
Louisa
Nachdem
Matteo mich auf das Zimmer gebracht hat, das ich bis zu unserer Hochzeit
bewohne, ist er ohne ein Wort gegangen. Unentschlossen verharre ich mitten im
Raum und sehe auf den Koffer, der mir als Einziges nicht fremd vorkommt.
Ich mag naiv
sein, aber nicht minderbemittelt und habe durchaus bemerkt, dass er mich weder
zur Frau noch hier in der Villa möchte. So habe ich mir meine Verlobung nicht
vorgestellt, doch Kleinmädchenträume erfüllen sich in der Mafia selten. Nie.
Leise öffne ich
die Tür. Wenigstens stehen keine Wachen davor. Gewundert hätte es mich nicht.
Bevor ich sie wieder schließe, vernehme ich gegenüber Geräusche. Ob dort Matteo
wohnt?
Ich schaue nicht
nach, ahne, dass es ihm nicht recht ist. Möchte ihn nicht gleich zu Anfang
gegen mich aufbringen. Zurück im Zimmer sehe ich mich um. Stelle fest, dass es
nicht mal ein Telefon gibt. Dabei würde ich gern Nino anrufen. Hatte keine
Gelegenheit, mich von meinem Bruder zu verabschieden. Oder von der kleinen
Schwester. Babbo hat entschieden, dass dieses Essen, das die Verlobungsfeier
ersetzte, ohne sie stattfand. Ich habe nicht versucht, ihn umzustimmen, wusste,
dass er seine Meinung nicht ändern würde.
Ein Gefühl von
Einsamkeit breitet sich aus. Aufsteigende Tränen lassen das Zimmer vor den
Augen verschwimmen. Ich habe mir vorgenommen, diesen neuen Lebensabschnitt
tapfer anzugehen, deshalb blinzle ich dagegen an, will nicht schon in der
ersten Stunde weinen.
Meine Kindheit
war nicht die glücklichste, trotzdem sehne ich mich nach Bay Point zurück. Dort
sind Nino, der Bruder und gleichzeitig Freund ist und Stefania, die gestern den
halben Tag geweint hat.
Um nicht in
Heimweh zu versinken, packe ich den Koffer aus. Lege die Kleidungsstücke
ordentlich in den begehbaren Kleiderschrank. So etwas gab es in Bay Point
nicht.
Die wenigen
Sachen verlieren sich in den Regalen, was sich hoffentlich ändert, sobald
David, mein Leibwächter, morgen nach Duarte Island zieht und die gesamte
Garderobe mitbringt.
Am Ende stelle
ich die Tasche mit den Hygieneartikeln auf eine Ablage im Bad. Der Blick fällt
auf den Spiegel, der bis zum Boden reicht, und ich erschauere. Kein Wunder,
dass Matteo die Flucht ergriffen hat.
Eilig schäle ich
mich aus diesem rosa Albtraum, schlüpfe in eine Jeans und ein Shirt. Drapiere
es so, dass eine Schulter frei liegt. Dann ziehe ich das Gummi aus den Haaren.
Ein weiterer Blick in den Spiegel lässt mich aufatmen.
Ich mag mein
Zimmer, die hellgrünen Wände, vor allem den runden Tisch mit dem Sessel. Ein
schöner Platz zum Lesen, wenn man eine Stehlampe dazustellt. Aber ich habe hier
keine Bücher. Hoffentlich bringt David ein paar aus Bay Point mit.
Auf dem Bett
sitzend warte ich. Als es zu lange dauert, raffe ich sämtlichen Mut zusammen
und betrete den Flur, steuere die Tür gegenüber an und klopfe. Während ich auf
Antwort warte, kommt Unsicherheit auf, ob es klug ist, Matteo zu stören. Aber
ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich mich verhalten soll. Und wer kann
sagen, was von mir erwartet wird, wenn nicht er?
Ich klopfe
erneut. Der Fernseher ist laut, vielleicht hat er es ja nicht gehört. Als auch
jetzt keine Antwort kommt, trete ich ein.
Mein Blick
erfasst zuerst das Fernsehbild, erkenne dann, dass die Person, die da Space
Invaders spielt, nicht Matteo ist.
Der Spieler ist
blond und wesentlich jünger. Er legt den Joystick auf den Tisch und dreht sich
zu mir.
»Wer bist du
denn?«, durchbreche ich das Schweigen.
»Danny. Die
Geisel. Und du?«
»Louisa. Die
Verlobte.«
»Aber nicht von
Howard.«
Ich schüttle mit
dem Kopf. »Matteo. Geisel?«
»Die Soldaten
nennen mich so.« Er hält mir den Joystick entgegen. »Willst du mal?« Ich zucke
mit den Schultern, befürchte, mich ungeschickt anzustellen. Bei Nino durfte ich
nur zuschauen.
Wir wechseln uns
ab, bis Howard ins Zimmer tritt und mich auf seine gewohnt grimmige Art
mustert. »Matteo sucht dich.«
Ich reiche den
Joystick an Danny zurück. »Können wir mal wieder spielen?«
»Meinetwegen
gern. Ich …«
Howard nickt mich
ungeduldig in Richtung Flur. Die Tür zu meinem Zimmer steht offen, daher gehe
ich davon aus, dort auf Matteo zu treffen.
»Wo treibst du
dich rum?«, herrscht er mich an, als ich eintrete. »Es ist Essenszeit.«
Grob zerrt er
mich hinter sich her, sodass ich aufpassen muss, um nicht auf den Stufen zu
stolpern. Im Erdgeschoss lässt er mich los. Ein böser Blick, bevor wir ins
Esszimmer treten.
Die künftigen
Schwiegereltern sitzen an der Frontseite des Tisches, wobei Mr. Duarte ähnlich
verdrossen schaut wie Babbo.
Habe ich ihn
verärgert?
»Ich musste sie
erst suchen, stromert hier im Haus rum.« Matteos Stimme klingt eisig. Er weist
mir den Platz neben sich zu.
Wenige Minuten
später erscheinen Howard und Danny.
»Stromert ihr ebenfalls in der Villa herum?«, fragt Mr. Duarte mit einem angedeuteten Lächeln auf dem Gesicht, das mich aufatmen lässt.
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