Freitag, 7. März 2025

[Schnipseltime] Der Schicksalspreis - Erkenntnis von Ava Cooper

 

Schnipsel 1

Während wir es uns in der Loge gemütlich machen, schaue ich hinunter in den Hauptraum, in den die Leute weiter hin-einströmen. Eine beschwingte Stimmung liegt in der Luft, denn Ritters neue Show soll sein absolutes Meisterwerk sein. Mittlerweile sind die meisten Plätze besetzt. Ich blicke auf die Uhr. Fast acht; jeden Moment muss es beginnen. Aufregung erfasst mich und ich blicke hinüber zu Anna, die mir sanft zulächelt. Ich bin so froh, dass sie dieses herrliche Erlebnis mit uns teilt. Am Wochenende muss ich unbedingt et-was Schönes für sie besorgen, um mich zu bedanken.

Das Licht wird gedimmt und ich beuge mich automatisch weiter vor, um ja nichts zu verpassen. Dann reißt plötzlich jemand die Tür zu unserer Loge auf. Verwundert drehe ich mich um und sehe einen schwarz gekleideten Mann im Eingang. Das hagere Gesicht ist zu einer Maske blanken Hasses verzerrt. In der Hand hält er ein geriffeltes Messer, das halb so lang ist wie sein Arm.

Schreiend springe ich auf, stolpere so weit weg von ihm wie möglich, in die äußerste linke Seite der Loge. Mein Herz rast vor Panik. Was sollen wir nur machen? Ich sehe, wie Chiara und Emily ebenfalls in die Höhe schießen. Ängstlich drängen sie sich in der anderen Ecke aneinander.

Nur Anna, die am dichtesten an der Tür sitzt, rührt sich nicht vom Fleck. Wie das Kaninchen vor der Schlange starrt sie hoch zu dem Hageren. Auffordernd schaue ich zu ihr. Warum rührt sie sich nicht? Sie muss weg da, und zwar schnell! Da verriegelt der Mann die Loge mit einem tragbaren Locker. Wir sind gefangen. Ich keuche auf vor Entsetzen. Nein, das kann nicht sein! Panisch blicke ich mich um, aber es gibt kein Entkommen.

Der Messermann grinst bösartig, weidet sich an unserer Furcht. Dann geht er langsam auf Anna zu. Sie sitzt immer noch regungslos da und weint. Der Mann macht einen Schritt auf sie zu und noch einen, während Annas Schluchzen immer lauter wird.

Warum um alles in der Welt steht sie denn nicht endlich auf? Es ist doch klar, dass dieser Typ etwas Schreckliches vorhat. Ich will schreien, um sie wachzurütteln. Aber ich habe entsetzliche Angst, den Kerl dadurch auf mich aufmerksam zu machen. Wie sollen wir uns nur gegen einen bewaffneten Irren wehren? Hilfesuchend blicke ich zu Chiara und Emily, die ebenfalls wie versteinert sind.

Dann stürzt der Mann sich auf Anna. »Sterbt, ihr reichen Schweine! Ihr habt es nicht anders verdient!«

 

 

Schnipsel 2

Wie aufs Stichwort öffnet sich ein neues Fenster. Darauf ist das Bild einer Stahltür zu sehen. Nervös beuge ich mich vor und beobachte, wie Secret eine weitere Reihe an Symbolen und Zeichen eingibt. Es sieht aus, als mache sich ein Gespenst am Computer zu schaffen. Irgendwie unheimlich.

Ein lautes Knarzen erklingt; wie von einem Schlüssel, der im Schloss herumgedreht wird. Schon öffnet sich die Tür und damit die Internet-Seite. »Das Schicksal zu Ihren Diensten« steht dort in silbernen Lettern auf schwarzem Grund.

Ich stoße einen Freudenschrei aus und umarme Samuel impulsiv. Der drückt mich leicht an sich und grinst selbstzufrieden. »Wer ist hier nicht gut?«

Er schickt Secret ein »THX«.

»KD«, kommt zurück. Nach wenigen Sekunden ergänzt sie: »Seid ja vorsichtig!«

Was meint sie damit wohl? Samuel klickt jedoch schon, um zur nächsten Seite zu gelangen. Ich verschlucke mich fast, als ich sehe, dass hier Schicksalspreise gegen Geld feilgeboten werden. Gegen viel Geld. Wie Milch und Butter stehen hier Preise für verhinderte Tode, mehr Erfolg oder die große Liebe. Mir wird schlecht und ich zittere.

Hier manipuliert jemand Schicksale in großem Stil, ohne dass die Leidtragenden davon wissen. Die Nüchternheit, mit der diese Dienste beschrieben werden, macht mich sprachlos und unfassbar wütend. Aber ich reiße mich zusammen und mache mit der Uhr Screenshots.

Zumindest solange es geht. Denn Samuel wird auf einmal kreidebleich und schließt die Seite hastig. »Das … das ist ja eine regelrechte Lebenswegemafia. Wo habt ihr mich nur hereingezogen? Damit will ich nichts zu tun haben.« Er springt auf und nimmt sein Tablet an sich.

Ich versuche, ihn zurückzuhalten. »Warte doch. Das müssen wir der Schicksalspolizei sagen.«

»Ja klar.« Samuel lacht zynisch. »Schätzchen, da warst du schon zweimal. Und was hat es genutzt? Du hast diesen Ahrens auf den Plan gebracht; was auch immer der genau macht. Glaub mir: Helfen wird der uns nicht.«

»Wir können doch nicht aufgeben. Ahrens ist ein Polizist! Er muss ein Interesse daran haben, den Mörder zu finden.«

»Ganz sicher nicht. Erinnerst du dich noch an den Artikel? Er jagt Leute, die das Schicksalssystem unterwandern. Und ich glaube, das, was wir hier machen, könnte so aufgefasst werden.« Er wedelt entschlossen mit der Hand. »Das war’s für mich. Ich bin raus.« Mit einem Ruck reißt er sich von mir los, eilt zur Tür und schon ist er weg.

Traurig blicke ich ihm hinterher. Dann wende ich mich an Luke. »Gibst du auch auf? Soll ich gehen?«

Der schüttelt den Kopf. »Nein. Du kannst auf mich zählen. Ich will jetzt umso mehr wissen, wer hinter den schrecklichen Vorfällen steckt.«

 


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