(Prolog)
Mit einem blauen Auge davon gekommen.
So sagt man doch.
Dabei wollte ich das gar nicht – Davonkommen von ihm. Mein Auge pocht, wenn ich
mit dem Ärmel darüberwische. Der Bluterguss färbt sich immer dunkler und der
Schnitt an der Braue ist wieder aufgeplatzt. Blut läuft am Augenwinkel hinab. Es
vermischt sich mit den salzigen Tränen, die nicht aufhören wollen, über meine
Wangen zu laufen.
Aber mein Auge
schmerzt nicht ansatzweise so sehr, wie der fasrige Klumpen in meiner Brust.
Vor wenigen Stunden stolperte mein Herz noch vor Glück. An derselben Stelle, an
der es sprang und tanzte, spüre ich jetzt nur noch ein schmerzhaftes Zucken. So
als wäre es in Stahlwolle eingewickelt, die bei jedem Schlag in seine zarte
Hülle schneidet.
Wie konnte er das nur tun?
Mit jedem
Kilometer, den ich mich von ihm entferne, wird der Klumpen dunkler und die
Schnitte tiefer. Er hat mich verletzt. Getroffen. Und jetzt schleppe ich mich
davon, wie ein angeschossenes Reh. Ich will nur noch einen stillen Platz, an
dem ich mich zusammenkauern kann.
Zeit heilt alle Wunden.
Bullshit. Wie
soll es jemals wieder gut werden? Was er getan hat, war kein Streifschuss. Es
war gezielt. Und es hat sein Ziel nicht verfehlt. Er wusste genau, was er tut.
Nur ich hatte keine Ahnung.
Warum habe ich es nicht kommen sehen?
Es ist wie bei
diesen Straßenschildern.
Vorsicht – Wildwechsel.
Vorsicht – herabfallende Steine.
Man nimmt sie im
Augenwinkel wahr. Aber niemand erwartet ernsthaft, dass ein Reh aus dem Wald
springt oder ein Stein auf das Autodach fällt. Das Unterbewusstsein registriert
die Zeichen, aber sie dringen nicht ins Bewusstsein vor.
Ich habe sie
übersehen. Die Signale. Es gab genügend davon, aber mein Kopf wollte sie nicht
wahrhaben.
Und jetzt sitze
ich mit einem blauen Auge in einem Camper und habe noch drei Stunden vor mir,
bevor ich mich endlich zusammenkauern kann.
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