[Schnipseltime] Der Duft nach Lavendel von Cindy Holzapfel

 

Sie setzte sich vorne auf den Bug und Marian reichte ihr behutsam die Urne. So saß sie für eine lange Zeit regungslos auf dem Boot. Sie spürte die Sonne auf ihrer Haut und roch die salzige Meeresluft. Das Schiff schaukelte sanft. Julia war nun bereit.

„Du warst ein Mensch, den jeder mochte, denn du warst immer freundlich und hilfsbereit. Für deinen Ehemann hast du dich aufgeopfert und hast dich liebevoll um ihn gekümmert. Für deine Freunde und Nachbarn hattest du immer ein offenes Ohr. Du hast es geliebt, für die Menschen zu kochen, denn du warst dir sicher, dass man die Liebe, mit der man kocht, beim Essen schmecken kann. Du hattest sehr viel Liebe zu geben.

Ich denke, die meiste Liebe durfte ich von dir empfangen. Du hast mich mein Leben lang begleitet und wann immer ich dich gebraucht habe, hast du, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, alles in die Wege geleitet, damit ich wieder glücklich war. Durch dich habe ich gelernt, was Vertrauen und Liebe bedeuten.

Du warst nicht nur meine Großmutter, sondern auch mein Anker, wenn ich nicht mehr weiterwusste. Du warst meine Lehrerin, meine Vertraute und meine erste, beste Freundin. Das Loch, das dein Tod in mein Herz gerissen hat, werde ich wohl nie mehr stopfen können.

Aber mach dir keine Sorgen um mich. Ich habe verstanden, warum du mich auf diese Reise geschickt hast. Du wolltest, dass ich Veränderungen akzeptiere und aus meiner sicheren Umgebung ausbreche. Ich nehme mein Leben in die Hand und öffne mein Herz für Neues. Du wirst mir unendlich fehlen. Aber ich hoffe, du feierst gerade mit deinen Freunden da oben eine große Party. So, wie du es dir gewünscht hast. Mach’s gut, meine geliebte Oma!“

Julia öffnete vorsichtig den Deckel der Urne. Sie betrachtete die Asche. Eine Träne tropfte darauf. Langsam stand sie auf und ließ Sophias Asche durch die Luft wehen.

Der Wind nahm einen Teil davon mit. Der andere Teil landete in den Wellen des Meeres und vermischte sich mit dem Wasser.