Sonntag, 10. August 2025

[Schnipseltime] Mein einziger Sommer mit dir von Biggi Berchthold

 

Die Fahrt nach unten ist nicht weniger übel, weshalb ich mich an der Tür festkralle, bis wir ankommen, was Keng amüsiert.

Bevor wir aussteigen, will ich dem DJ ein Trinkgeld zustecken, was er dankend ablehnt.

Ein Seufzer der Erleichterung entfährt mir, als ich endlich Boden unter den Füßen habe.

»So schlimm war es doch gar nicht.«

»Na ja, angenehm aber auch nicht. Immerhin besser als mit dem Pickup-Truck.«

»Jetzt dürfen wir erst einmal hoffen, um diese Uhrzeit einen Bus zu erwischen.«

Seine Worte beunruhigen mich ein wenig. »Okay, Mister! Wir sind in einem Touristengebiet, zumindest hier sollten einige fahren.«

Er nickt, was mich wieder beruhigt. »Siehst du außer uns noch andere Touristen herumlaufen?«

»Nein«, antworte ich langgezogen.

»Eben. Hier in der Gegend ist auch nichts.«

Innerlich sacke ich zusammen. »Wenn es keinen Bus gibt, dann doch wenigstens ein Taxi, das wir rufen könnten, oder?« Als er nicht gleich reagiert, sage ich abermals: »Oder?«

Dieser Mistkerl grinst nun auch noch frech. »Bestimmt.« Es klingt weniger überzeugend.

»Keng!« Ich boxe ihm leicht mit der Faust auf die Brust. »Du verarschst mich.«

Belustigt greift er nach meiner Faust und beginnt mich zu drehen, wie vorhin schon beim Tanzen.

Als ich weiter spaßeshalber zetern will, dreht er mich noch mal und noch mal … Bis mir schwindlig wird und ich einen Ausfallschritt mache, weil ich die Balance nicht mehr halten kann.

»Hoppla!« Er hält mich fest. Dabei stehe ich dicht vor ihm und blicke in die schönsten Augen, die es auf der Welt gibt. Sie sind gütig, voller Wärme und Sehnsucht.

»Keng …«, flüstere ich.

Zärtlich streichelt er mir mit den Fingerknöcheln über die Wange, ehe sein Daumen meine Lippen nachfährt. Automatisch schließe ich die Lider, weil diese Berührung ein tiefes Kribbeln in mir auslöst. Mein Herz klopft vor Aufregung wie verrückt. Ich kann mir keinen besseren Augenblick für den ersten Kuss vorstellen.

Und ja, es folgt einer, allerdings nur auf die Stirn, kurz und sanft.

Meinem innigsten Wunsch wurde entsprochen, nur nicht so, wie ich es gern hätte.

Dann löst er sich wieder von mir und sieht amüsiert auf mich herab. So spielen wir also?, schießt es mir durch den Kopf.

Er will mich absichtlich zappeln lassen. Denn dass er mich genauso gut findet wie ich ihn, steht zweifelsfrei fest.

»Du hast Glück. Dort drüben kommt ein Bus.«

Ich folge seinem Blick. Und tatsächlich sehe ich von Weitem ein bunt beleuchtetes Gefährt, das mit rasender Geschwindigkeit auf uns zurauscht. Wir wechseln die Straßenseite und machen uns winkend bemerkbar.

Der Bus hält zu meiner Freude, und wir steigen ein.

Als wir losfahren und meine Haare, wie schon bei der letzten Fahrt, in sämtliche Richtungen fliegen, fasst Keng sie erst mit beiden Händen zusammen und hält dann den Schopf mit einer hinter meinem Rücken fest. »Besser?«

Grinsend nicke ich, noch immer in der Situation von vorhin gefangen, die überaus prickelnd war. Irgendwie kann ich es nicht fassen, dass er mir einen Korb gegeben hat. Es ist pure Berechnung, und ich falle auch noch darauf rein. Aber zu sagen, dass er mich nun endlich küssen soll, ergibt für mich keinen Sinn, schließlich will ich ihn nicht dazu nötigen. Ich seufze.

 

Zwanzig Minuten später sind wir am Hotel angekommen. Wir bezahlen den Fahrer und steigen aus. Gentlemanlike hilft Keng mir.

»Danke«, hauche ich ihm zu, schenke ihm einen verführerischen Augenaufschlag und berühre ihn kurz am Arm.

Seine Brauen schießen nach oben. Er hat sofort erkannt, dass ich ein Spielchen spiele. Mist!

Wir betreten die Lobby und gehen in den zweiten Stock.

»Schon müde?«, erkundigt er sich. Vielleicht möchte er da weitermachen, wo wir vorhin aufgehört haben?

»Nein, du?«

»Noch Lust auf einen Tanz?«

Die Frage verblüfft mich nun doch, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass er in dem Fall tatsächlich meint, was er sagt. Wir bleiben vor meinem Zimmer stehen. »Was meinst du damit?«

Er wirkt amüsiert. »Soll ich dir das jetzt wirklich erklären?«

Diese Zweideutigkeiten immer …

»Keng, du verwirrst mich.«

»Weil ich mit dir tanzen will?« Man erkennt, dass er große Mühe hat, nicht gleich loszulachen.

Ich runzle die Stirn.

»Pass auf!« Aus seiner Hosentasche holt er sein Handy hervor und öffnet eine Musik-App. Dann drückt er auf eine Playlist und lässt ein Lied abspielen. Es ist der Bachata-Song von vorhin. »Und, Botschaft angekommen?«

Innerlich verdrehe ich die Augen und werde rot. »Ach, du meintest wirklich tanzen …«

»Nichts anderes habe ich behauptet«, erwidert er belustigt. »Zu dir oder zu mir?«

Lächelnd öffne ich meine Tür und bitte ihn herein.

Keng startet Bailando Bachata neu, wirft sein Smartphone aufs Bett und kommt mit ausgestrecktem Arm auf mich zu.

Ich lege eine Hand in seine und die andere auf der Schulter ab, während er mich näher zu sich zieht. Wir finden schnell in den Rhythmus und bewegen uns mit Leichtigkeit zu dieser Musik. Schwungvoll beugt er mich nach hinten und gleich wieder zurück. Ein paar Drehungen folgen, und zum Schluss tanzen wir so eng beisammen, dass kein Blatt Papier mehr zwischen uns passen würde. Ich könnte schwören, seinen Herzschlag dabei zu spüren. Meine Gefühle fahren gerade Achterbahn, und ich wünsche mir einfach beim Universum, dass es nie wieder aufhört.

Als das Lied zu Ende ist, löst Keng sich von mir und dreht mich zum Abschluss noch einmal im Kreis. Gleichzeitig verbeugt er sich. »Danke, für den Tanz … Emma.« Meinen Namen haucht er fast, was unglaublich sexy klingt. »Gute Nacht«, schiebt er hinterher. Bevor er meine Hand loslässt, deutet er einen Handkuss an, nimmt sein Handy und verlässt lächelnd das Zimmer.

Was für ein Schelm!, denke ich breit grinsend und lasse mich rückwärts ins Bett fallen.


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