Autoreninterview
Christoph Straßer
Selbstbeschreibungen finde ich immer schwierig. Oft hat man ja mit dem Typ, der man zu sein glaubt, wenig zu tun. Grundsätzlich halte ich mich aber für einen netten, relativ normalen Menschen, der irgendwann erkannt hat, wie absurd vieles um ihn herum ist. Und der dies in Form von Romanen für sich und den Rest der Welt dokumentiert.Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich habe irgendwann Ende der 90er Jahre angefangen, kleine Geschichten zu schreiben. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das nicht meine Erzählform ist und ich mehr Platz brauche. Und so entstanden die ersten Romane.Welche Bücher sind bis jetzt von Dir erschienen? Könntest du sie uns in max. 5 Sätzen beschreiben?
Arbeitest du gerade an einem neuen Werk?Ich habe bisher neun Romane veröffentlicht.Vor der Frage, wie ich sie beschreiben würde, stehe ich immer, wenn man mich nach dem Genre fragt, in dem ich schreibe. Keine Ahnung. Manche nennen es Satire, andere Untergrund, wieder andere Großstadtroman. Dass ich mein eigenes Genre nicht kenne, ist auch der Grund, warum mich Literaturagenturen mit der Zange nicht anfassen. Das und die Tatsache, dass ich weder Thriller noch Liebesromane schreibe.Meine Romane haben gemeinsam, dass Humor dort die Hauptrolle spielt. Der kann sehr ätzend und bösartig sein wie bei "Hasi - Die Ballade eines Verlierers", eher melancholisch wie bei "Paria oder von der Kunst, nicht lieben zu müssen" oder eben sehr höhnisch und sarkastisch wie aktuell bei "Konform". Ich könnte nichts Humorloses schreiben, selbst wenn ich wollte.
Ich arbeite immer an irgendetwas. Tatsächlich ist mein nächster Roman schon fertig und liegt beim Verlag. Das wird dann wieder was anderes, mein erster Roadtrip, der durch ein verrücktes, kleines Land führt. Mit ein bisschen Glück erscheint er noch in diesem Jahr.Wenn du Freizeit zur Verfügung hast, was machst du am liebsten?
Wenn ich mal so gar nichts zu tun habe, gammle ich auf der Couch herum, gucke Filme oder lese. Klassische Hobbys habe ich tatsächlich keine.Hast du auch Lieblingsbücher und einen Lieblingsautoren, mit denen du gerne einmal die eine oder andere Lesestunde verbringst?
Ich habe viele Lieblingsbücher und -autoren. Wenig überraschend sind es meist Autoren, die thematisch in ähnlichen Bereichen unterwegs sind, wie ich: Chuck Palahniuk, Irvine Welsh und John Niven, aber auch Michel Houellebecq und Charles Bukowski. Jeder ist auf seine Art brillant und unfassbar witzig, auch wenn man bei Houellebecq oft genauer hinsehen muss.Kannst du uns deinen Schreib- und Arbeitsplatz beschreiben oder zeigen, wo du am liebsten schreibst und deine Ideen verwirklichst?
Ich sitze ganz klassisch am Schreibtisch mit einem schönen Chefsessel, dem ich die Armlehnen abmontiert habe, um auch im Schneidersitz darauf hocken zu können. Meine liebste Sitzposition seit Kindertagen, wie mein Orthopäde bestätigen kann. Seit meinem Umzug vor zwei Jahren steht der Schreibtisch in einem großen Erkerfenster und ich kann auf die Leute auf der Straße heruntergucken. Das kann sehr faszinierend sein.Wie können wir uns einen ganz normalen Tag bei dir vorstellen?
Ich glaube, einer meiner normalen Tage ist von außen betrachtet extrem langweilig. Ich schlurfe auf die Couch, sitz dann da mit Handy und Kaffee und warte, bis ich frisch genug bin, um Emails zu schreiben oder Telefonate zu führen. Wenn mich kein Termin vor die Tür scheucht, setze ich mich dann irgendwann vor den Rechner und tippe.Was ist dein Lieblingsgenre beim Lesen, welches beim Schreiben?
Mein Verleger hat festgestellt, dass ich offenbar die Bücher schreibe, die ich auch gern lesen würde. Und er hat recht. Mich interessieren schräge, absurde Geschichten von vermeintlich normalen Leuten. Mit Fantasy oder Lovestorys kann ich nichts anfangen, auch Thriller lese ich fast nie, weil die mir meist zu schablonenhaft sind.Hast du ein Lieblingszitat, nach welchem du in deinem Leben handelst? Und hast du ein Zitat aus einem deiner Bücher, welches deine Arbeit am besten beschreibt?
Hast du ein Lieblingsland und warum?Ich habe kein Motto oder Zitat, nach dem ich lebe oder handle. Dafür hat mein Leben auch schon viel zu oft für mich unerwartete Richtungen eingeschlagen.Ein ziemlich bekanntes Zitat, das aber prägend für meine Arbeit ist, stammt von Jules Renard: Suche in allem das Lächerliche - und du wirst es finden.
Ich finde Kanada toll. Ich weiß nicht, ob ich Kanada als mein Lieblingsland bezeichnen würde, weil ich bisher nur ein einziges Mal dort war, aber mich haben die Leute dort unglaublich fasziniert. Jeder, wirklich jeder, der mir dort begegnet ist, war freundlich, höflich, zuvorkommend und großzügig. Ich war drei Wochen dort und habe nicht einen einzigen unfreundlichen Menschen kennengelernt. Ganz, wie es dem Klischee vom Kanadier entspricht. Und landschaftlich ist das Land sowieso ein Traum.Bist du ein kritikfähiger Mensch oder wie gehst du mit Kritik im Allgemeinen um?
Ich liebe Kritik, nur so werde ich besser. Ha! Nein, ich hasse Kritik, wirklich. An meiner Person sowieso, an meinen Romanen auch. Natürlich habe ich im Lauf der Jahrzehnte gelernt, damit umzugehen und reif und erwachsen zu reagieren. Und es kommt auch immer darauf an, wer mich in welcher Weise kritisiert. Aber auf emotionaler Ebene ist meine erste Reaktion auf Kritik immer noch "Du hast ja keine Ahnung, du Spinner!" Auch wenn ich das natürlich nicht äußere. Aber ich bin definitiv nicht der Mindset-Typ, der Kritik will, um daran zu wachsen. Ich will schmollen.Warum hast du dich entschieden zu einem Verlag zu gehen und nicht Selfpublisher zu werden?
Gibt es etwas, was du meinen Lesern noch mit auf den Weg geben möchtest?Als ich mit dem Veröffentlichen angefangen habe, war das Selfpublishing eher eine Krücke. Leute, die keinen Verlag gefunden haben, haben für kleines Geld ihre Manuskripte drucken lassen in der Hoffnung, einige Verwandte kaufen aus Mitleid ein paar Exemplare. Als Cover hat man eine von vier möglichen Vorlagen gewählt. So habe ich meine ersten beiden Bücher veröffentlicht. Beide waren natürlich weder vernünftig gesetzt oder gar lektoriert. Viel zu teuer! Dementsprechend glücklich war ich, als ich 2008 einen Verlag für mein damaliges Manuskript gefunden habe. Erst ab dem Zeitpunkt habe ich mich als "richtiger" Autor verstanden.Inzwischen hat sich die Selfpublisher-Szene unglaublich gewandelt. Autoren veröffentlichen, um die größtmögliche kreative Kontrolle zu behalten und stecken mehr Zeit, Arbeit und auch Geld in ihre Bücher, als ich das je getan habe. Was die Leute da oft neben einem Vollzeitjob leisten, ist unfassbar. Ich selbst veröffentliche ja meine Romane über eher kleine bis mittelgroße Verlage, sodass ich mit der kreativen Kontrolle keine Schwierigkeiten habe und mich gleichzeitig um viele Dinge einfach nicht kümmern muss. Natürlich behalte ich so weniger von jedem verkauften Buch, aber wer als Autor reich werden will, hat sowieso den falschen Job.
Lest mehr Bücher! Kauft sie, redet über sie, rezensiert sie und überzeugt andere Leute, auch mal wieder ein Buch zu kaufen.In den letzten Jahren hat sich der Buchmarkt sehr schlecht entwickelt, die Verkäufe gehen dramatisch in den Keller, während gefühlt jede Woche ein neuer Streaming-Anbieter entsteht und Kinder und Jugendliche bessere Smartphones besitzen als ich. Das halte ich für eine grässliche Entwicklung, auch und gerade auf intellektueller Ebene. Es gibt Länder, in denen Lesen so selbstverständlich ist wie essen. Da müssten wir auch wieder hinkommen.
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