Sonntag, 19. November 2023

[Schnipseltime] Mittsommerlegende - Mit Zimt und Zauber von Sabine Reifenstahl


 

»Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Prinzen den Backofen schrubben sehe«, witzelte Sasha und verbeugte sich. »Euer Durchlauchtigkeit.«

Botho hob drohend den Spülschwamm, ein breites Grinsen entblößte weiße Zähne. »Idiot, und wenn schon, dann bitte richtig.« Mit einer eleganten Geste schwenkte er zuerst den Arm und vollführte eine tiefe Verbeugung. »So geht das.«

»Sehr hoheitsvoll, besonders mit dem dreckigen Teil in der Hand.«

»Du mich auch!«

»Meri, Meri, Meridur, komm her, komm her, ich brauch noch Schuhe.«

»Wer ist Meridur«, erkundigte sich Sasha.

»Enids neuer imaginärer Freund. Ich mach mir Sorgen, sie hat keine echten Freunde in ihrem Alter. Kein Wunder, dass sie jemanden erfindet.«

Ein klappendes Geräusch ertönte.

»Die Haustür«, rief Botho und stürmte los.

Sasha folgte fluchend und erstarrte im Eingang.

In ihrem pinken Skianzug saß Enid auf der Treppe und spielte mit einer Lichterkette, nein, eigentlich mit einem großen Haufen Kabel mit LEDs, der neben ihr lag.

»Enni, was machst du denn hier draußen in der Kälte?« Botho nahm seine kleine Tochter auf den Arm. Verwundert hob er ihren Schuh an. »Seit wann kannst du denn eine Schleife binden?«

Mit verkniffenem Gesicht packte Sasha die Weihnachtsbeleuchtung und ließ sie resigniert wieder sinken. »Ich hab Stunden damit verbracht, das Zeug über die Tannen da vorn zu hängen. Das krieg ich nie entwirrt.«

»Ich helfe dir nachher, erst einmal muss meine Tochter ins Warme.« Fürsorglich trug Botho das Mädchen, das wie eine Vierjährige aussah, in den Flur und schälte sie aus den Wintersachen.

»Bist du böse, Papa?«

Nach einem tiefen Atemzug antwortete er: »Nein, Süße. Aber du darfst nicht allein nach draußen, das ist gefährlich. Wie hast du überhaupt die Tür aufbekommen?«

»Meri war doch da«, sagte sie und kicherte. »Papa kann dich nicht sehen.«

Sasha streichelte ihr über das Haar und schlenderte in die Richtung, in die sie schaute. Die Nasenlöcher blähte er dabei witternd auf. »Ist Meri noch hier?«, fragte er.

Enid lachte. »Onkel Sasha, er steht genau vor dir.«

1 Kommentar:

Mit dem Abschicken des Kommentars bin ich mit den Datenschutzrichtlinien des Blogs einverstanden.