Buchvorstellung einmal anders
Ich drehe den Kindle hin und her und öffne schließlich das darauf enthaltene Buch. Es ist genau das um das es heute gehen soll. „Uferlos“ von Sabine Brandl. Ich beginne ein wenig darin zu schmökern. Nach einigen Minuten höre ich ein feines Stimmchen: »Hast du denn überhaupt keine Fragen? Interview einfach mich, deshalb bin ich ja da!«
Ich lache laut auf, denn ich liebe es mit Büchern zu reden und wer weiß neben der Autorin am meisten über das Buch? Vermutlich das Buch selbst. Als ich gerade beginnen will, läuft Sabine auf mich zu und setzt sich zu mir auf die Bank. Nach einer Begrüßung lege ich mal los. 😊
Wollen wir das Interview nun zu dritt machen?
Danke, dass ihr heute Zeit gefunden habt, um mit mir zu reden.Buch: Na klar!Sabine: Tolle Idee.
Kannst du dich als Buch meinen Lesern vorstellen? Vielleicht in eigenen Worten, da die Leser den Klappentext auf der Verkaufsplattform lesen können?Buch: Sehr gerne. Ich freue mich immer, wenn Menschen Kontakt zu mir aufnehmen. Dazu bin ich da.Sabine: Und ich freue mich ebenso auf das Interview!
Buch: Ich bestehe aus den jeweils 14 besten lesbischen Kurzgeschichten und Gedichten meiner Autorin, die sie in den letzten 20 Jahren geschrieben hat. In mir geht es oft heiter, prickelnd und romantisch zu, manchmal auch nachdenklich, kritisch und philosophisch, insgesamt bin ich aber unterhaltsam und locker zu lesen. Ich denke, dass nicht nur lesbische Leserinnen ihre Freude daran haben können.In deinem Inneren spielt sich ja so einiges ab, die in dir enthaltenen Charaktere erleben so einiges und auch die Lyrik spricht seine eigenen Worte. Da du ja auch viel mit der Autorin zusammenarbeiten musst, kannst du uns vielleicht beantworten, ob es ihm leichter fällt sie durch einfache, schöne oder schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu führen? Siehst du es als Autorin genau so?
Habt ihr Lieblingsstellen, die ihr uns gerne vorstellen würdet?Buch: Da ich aus Kurzgeschichten von je maximal zehn Seiten und noch kürzeren Gedichten bestehe, leiden die Charaktere nie lang und meistens gibt es ohnehin ein Happy End. Na gut, die Lyrik ist öfter mal etwas nachdenklicher und evtl. auch melancholisch, aber ich mag das! Ich habe kein Problem damit, wenn nicht immer alles „heiter Sonnenschein“ ist, denn das Leben hat nun auch mal seine Schattenseiten.Sabine: Da gebe ich dem Buch recht. Ich lese selbst gerne Bücher, die abwechselnde Stimmungslagen haben und so das Leben ehrlicher widerspiegeln. Ein bisschen emotionales Auf-und-Ab gibt es in „Uferlos“ also schon, aber insgesamt ist es ein optimistisches Buch, das Spaß machen soll und auch Mut, sich so zu zeigen, zu entdecken, zu leben und zu lieben, wie man/frau es möchte!
Weißt du wie viel Sabine tatsächlich in dir oder auch in dem ein oder anderen Charakter oder in dem ein oder anderen Gedicht steckt? Hast du dazu noch etwas hinzuzufügen oder stimmst du deinem Buch zu?Sabine: Dieser Schnipsel ist aus dem Text „Eins, Zwei“, er zeigt eine besondere Begegnung zwischen zwei Menschen:„Und dabei glaube ich einen wunderbaren Moment lang dich wirklich zu sehen. Ganz dich. So wie du bist, vielleicht bist, wahrscheinlich bist. Ohne Zierde, Hülle, schützende Schale. Bist das dort du? Ganz du? Ich möchte es glauben. Hoffe darauf, dass das Schweigen zwischen uns anhält. Dass dieser Song ewig dauert.“Buch: Ich mag den Schnipsel hier, weil ich es auch gern amüsant und erotisch habe, er stammt aus der Kurzgeschichte „Schwimmbad“:„In dem Moment öffnete sich die Tür. Claudia trat ein. Sie war nackt. Ebenso nackt wie Laura, die sich jetzt erschrocken an ihrem Slip festklammerte.Claudia lächelte aufreizend. Einige Sekunden herrschte Stille. Laura hörte nur den Puls, der leise in ihren Ohren pochte.“
Wie würdest du oder ihre Charaktere / Protagonisten / Antagonisten / Nebendarsteller / Gedichte die Autorin beschreiben?Buch: Da steckt ganz viel „Sabine“ drin, na klar! Allerdings verfremdet sie Erlebnisse und Beobachtungen stets so, dass die Handlungen nie rein biografisch sind, genauso gestaltet sie vielfältige Figuren, die Anteile von ihr haben mögen, aber niemals ganz Sabine selbst sind. Sabine hat viel Fantasie und will diese für ihre Texte nutzen.Sabine: Stimmt genau. Ich schreibe keine biografischen Texte, trotzdem sind sie manchmal sehr persönlich, weil sie meine Haltung widerspiegeln oder mir sehr bekannte Gefühle wiedergeben. Vor allem bei den Gedichten lasse ich oft noch tiefer und authentischer in mich hineinschauen. Aber gleichzeitig spricht meine Lyrik Emotionen an, die viele Leute kennen oder nachempfinden können. Ich hoffe jedenfalls, dass sich viele Leser*innen von meinen Worten angesprochen und berührt fühlen.
Wie seid ihr eigentlich zum Titel gekommen? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du viel Mitspracherecht?Buch: In mir tummeln sich ganz viele Charaktere, eine leidenschaftliche Metal-Sängerin, eine flirtende Apothekerin, eine genervte Bettwarenverkäuferin, eine versteckte Schranklesbe, eine verzweifelte Dorflesbe, eine sexy Schwimmbadschönheit, eine anbetungswürdige Schreibkursleiterin … Wahrscheinlich würde jede dieser Figuren aus ihrer Sicht Sabine ein wenig anders beschreiben und erleben.Sabine: Nicht zu vergessen, die lesbische Kollegin, die nach einer spontane Wette queere Schubladenerforschung betreibt oder die verbissene Zaunpfahlwerferin, die von ihrer Freundin clever ausgebremst wird!Buch: Stimmt, die gibt es ja auch noch! Aber mal angenommen die Metal-Sängerin würde dich beschreiben, dann würde sie wohl sagen, dass du einen guten Musikgeschmack hast und sehr entspannt und lässig bist, dabei aber auch nachdenklich und tiefgründig. Das ihr euch da ähnlich seid.Sabine: Gut möglich. Die meisten meiner Figuren werden Ähnlichkeiten zu mir feststellen, obwohl sie doch ganz eigene Charaktere sind. Manche sind wiederum eher das Gegenteil von mir. Ich spiele mich gern mit meinen Figuren, lebe meine Fantasie in ihnen aus. Es gibt aber auch Texte, die einen realen Hintergrund haben und dann im Verlauf von mir verfremdet werden, wie die Story mit der Apothekerin oder der Bettwarenverkäuferin. Letztere wäre bestimmt genauso genervt über mich wie gegenüber der Kundin in dem Gedicht, wenn ich so umständlich nach einem Kissenbezug suche, für diese eine spezielle und so wichtige Sache, die ich selbst hin und wieder tue … aber ich spoilere jetzt nicht.Buch: Da würde ich drauf wetten, dass die Verkäuferin von dir genervt wäre. Aber ob du den Mut hättest, mit der reizenden Apothekerin zu flirten oder der sexy Schwimmerin nahezukommen, Sabine?Sabine: Mag sein, dass manche meiner Figuren mutiger oder leichtsinniger sind als ich. Ich lasse sie zuweilen Dinge tun, die ich selbst im realen Leben nicht wagen würde. Oder die ich gar nicht tun wollen würde, weil ich glücklich verheiratet bin.😉
Bist du zu 100% zufrieden mit deinem Cover / Outfit oder würdet ihr nachträglich gerne etwas ändern wollen?Buch: schweigt.Sabine: Das ist am Ende immer meine Entscheidung. Erst habe ich dazu tendiert, einen Titel zu verwenden, der das Wort „queer“ beinhaltet (dazu hat mir auch das Buch anfangs geraten), doch die Wortspiele, die sich hier anbieten sind mittlerweile schon sehr oft benutzt worden. Ich überlegte weiter, wollte einen kurzen, eingängigen Titel - am besten nur ein Wort - das die Texte und meine Intention beschreibt: Wir sollten nicht so starr zwischen bestimmten Ufern und Schubladen unterscheiden, uns mehr als bunte, vielfältige Gemeinschaft verstehen, in der jede*r unglaublich viele Facetten hat.Nun sei bitte nicht beleidigt, Buch. Oder gefällt dir der Titel etwa nicht?Buch: Hm. Ja, doch schon, zugegeben. Er trifft genau den Inhalt. Auch, wenn es nicht meine Idee war.
Zum Abschluss würde mich noch euer Lieblingszitat aus dem Buch interessieren.Buch: Ich liebe das Cover!Sabine: Ich auch. Meine Frau Gisela Weinhändler hat die Umschlaggestaltung gemacht, ich konnte dabei auch eigene Wünsche und Ideen einbringen.
Die Leute, die an mir vorbeigehen, sehen mich schon komisch an, deshalb höre ich auf zu reden und lächle den Personen einfach zu. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, noch einmal kurz zum Buch »Danke, für deine Geduld und Antworten« zuzuflüstern.Buch: Dann möchte ich ein Gedicht zitieren, das melancholisch stimmt, denn vor allem auch diese Art von Texten von Sabine gefällt mir (neben den amüsanten sexy Texten):TrennungDu sagst nichtsUnd das so lautDass auch mirDie Worte fehlenStehst vor mirSo weit entferntEgal was ich fühleUnd dir nicht sageWir wissen beideEs ist vorbeiUnd alles jetzt:Anders und neuSabine: Hier nehme ich ebenfalls ein Gedicht, das ich sehr mag, weil es stark und selbstbewusst ist und die Vielfältigkeit des Frau-Seins zeigt :Ich interessierte mich noch nieFür Frisuren oder SchminktippsIch trage schwarz und stehe aufRock – aber nicht auf RöckeIch mache kein Pilates, YogaAerobic oder Bauch-Beine-PoIch treibe energisch KraftsportUnd Kochen? Mag ich auch nicht.Insgesamt bin ich also … echt okay!
Buch: Gerne doch, hat mich gefreut!Dann wende ich mich der Autorin zu. »Danke dir für das sehr interessante Interview.«
Sabine: Herzlichen Dank für die tollen Fragen!Als Sabine weggeht, vertiefe ich mich wieder in das Buch.
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