Samstag, 23. März 2024

[Schnipseltime] Ein Kater namens Karma von Guido Ewert


 

Ich döste im Halbschlaf vor mich hin, als Efi endlich wieder aus dem Bad kam. Sie hatte sich in ein Businessoutfit geworfen. Nun werkelte sie in der Küche herum. Ich ließ mir nichts anmerken und blinzelte nur zwischen geschlossenen Lidern hervor, während ich auf das Frühstück wartete. Als meine Ohren das Geräusch einer sich öffnenden Thunfischdose wahrnahmen, konnte ich mich allerdings nicht mehr zurückhalten. Ich gab meine erhabene Haltung auf und lief zum Frühstückstisch. Efi kam aus der Küche und fing an zu lachen.
»Na? Hast du mit deinen feinen Öhrchen schon gehört, was ich für dich vorbereitet habe? Schlauer Kater!«
»Mau.« Sie setzte mir einen Teller mit der Delikatesse vor und ich machte mich darüber her. Sie selbst schlang nur hastig eine Portion Müsli in sich hinein.
»So, jetzt muss ich los«, erklärte sie mit heiserer, gepresster Stimme. »Ich denke, es ist besser, wenn du dich jetzt auch auf den Weg machst«, fuhr sie fort. »Du wirst bestimmt schon von deinen Besitzern vermisst.«
›Besitzer – so weit kommt es noch‹, dachte ich bei mir, folgte ihr aber zur Türe und verließ gemeinsam mit ihr die Wohnung. Unten am Eingang schlug ich mich seitlich in die Büsche. »Mach’s gut. Vielleicht sehen wir uns ja noch mal wieder. Danke für alles«, hörte ich sie traurig flüstern, ehe sie ihren Weg fortsetzte.
›Worauf du dich verlassen kannst.‹ Ich kicherte innerlich. Auf leisen Sohlen folgte ich ihr. Das Ziel war eine nahe gelegene U‑Bahn‑Station. Verdeckt durch unzählige Beine, gelang es mir, an ihr dranzubleiben, als sie in eine Bahn einstieg. Ich versteckte mich unter einer Sitzreihe, immer darauf bedacht, nicht von irgendwelchen Quadratlatschen getreten zu werden. Efi hatte nicht das Glück gehabt, einen Sitzplatz zu ergattern, und stand mitten im Gang. Ihre Handtasche an der Seite unachtsam halb geöffnet.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich einen Typen mit tief ins Gesicht gezogener Hoodie‑Kapuze, der sich ihr näherte.
›Ein Langfinger‹, dachte ich mir und grinste innerlich. Das würde Spaß machen. Gerade streckte er seine Hand aus, um in Efis Tasche zu greifen, als ich mit einem kurzen Sprint zwischen seinen Beinen hindurchwitschte und dabei meine Krallen in seine dünnen Nylon‑Sneaker schlug. Der Typ schrie auf, stolperte über seine eigenen Füße und fiel der Länge nach hin, nicht ohne zuvor mit seinem Kopf eine der Haltestangen zu rammen. Bewusstlos blieb er liegen.
Natürlich war es Efi, die ihr Handy zückte und einen Notarzt rief, der den Mistkerl an der nächsten Station aus dem Wagen hievte. Alle anderen Menschen hatten sich desinteressiert abgewandt. Zum Glück schien niemand meine Intervention bemerkt zu haben, sodass ich die Verfolgung unbemerkt fortsetzen konnte. Wir erreichten die U‑Bahnstation an der Zeil, einer der größten Einkaufsstraßen von Frankfurt, und Efi stieg aus. Ich schlängelte mich durch das Gewühl aus Beinen und blieb an ihr dran.
Ein Obdachloser beäugte mich verwundert und vergaß darüber, sein mantraartiges »Haste mal ’nen Euro« weiter aufzusagen. Ich zwinkerte ihm zu und lief weiter. Hinter mir hörte ich Kleingeld zu Boden fallen. Eine Stimme sagte: »Oh, verdammt. Na ja, wissen Sie was? Das können Sie alles behalten.« Beschwingt beschleunigte ich meine Schritte.

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