu
kurz. Selbst wenn du die Genveränderung durchmachst, hast du keine Garantie,
dass es ohne Nebenwirkungen bleibt. Wir wissen nicht, wie dein Körper darauf
reagieren wird."
Elara
verschränkte die Arme und sah Max ernst an. "Ich verbiete es dir. Wir
haben als Team entschieden, dass das Risiko zu groß ist. Das ist kein Spiel,
Max. Wir können uns nicht leisten, dich zu verlieren oder dich in Gefahr zu
bringen."
Max biss die
Zähne zusammen, seine Augen funkelten vor Frustration. Er verstand die Bedenken
seiner Freunde, aber er fühlte sich eingeengt, kontrolliert, als würde man ihm
eine Chance verwehren, die alles verändern könnte. Seine Intuition sagte ihm,
dass er handeln musste. Und das war neu für ihn – dieser Drang, entgegen seiner
sonst so kühlen, analytischen Natur etwas zu riskieren.
"Vertrau
mir einfach, Elara," sagte er, doch Elara schüttelte nur den Kopf.
"Das ist
kein Befehl, Max. Es ist ein Grundsatz. Niemand hier wird sich dieser
Veränderung unterziehen. Punkt."
Max nickte
schließlich, doch in seinem Inneren brodelte es. Er konnte es nicht einfach auf
sich beruhen lassen. In der Nacht lag er wach, während die Stille der Wüste ihn
umgab. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die Möglichkeiten. Der Genexus
hatte ihn nie verändert. Er war der Einzige, der es wagen konnte, und seine
Intuition drängte ihn, es zu versuchen. Vielleicht war das die Prüfung, die er
bestehen musste – zu lernen, auf sich selbst zu vertrauen.
Max wartete, bis
die Geräusche der anderen verstummten und sich nur noch das leise Atmen seiner
schlafenden Kameraden in der Luft verlor. Er stand auf, zog sich leise an und
schlich hinaus. Die Nacht war still, nur das leise Flüstern des Windes und das
gelegentliche Rascheln von Sand durchbrachen die Stille. Max konnte das
pulsierende Herzklopfen in seiner Brust spüren, als er die Vorrichtung für die
Unsichtbarmachung aktivierte.
Er atmete tief
ein, während die Technologie um ihn herum zum Leben erwachte. Ein leises Surren
erfüllte die Luft, gefolgt von einem prickelnden Gefühl, das sich über seinen
Körper ausbreitete. Für einen Moment hatte er das Gefühl, seine Konturen lösten
sich auf, als würde er in die Nacht hineinschmelzen. Plötzlich war er
unsichtbar.
Malthyrex betrachtete seine Hände, oder besser gesagt,
die Stelle, an der seine Hände hätten sein sollen. Er sah nichts. Sein Herz
schlug wild, und für einen Moment fühlte er eine überwältigende Macht, aber
auch eine plötzliche Leere, als würde ihm ein Teil seiner Selbst entgleiten. Es
war, als stünde er zwischen zwei Welten – nicht mehr ganz real, aber auch nicht
völlig verschwunden.
Doch dann
setzten die Nebenwirkungen ein. Seine Sicht verzerrte sich, Schatten und
Lichter tanzten vor seinen Augen, als wäre er in eine flimmernde Zwischenwelt
geraten. Max taumelte, fühlte sich benommen, als seine Sinne versagten und die
Welt um ihn herum zu einer surrealen, sich ständig verändernden Landschaft
wurde.
Er musste sich
an einem Felsen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Alles war
plötzlich doppelt und unscharf, als könnte er den Raum um sich herum nicht mehr
richtig wahrnehmen. Sein Kopf schmerzte, und ihm wurde klar, dass Sam Recht
gehabt hatte – die Unsichtbarmachung war kein Spiel.