Buchvorstellung einmal anders
Nach dem Autoreninterview drückt mir Christoph seinen Kindle in die Hand und verlässt einfach das Zimmer. Da mir das schon öfter passiert ist in letzter Zeit, erahne ich, was da kommen wird.
Ich drehe den Kindle hin und her und öffne schließlich das Buch des Autors „Konform“, um schon ein bisschen hineinzulesen. Nach einigen Minuten höre ich ein feines Stimmchen: »Jetzt ist er weg, dann interview einfach mich, deshalb bin ich ja da!«
Ich lache laut auf, denn ich liebe es mit Büchern zu reden und wer weiß neben dem Autor am meisten über das Buch? Vermutlich das Buch selbst. Also, dann lege ich mal los. Doch da kommt der Autor wieder in den Raum und setzt sich zu uns.
Wollen wir das Interview nun zu dritt machen?
Kannst du dich als Buch meinen Lesern vorstellen? Vielleicht in eigenen Worten, da die Leser den Klappentext auf der Verkaufsplattform lesen können?Christoph: Meinetwegen gern.Konform: Ungern, aber auch: meinetwegen.
Nun, ich bin wieder einmal eines der typischen Bücher dieses Herren neben mir. Ich bin niederträchtig und bösartig und mache mich mit einer Freude über Menschen lustig, dass es manchmal schon hart an der Grenze ist. Aber ich bin trotzdem witzig geraten und mir wurde tatsächlich schon nachgesagt, ein guter Debattenbeitrag zu sein, wenn es um „woke sein“ und „cancel culture“ geht. Das hat mich überrascht, weil viele Leute Humor bewiesen haben, denen ich ihnen in der Form nicht zugetraut hätte.In deinem Inneren spielt sich ja so einiges ab, die in dir enthaltenen Charaktere erleben so einiges. Da du ja auch viel mit dem Autor zusammenarbeiten musst, kannst du uns vielleicht beantworten, ob es ihm leichter fällt sie durch einfache, schöne oder schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu führen? Siehst du es als Autor genau so?
Habt ihr eine Lieblingsstelle, die ihr uns gerne vorstellen würdet?Konform: Ganz offensichtlich hat jemand große Freude daran,Menschen durch schwierige und finstere Zeiten zu führen.Und da ich nicht sein erstes Buch bin, in dem es den Protagonisten sehr schlecht ergeht, gehe ich davon aus, dass diesbezüglich mehr Fantasie und Sadismus vorhanden ist.Christoph: Das hat mit Fantasie oder Sadismus nichts zu tun, sondern mit Entwicklung. Wenn es in einem Roman vorwärtsgehen soll, müssen sich die Figuren, also die Menschen, entwickeln. Und Menschen entwickeln sich nicht, wenn sie kuschelig auf der Couch liegen und mit Vanillepudding gefüttert werden. Sie entwickeln sich, wenn sie mit unangenehmen und herausfordernden Situationen konfrontiert werden. Wenn sie sich Dingen stellen müssen, die sie nicht kennen. Daran wachsen sie.Konform: Oder sie zerbrechen daran.Christoph: Ja, okay. Manche zerbrechen.
Weißt du wie viel Christoph tatsächlich in dir oder auch in dem ein oder anderen Charakter steckt? Hast du dazu noch etwas hinzuzufügen oder stimmst du deinem Buch zu?Christoph: Ich will ja nicht spoilern … Meine Lieblingsstelle ist eine Szene in einem Nachtclub, in dem eine junge männlich gelesene Person auf die denkbar unangenehmste Art und Weise von einer weiblich gelesenen Person aus seiner queeren Ally-Blase gerissen wird. Die maximal mögliche Konfrontation zwischen Träumerei und Wirklichkeit. Als Erzähler habe ich da einen netten, sachlichen Ton getroffen, der die ganze Grausamkeit noch unterstreicht.Konform: Junge, das ist die mit Abstand furchtbarste Szene, die ich habe. Ich als Buch mag den Schluss. Hier verdichtet sich in einem hasserfüllten Monolog der gesamte Konflikt. Da gefalle ich mir am besten, hier fühle ich mich endlich mal wie Literatur.
Wie würdest du oder ihre Charaktere / Protagonisten / Antagonisten / Nebendarsteller den Autor beschreiben?Konform: In mir steckt natürlich eine Menge Christoph. Eine völlig überspitzte Version eines Teils seines Charakters, wenn man so will. Wäre er einer der Charakter, dann eindeutig Steffen, der Antagonist. Diese Lust, andere zu manipulieren und zu quälen kenne ich auch aus anderen Romanen von ihm.Christoph: Das ist so natürlich nicht wahr. Selbstverständlich steckt im Buch immer ein Teil des Autors, das ist unvermeidlich, glaube ich. Aber in „Konform“ lasse ich zwei Generationen aufeinanderprallen. Und zu 100 % bin ich auf keiner der Seiten. Ich verstehe beide in Teilen, wie ich manche Ansichten beider Seiten nicht nachvollziehen kann.
Wie seid ihr eigentlich zum Titel gekommen? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du viel Mitspracherecht?Konform: Also ich habe Christoph als extrem pedantischen Autor kennengelernt. Er erzählt gut, muss man ihm lassen.Christoph: Na, danke …Konform: Ich war ja noch nicht fertig. Aber wirkliche Arbeit steckt er in die Dialoge. Das ist wirklich herausragend. Wen man ihn beim Schreiben beobachtet, dann kann man denken, da sitzt ein Irrer. Plappert ständig Sätze vor sich hin, weil er die richtige Sprache und das richtige Timing sucht. Jeder Dialog braucht eine richtige Geschwindigkeit und Länge. Ein Dialog, der sich unnatürlich anhört, kommt ihm nicht ins Buch. Und da googelt er sogar manchmal Wörter, die bestimmte Menschen benutzen, damit sie im Roman authentisch klingen.Christoph: Das stimmt nicht, ich kenne diese Wörter natürlich.Konform: Tust du nicht. Du musstest einen Schauspieler googeln, auf den 20jährige heute stehen. Du kanntest keinen einzigen. Du wolltest erst Leonardo DiCaprio nehmen, obwohl der steinalt ist und niemand aus der jungen Generation ohne Vaterkomplex den anhimmelt. Ist dir nicht aufgefallen.Christoph: Ein Schauspieler ist kein Wort. Außerdem … das … das war deine Rohfassung. Leo war ein Platzhalter.Konform: Hätte mich fast versaut damit …
Christoph: Der Titel stand fest, bevor ich die erste Zeile geschrieben hatte. Das ist zumindest bei mir extrem ungewöhnlich. Ich wollte eine Geschichte erzählen, die eben jene Konformität behandelt, die man in der sogenannten Gen Z ausmachen kann. Und auch der Verlag fand den Titel direkt stimmig und passend. Hätte man beim Adakia Verlag einen besseren Titel gefunden, wäre ich dafür offen gewesen, aber tatsächlich war das nie ein Thema.Seid ihr zu 100% zufrieden mit dem Cover / Outfit oder würdet ihr nachträglich gerne etwas ändern wollen?
Zum Abschluss würde mich noch euer Lieblingszitat aus dem Buch interessieren.Christoph: Das Cover ist allein auf dem Mist des Verlags gewachsen. Und ich bin extrem glücklich damit. Es gab noch zwei, drei andere Vorschläge, aber bei den Enten hatten wir alle direkt ein sehr gutes Gefühl. Dieses Gleichgeschaltete, aber dennoch harmlos und niedlich Wirkende passt perfekt zum Inhalt.Konform: Sind halt Enten. Ich hab da keine Meinung.Christoph: Du hast keine Ahnung. Die Entchen sind phänomenal. Ich wäre da nie drauf gekommen. Danke nochmal an Marko von Adakia!
Obwohl es selbst in Autorenkreisen nicht üblich ist, dass das Buch antwortet, bedanke ich mich bei dem Buch: »Danke für das Gespräch, es hat mir großen Spaß gemacht.«Christoph: Mein Lieblingszitat steht tatsächlich auch auf dem Cover: „Für mich ist J.K. Rowling ein Nazi, ihre Bücher gehören verbrannt.“Das spiegelt schön die Widersprüchlichkeit wider, die den Protagonisten überhaupt nicht auffällt. Und witzigerweise ist es mir auch schon bei einer Lesung passiert, dass die Leute im Publikum bei diesem als Gag gedachten Satz zustimmend genickt haben. Man will Nazi-Methoden bei jemandem anwenden, den man für einen Nazi hält. Und alle finden das total okay, weil man ja selbst zu den Guten gehört. Ich finde das völlig absurd.
Dann wende ich mich dem Autor zu. »Danke dir für den sehr interessanten Tag bei dir und das tolle Interview.«
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