Sasha schwamm
heran und streckte Nick die Hand hin. Als er das schelmische Grinsen bemerkte,
war es zu spät. Mit einem Ruck wurde er ins Wasser befördert. Er schnappte nach
Luft, Kälte brannte auf der Haut.
Lachend
trat Sasha auf der Stelle. »Es ist nur am Anfang kalt.« Selbstsicher kraulte er
zur Mitte des Sees, wo die Sonne Lichtreflexe auf die Wasseroberfläche
zauberte. Tropfen rannen von seinen Wangen, hingen wie Perlen in seinem Haar.
Der kräftige Nacken, die muskulösen Arme, der feste Hintern. Natürlich war Nick
schon vorher aufgefallen, wie gut die Zwillinge aussahen. Doch zum ersten Mal
nahm er diese Tatsache bewusst wahr.
In den
tiefblauen Augen blitzte der Schalk. Mit wenigen Zügen war Sasha da, legte Nick
die Hände auf die Schultern und zog ihn mit sich in die Tiefe.
Als
sie prustend wieder auftauchten, schwamm Sasha zum Ufer und setzte sich ein
Stück entfernt auf einen sonnenbeschienenen Flecken Gras. Den Blick auf einen
Punkt am gegenüberliegenden Seeufer gerichtet, sagte er: »Dort sind Menschen.
Wir müssen warten, bis sie weg sind.«
Nick
folgte ihm und kletterte umständlich aus dem Wasser. Schwerfällig ließ er sich
neben seinem Freund nieder und zog die Knie an. »Na wunderbar. Und unsere
Klamotten liegen irgendwo unter einem Busch.«
»Nur
nicht so genierlich. Du musst dich nicht verstecken«, versetzte Sasha und
drehte sich auf den Bauch. Er wirkte entspannt, doch unter den halb
geschlossenen Lidern musterte er die Umgebung aufmerksam. »Das war verdammt
unvorsichtig von mir. Die Gesetze verlangen Geheimhaltung, am helllichten Tag
die Gestalt zu ändern, ist damit nicht gemeint.«
»Glaubst
du, sie haben was gesehen?«
»Vermutlich
wären sie dann schreiend weggerannt. Ich denke, für sie sind wir nur zwei
Männer, die nackt baden und vielleicht noch etwas anderes vorhaben. Hoffentlich
bleiben sie weg.«
Das
hoffte Nick gleichfalls. Angespannt beobachtete er, wie eine Frau den rechten
Fuß ins Wasser tauchte, quietschte und einen Rückzieher machte.
Innerlich
rollte er mit den Augen und betrachtete Sashas Kehrseite. Die Grübchen über den
Pobacken verlockten, sie zu küssen. Was würde wohl geschehen, wenn Nick über
den feinen Flaum auf der Wirbelsäule strich? Seine Finger entwickelten ein
Eigenleben. Erschrocken riss er sie zurück und fragte sich, was mit ihm nicht
stimmte. Obwohl die Trennung von Jo nur Tage zurücklag, saß er hier und gierte
danach, diesen Mann zu berühren, malte sich aus …
»Du
denkst schon wieder an ihn!«, unterbrach Sasha die Gedanken. »Lass die
Vergangenheit ruhen. Wölfe leben in der Gegenwart, sie trauern verpassten
Chancen nicht nach. Das Hier und Heute ist, was zählt. Versuch, dich daran zu
gewöhnen.«
»Ich
bin eben ein Mensch. Das lässt sich nicht einfach abstellen.« Nick betrachtete
seine rechte Hand und drehte sie. »Ich dachte, die Verwandlung würde wehtun. In
Wirklichkeit habe ich nichts davon bemerkt.«
»Du
solltest nicht alles glauben, was du in Horrorschinken siehst. Wenn es so
geschähe, wären wir längst ausgestorben. Du hattest es doch bei mir erlebt und
gesehen, dass das nichts mit brechenden Knochen und aufplatzender Haut wie in
den Filmen zu tun hat.«
»Damals
ging alles viel zu schnell. Was denkst du, woher diese Vorstellung kommt.«
»Was
weiß denn ich? Weil sie gruseliger ist als die Wirklichkeit.«
»Habt
ihr keine Angst vor Entdeckung? Immerhin wissen Menschen von euch.«
Ein
belustigtes Schnauben folgte. »Sie wissen nichts von unserer Existenz, denn wir
sind keine Werwölfe. Die Menschen lieben Spukgeschichten, sie erzählen sich von
Vampiren, hybriden Raubtieren und Zombies, weil es ihnen einen wohligen Schauer
über den Rücken jagt. Das sind die unausgegorenen Ausdünstungen irgendwelcher
Fantasten. Und dann diese romantischen Geschichten von Alphas und Omegas, bei
denen sich mir die Krallen hochrollen. Was sollte ein Anführer mit einem
Schwächling anfangen? Außerdem …«
»Ja?«
»Muss
man eben mögen. Ich finde nichts reizvoll an jemanden, der mir unterlegen ist.«
Nick
dachte über die Worte nach. Ihn hatte Jos zierlicher Körperbau angezogen, er
liebte es, wie er sich an ihn schmiegte, wenn sie nebeneinander gingen, und
konnte ihn mühelos hochheben. Jo schien wie für ihn geschaffen.
Ein
leises Knurren riss Nick aus den Erinnerungen. Blaue Augen ruhten auf ihm, ein
Blick, der das Herz zu seltsamen Sprüngen animierte. Mit tiefen Atemzügen
beruhigte er den galoppierenden Puls und schüttelte verwirrt den Kopf. Was
geschah da zwischen ihnen?
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