Montag, 28. April 2025

[Schnipseltime] Ex Terrae - Die Prüfungen von Athea Graye

 

KAPITEL 5: Krieg

 

 

Eines war klar, nach all den Qualen und zweifacher Flucht, die die Elysianer hatten erdulden müssen: Sie durften nicht erneut vertrieben werden. Die Gruppe schmiedete Pläne und verwarf sie wieder. Es war schwierig, niemand wusste, wer die Menschen waren, die unterwegs waren. Oder wie viele sie waren. Oder welche Waffen sie hatten. Oder, ob sie wirklich mit schlechten Absichten unterwegs waren. Aber sie wussten, dass es noch fast ein Jahr dauern würde, bis sie eintrafen.

 

Die Elysianer hatten sich nun für die interstellaren Helden sichtbar gemacht, und eine Menge Elysianer, die allesamt wie Aurora aussahen, nur in unterschiedlichen Farben schimmerten, wuselten stetig um sie herum und betasteten die Neuankömmlinge, hatten sie doch von den bestandenen Prüfungen gehört. Sie kannten keinerlei Grenzen und benahmen sich manchmal wie kleine, neugierige Kinder. Einmal griff eines der Wesen Sam schroff in die Haare und wollte sie als Gewand tragen.

 

"Woher wissen sie überhaupt, dass der Planet bewohnt ist?", wollte Boreas wissen.

"Das spielt jetzt keine Rolle", sagte Elara. "Wir müssen uns verteidigen. Aber ich fürchte fast, sie sind uns gefolgt."

"Wir haben keine brauchbaren Waffen", fügte Max hinzu.

"Vielleicht brauchen wir keine konventionellen Waffen", sagte Samara und ihre Augen leuchteten. "Ich könnte die Pflanzen genetisch modifizieren, sodass sie sich schneller vermehren und gleichzeitig giftig und aggressiv werden."

Die anderen sahen sie erstaunt an, aber Samara begann sofort mit der Arbeit. Sie nutzte ihr Wissen über Genetik und kombinierte die DNA von schnellwachsenden Pflanzen mit giftigen und spuckenden Pflanzen, um eine neue, tödliche Art zu erschaffen. Innerhalb weniger Tage wuchsen die neuen Pflanzen und bildeten eine natürliche Barriere um die wichtigsten Zugänge zu den unterirdischen Gängen.

Währenddessen arbeiteten Elara und Max daran, versteckte Fallen in den Gängen zu bauen. Sie gruben Gruben, spannten Netze und bauten Falltüren, die nur darauf warteten, aktiviert zu werden. Die Elysianer mussten nur zum richtigen Zeitpunkt die Fallen betätigen, wenn jemand darüber lief. In der gesamten Zeit produzierten die Elysianer Waffen und lernten von Bo, damit umzugehen. Da die Elysianer teilweise immer noch sehr naiv und kindlich waren, war es eine Geduldsprobe für Bo. Mehr als einmal beschwerte er sich bei Sam, wie anstrengend das war. Vor allem, weil sie sich manchmal unsichtbar machten, um ihn dann zu erschrecken, dann lachten sie und stoben davon.

"Was hast du gesagt?", entfuhr es Sam, die seiner Tirade gar nicht recht zugehört hatte.

"Na, sie kichern und rennen weg."

"Nein davor!"

"Sie machen sich unsichtbar?"

Sam stand abrupt auf und starrte Bo an, ohne ihn zu sehen. Dann drehte sie sich um und rannte hinaus, während sie Elara’s Namen rief.

"El, ich habe eine Idee! Wieso sind wir da nicht gleich darauf gekommen," keuchte sie, "es ist so einfach und es kann uns so viele Vorteile bringen! Ich meine, natürlich hätten wir vorher dran denken sollen, jetzt ist es so, aber wir können ja immer noch..."

"Sam!"

"Ja ich meine... Können wir uns auch unsichtbar machen? Und das Raumschiff?"

Max dämmerte es und er rief sofort das Ingenieurs Team in einem provisorischen Labor zusammen, das hastig ausgerüstet worden war, um die Unsichtbarmachungstechnologie der Elysianer zu analysieren. Auf dem Tisch lagen verstreut holografische Displays, genetische Analysetools und Notizen, die in Eile gemacht worden waren. Max stand im Zentrum, seine Augen funkelten vor Begeisterung, während die Ingenieure um ihn herum diskutierten.

"Wenn wir das Prinzip der genetischen Unsichtbarmachung auf eure DNA übertragen könnten, hätten wir einen immensen taktischen Vorteil", sagte einer der Ingenieure. "Es würde euch ebenfalls erlauben, euch vollkommen unerkannt zu bewegen."

Max nickte zustimmend. "Genau. Die Elysianer nutzen eine Art genetische Tarnung, die sich offenbar auf die Struktur ihrer Zellen auswirkt und sie unsichtbar macht. Es ist eine Genveränderung, aber eine, die auf einem sehr hohen Niveau kontrolliert wird."

Samara, die bis dahin still zugehört hatte, verschränkte die Arme und warf den Ingenieuren einen skeptischen Blick zu. "Wartet mal. Eine Genveränderung? Ihr sprecht hier, als wäre das ein einfacher An-Aus-Schalter. Habt ihr vergessen, was der Genexus mit uns gemacht hat? Das ist nicht wie ein neues Gadget, das man einfach ausprobiert."

"Sam, du übertreibst", sagte Max mit einem Hauch von Ungeduld. "Das hier ist eine Chance, uns unsichtbar zu machen und einen klaren Vorteil zu haben."

Sam schüttelte den Kopf. "Nein, Max. Du verstehst nicht. Wenn wir eine Genveränderung durchlaufen, während wir bereits durch den Genexus modifiziert sind, könnte das katastrophale Folgen haben."

Die Ingenieure hielten inne, und die Aufregung wich langsam einem Gefühl der Unsicherheit. "Was meinst du?", fragte einer der Ingenieure.

Sam seufzte tief, ihre Stimme schwer von Sorge. "Wir wissen nicht, wie sich die Genveränderungen gegenseitig beeinflussen. Der Genexus hat unsere Zellen bereits neu programmiert, um uns am Leben zu erhalten und unseren Alterungsprozess zu verändern. Das Einfügen einer zusätzlichen Modifikation wie die Unsichtbarkeit könnte... alles aus dem Gleichgewicht bringen. Es könnte Instabilität verursachen. Plötzlich sichtbare und unsichtbare Zustände. Permanente Genveränderungen, die sich nicht rückgängig machen lassen."

Max runzelte die Stirn, wollte widersprechen, aber Sam fuhr fort. "Was ist, wenn es zu einer Überlastung kommt? Was, wenn unser Organismus nicht damit klarkommt und sich gegen uns wendet? Wir könnten ernsthafte gesundheitliche Probleme bekommen. Das Risiko ist nicht nur die Unsichtbarkeit – es könnte unsere gesamte genetische Struktur destabilisieren."

Sie machte eine Pause, ließ ihre Worte sacken und fügte dann hinzu: "Wir könnten am Ende schneller altern oder unser Körper könnte die Unsichtbarkeit in Momenten aktivieren, in denen wir es nicht wollen. Oder noch schlimmer: Wir könnten in einen Zustand geraten, in dem wir weder vollständig sichtbar noch unsichtbar sind. Stellt euch vor, mitten in einem Kampf halb unsichtbar und halb sichtbar zu sein – wir wären angreifbar wie nie zuvor."

"Das könnte unberechenbar sein", sagte Sam und ihre Stimme wurde weicher, aber bestimmt. "Die Genveränderungen könnten den Alterungsprozess beschleunigen oder uns anfälliger für Krankheiten machen. Es ist ein Risiko, das wir nicht einschätzen können, weil wir die langfristigen Auswirkungen nicht kennen. Vielleicht können die Elysianer damit umgehen, weil sie darauf ausgelegt sind, aber wir… wir sind anders."

Max sah Sam in die Augen, und in diesem Moment wurde ihm klar, dass sie Recht hatte. "Was schlägst du vor?", fragte er schließlich.

"Wir müssen nach anderen Lösungen suchen", sagte Sam entschlossen. "Es gibt immer einen anderen Weg. Aber diese Genveränderung... das ist ein Schritt, den wir nicht unüberlegt gehen können."

Abends versammelte sich die Crew in ihren Quartieren, die die Elysianer in erstaunlich kurzer Zeit für sie gebaut hatten. Die Decken waren niedrig, das Stehen war zumindest für Max unmöglich, aber die Räume waren gemütlich und boten ihnen alle Annehmlichkeiten. Die Elysianer hatten sogar den Essensdrucker nachgebaut und die Gerichte daraus überraschend schmackhaft gemacht. Sam und Max berichteten Elara und Bo von den Ereignissen des Nachmittags, während die beiden aufmerksam zuhörten.

"Wir haben eine Möglichkeit, die Unsichtbarmachung zu nutzen," sagte Max. "Zumindest für mich. Ich bin nicht durch den Genexus modifiziert. Es könnte funktionieren, ohne die Risiken, die Sam beschrieben hat."

Sam schüttelte den Kopf, ihre Stirn in besorgte Falten gelegt. "Max, du denkst viel zu kurz. Selbst wenn du die Genveränderung durchmachst, hast du keine Garantie, dass es ohne Nebenwirkungen bleibt. Wir wissen nicht, wie dein Körper darauf reagieren wird."

Elara verschränkte die Arme und sah Max ernst an. "Ich verbiete es dir. Wir haben als Team entschieden, dass das Risiko zu groß ist. Das ist kein Spiel, Max. Wir können uns nicht leisten, dich zu verlieren oder dich in Gefahr zu bringen."

Max biss die Zähne zusammen, seine Augen funkelten vor Frustration. Er verstand die Bedenken seiner Freunde, aber er fühlte sich eingeengt, kontrolliert, als würde man ihm eine Chance verwehren, die alles verändern könnte. Seine Intuition sagte ihm, dass er handeln musste. Und das war neu für ihn – dieser Drang, entgegen seiner sonst so kühlen, analytischen Natur etwas zu riskieren.

"Vertrau mir einfach, Elara," sagte er, doch Elara schüttelte nur den Kopf.

"Das ist kein Befehl, Max. Es ist ein Grundsatz. Niemand hier wird sich dieser Veränderung unterziehen. Punkt."

Max nickte schließlich, doch in seinem Inneren brodelte es. Er konnte es nicht einfach auf sich beruhen lassen. In der Nacht lag er wach, während die Stille der Wüste ihn umgab. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die Möglichkeiten. Der Genexus hatte ihn nie verändert. Er war der Einzige, der es wagen konnte, und seine Intuition drängte ihn, es zu versuchen. Vielleicht war das die Prüfung, die er bestehen musste – zu lernen, auf sich selbst zu vertrauen.

Max wartete, bis die Geräusche der anderen verstummten und sich nur noch das leise Atmen seiner schlafenden Kameraden in der Luft verlor. Er stand auf, zog sich leise an und schlich hinaus. Die Nacht war still, nur das leise Flüstern des Windes und das gelegentliche Rascheln von Sand durchbrachen die Stille. Max konnte das pulsierende Herzklopfen in seiner Brust spüren, als er die Vorrichtung für die Unsichtbarmachung aktivierte.

Er atmete tief ein, während die Technologie um ihn herum zum Leben erwachte. Ein leises Surren erfüllte die Luft, gefolgt von einem prickelnden Gefühl, das sich über seinen Körper ausbreitete. Für einen Moment hatte er das Gefühl, seine Konturen lösten sich auf, als würde er in die Nacht hineinschmelzen. Plötzlich war er unsichtbar.

Malthyrex  betrachtete seine Hände, oder besser gesagt, die Stelle, an der seine Hände hätten sein sollen. Er sah nichts. Sein Herz schlug wild, und für einen Moment fühlte er eine überwältigende Macht, aber auch eine plötzliche Leere, als würde ihm ein Teil seiner Selbst entgleiten. Es war, als stünde er zwischen zwei Welten – nicht mehr ganz real, aber auch nicht völlig verschwunden.

Doch dann setzten die Nebenwirkungen ein. Seine Sicht verzerrte sich, Schatten und Lichter tanzten vor seinen Augen, als wäre er in eine flimmernde Zwischenwelt geraten. Max taumelte, fühlte sich benommen, als seine Sinne versagten und die Welt um ihn herum zu einer surrealen, sich ständig verändernden Landschaft wurde.

Er musste sich an einem Felsen festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Alles war plötzlich doppelt und unscharf, als könnte er den Raum um sich herum nicht mehr richtig wahrnehmen. Sein Kopf schmerzte, und ihm wurde klar, dass Sam Recht gehabt hatte – die Unsichtbarmachung war kein Spiel.


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