Donnerstag, 27. Februar 2025

[Schnipseltime] Sterne leuchten heller am Meer von Rosita Hoppe


 

„Wohin gehen wir?“, fragte Hanna, als sie nach getaner Arbeit das Grundstück verließen.

„Lass dich überraschen. Ich hoffe, du kennst den Weg noch nicht, den ich geplant habe.“

„Es wird mir schwerfallen, mich in Geduld zu üben.“

Sie schlenderten quer durch das Wäldchen, wo der Weg in einen der typischen Bohlenwege überging. „Wir gehen noch zum Strand?“, mutmaßte Hanna sofort. „Fantastisch. Diesen Weg kenne ich tatsächlich noch nicht.“ Eigentlich war ihr klar, dass er durch die Dünenkette führte, aber damit, dass sie ziemlich schnell eine Aussichtsplattform erreichten, hatte sie nicht gerechnet. „Diese Dünenlandschaft strahlt so viel Ruhe aus, ich finde es wunderbar, über die Bohlenwege zu wandern.“

„Manche Menschen nervt es, wenn sie nicht sofort am Strand stehen“, gab Finn zu bedenken.

„Dann sind sie hier verkehrt, denn genau das macht doch den Charme dieser Insel aus.“ Hanna breitete die Arme aus, drehte sich einmal um ihre eigene Achse und strahlte Finn an. „Ich finde es wundervoll hier und kann mir wirklich vorstellen, für immer hier zu leben.“ Ups, sie hatte sich doch vorgenommen, das Thema heute Abend nicht anzusprechen, um Finn nicht noch mehr unter Druck zu setzen. Sie wagte einen Blick zu ihm, konnte seinen Gesichtsausdruck jedoch  nicht deuten, da sie nur sein Profil sah. Aber da sie sich allgemein geäußert und das Haus im Speziellen nicht erwähnt hatte, beruhigte sie das recht schnell. „Wie weit ist es bis zum Kniep? Ach, das spielt gar keine Rolle. Der Weg ist das Ziel, aber der Kniep natürlich auch. Hach, was für ein schöner Abend. Danke, dass du ihn mit mir verbringen willst und dass du mich schon wieder zum Essen eingeladen hast. Und das, wo ich dich vorher so mit dem Haus genervt habe.“ Schon wieder. Warum konnte sie nicht ihre Klappe halten? Wenn sie weiterhin so unkontrollierte Äußerungen von sich gab, ruinierte sie den Abend noch. Und das wollte sie auf keinen Fall.

„Hanna?“

„Ja?“

„Halt den Mund. Bitte.“

„Ähm … gut.“ Der Abend war ruiniert und sie war schuld daran.

„Genieße lieber unseren Spaziergang. Das geht am besten, wenn man still ist. Denn dann kannst du das Rufen der Fasane hören, die hier immer wieder unterwegs sind. Das Schnattern der Brandgänse, die in den Dünen brüten, und natürlich die Möwen. Wenn alles ruhig ist und der Wind günstig steht, hörst du das Meer.“

„Hast ja recht. Bin schon still.“ Sie atmete erleichtert durch. Finn schien doch nicht so sauer zu sein, wie sie befürchtet hatte, und sie war ihm für seine Erklärungen dankbar. „Du bist ein Naturmensch, oder?“, flüsterte sie.

„Du kannst es nicht, habe ich recht?“

„Was?“

„Still sein.“

Das war der Moment, in dem Hanna schluckte und sich schwor, die nächsten Minuten, mindestens, bis sie den Kniep erreichten, nichts mehr zu sagen. Stattdessen sah sie nach rechts und links auf der Suche nach einem Fasan. Doch es war gar nicht so leicht, zwischen dem Dünengras, der Heide und allen anderen Pflanzen, die hier wuchsen und von denen sie keine Ahnung hatte, was das war, etwas zu entdecken. Schließlich gab sie es auf und genoss den Spaziergang mit Finn nur noch. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie auf eine weitere Aussichtsplattform stoßen würden.

„Was für eine Aussicht“, flüsterte sie mehr zu sich selbst, als sie oben stand. Sie zog ihr Handy aus der Jackentasche, knipste nach allen Seiten und nahm anschließend noch ein 360-Grad-Video auf. Dass sie dabei auch Finn filmte, verschwieg sie und wusste jetzt schon, dass sie sich das Video immer wieder ansehen würde und das nicht nur wegen der fantastischen Aussicht. Ihr Herz klopfte schneller, als sich Finn dicht neben sie stellte und einen Arm um ihre Schultern legte. Sie hielt den Atem an, genoss die Nähe und hoffte, dass dieser Augenblick nie vergehen möge. Sie rührten sich beide nicht. Was wohl gerade in Finn vor sich ging? War das eine rein freundschaftliche Umarmung oder mehr? Noch während sie sich das fragte, drehte sie ihren Kopf zu ihm. Im gleichen Augenblick sah Finn sie an. Ihre Blicke hielten einander fest und Hanna spürte wieder dieses merkwürdige Kribbeln in ihrem Bauch. Gerade so, als drehten unzählige Schmetterlinge tief in ihrem Innern Saltos. Langsam kam sein Gesicht näher, gleichzeitig hob sie ihres an. Als sich ihre Lippen zart berührten, schloss sie die Augen und schob ihre Arme um Finns Körper. Im Nu war dieser Moment vorbei und doch löste dieser erste scheue Kuss ein Wirrwarr an Gefühlen in ihr aus. Finn zog sie noch näher an sich und sie legte ihren Kopf gegen seinen Oberkörper. Sein Herz hämmerte wie verrückt. Ob er ahnte, dass sie es spürte?

 

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