Montag, 13. Februar 2023

[Schnipseltime] Liebesküsse auf Mallorca von Cleo Lavalle

 




Ausschnitt 1

Melanie läuft weg und lässt mich mit den Kerlen alleine. Vier Augenpaare, eins schöner als das andere, richten sich auf mich. Nur Mut! Wenn du Schwäche zeigst, bist du unten durch. Ich sehe sie langsam der Reihe nach an. Verdammt! Wie alt sind die Jungs? Zwei von denen können doch höchstens achtzehn sein. Soll ich hier etwa Kindermädchen spielen? Einer sieht mich aus eisig blauen Augen an. Er hat einen richtig arroganten Blick drauf. Wahrscheinlich hat er sich den für die Shootings antrainiert. Daheim vor dem Spiegel. Irgendwie wirkt das lustig bei so einem jungen Kerl. Worauf bildet er sich etwas ein? Auf sein hübsches Gesicht, das genauso schmal ist wie seine Figur? Der müsste mal eine fette Pizza oder eine ordentliche Portion Spaghetti essen. Ich strecke ihm die Hand hin. „Charly“, stelle ich mich noch einmal vor. „Paolo“, antwortet er und verzieht dabei keine Miene. Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. Arrogant kann ich auch. Den speichere ich unter Schnuckelchen Eingebildet ab. Der Nächste ist garantiert nicht viel älter. Er hat braune Augen und einen hübschen, herzförmigen Mund, den er verzieht, als wäre er ein trotziger Junge. Sein Gesicht ist schön, mit weichen Zügen. Es wirkt weiblicher als mein eigenes, denke ich neidisch. „Charly.“ „Liam“, sagt er. Es klingt, als würde er seinen Namen auf den Boden spucken. Mit dir werde ich sicher auch noch Freude haben, Schnuckelchen Kussmund. „Ich bin Stephen“, kommt mir der Nächste zuvor. Er ist der Hipster unter den Jungs. Blaue Augen, dunkelblonde Haare, rötlich-blonder Bart, Tattoos. Auch er hat den „Ich bin der Schönste“-Blick drauf, doch auf eine männlichere Art als die anderen beiden, denn er könnte schon an die dreißig Jahre alt sein. Aber vor allem wirkt er sympathisch. Schnuckelchen Hipster, werde ich ihn nennen. Der ist unverwechselbar. Dann schaue ich den Vierten an. Der ist auch schon aus den Windeln raus. Er hat einen Schlafzimmerblick aus grünen Katzenaugen drauf, der garantiert alle schwulen Jungs umhaut. Seine Haare sind dunkel, etwas länger und leicht gewellt. Sein Name ist ganz klar. Schnuckelchen Locke. Er reicht mir die Hand. „Yves.“ „Charly.“ „Alec fehlt noch, richtig?“, frage ich betont forsch. Die Kerle nicken. Schnuckelchen Hipster sagt in gelangweiltem Tonfall: „Ruf ihn an.“ Aha! Da versucht bereits einer, mir Vorschriften zu machen. „Wir werden mit dem Einchecken noch kurz warten“, übergehe ich seinen Einwurf und bete, dass Schnuckelchen Nummer fünf schnell auftauchen möge. Tja, und dann ... stehe ich ihnen gegenüber und jeder Satz, den ich jetzt noch sagen könnte, würde hölzern klingen. Angefangen mit einem unsicheren „Seid ihr auch so aufgeregt?“, bis hin zu einem gewollt lässigen: „Na, Jungs! Alles fit im Schritt?“ Deswegen glotze ich sie nur an. Ich fühle mich wie Schneewittchen und die Zwerge. Nur ist es in meinem Fall so, dass die Zwerge die Schönheiten sind, während ich, ohne jegliches Make-up, nicht einmal einem Hauch von Lippenstift und den streng nach hinten gegelten Haaren das hässliche Schneewittchen darstelle. „Chérie, mach dich locker. Wir fressen dich nicht“, sagt der mit den längeren Haaren. Ich würde dir auch gar nicht bekommen, Locke! Während ich mich also innerlich winde wie eine Schlange, mal hierhin, mal dorthin schaue und mich immer unbehaglicher fühle, kommt endlich Nummer fünf angelaufen. Im ersten Moment ahne ich noch nicht, dass er es ist. Denn er sieht zwar gut aus, umwerfend sogar, aber nicht so typisch wie ein schwules Model. Mehr so ... rrrrr ... was für ein Kerl! Mit dicken Haaren, in denen man mit den Fingern versinken kann, einem sehr markanten Gesicht und grimmigem Blick aus dunkelblauen Augen. Er wirkt, als wollte er überall lieber sein als hier auf dem Flughafen. Und er kommt geradewegs auf uns zu.


Ausschnitt 2

„Sieh dir diese beiden Tucken an!“, stichelt der eifersüchtige Yves. „Man könnte meinen, die hätten sich gesucht und gefunden. Dabei habe ich ihn zuerst gesehen. Ich hätte ihn schnell anlecken und ‚Meiner‘ schreien sollen!“ „Glaub mir: Das hilft nichts“, sage ich in Erinnerung daran, wie Nancy es vorhin bei mir gemacht hat. „Außerdem unterhalten die sich doch nur.“ „Die unterhalten sich doch nur“, äfft er mich nach. „Dieser verdammt gut aussehende David frisst ihn mit seinen Augen auf!“ Ja, so wirkt es tatsächlich. David hat sich wohl genauso schnell in Alec verguckt, wie ich es getan habe. Kein Wunder! „Ist der überhaupt schwul?“, mache ich einen letzten Versuch, ein Nein von jemandem zu bekommen. Dieses Mal von einem Experten. „Kennst du nicht die Bedingung für das Shooting? Heteros verboten! Man sollte es in der heutigen Zeit ja nicht glauben und vor allem nicht in dieser Branche, aber es gibt immer noch ein paar wenige, die sich tarnen. Also dass sie um keinen Preis zugeben wollen, dass sie lieber Schwänze ...“ „Hmhm ...“, unterbreche ich ihn räuspernd. „Ach, Chérie ... haben wir etwa eine Allergie gegen das hervorstechendste männliche Merkmal?“, lacht er. „Ein Merkmal, das mich absolut nicht interessiert“, werfe ich gelangweilt dahin. Der Koch bringt zusammen mit der Löwenmähnenfrau eine riesige Pfanne mit Paella. „Warum ist die schwarz?“, wundere ich mich. „Tintenfisch“, erklärt Alec und schenkt zur Abwechslung mal mir seine Aufmerksamkeit. Liegt sicher nur daran, dass der Schönling aus der Bar plötzlich verschwunden ist. „Ich gehe mich mal kurz frisch machen“, nutzte Yves die Chance. Was – oder besser gesagt wen – er zu finden hofft, ist ja klar. „Willst du nichts?“, rufe ich ihm nach. „Nein. Ich hatte schon was vom Buffet.“ Buffet? Ach so. Reiswaffeln. Nicht sehr beneidenswert, das Leben eines Models. „Ich hätte nicht gedacht, dass es bei euch männlichen Models auch so zugeht wie bei den Mädels“, sage ich zu Alec. „Nicht bei mir“, antwortet er und häuft mehrere Löffel Paella auf einen Teller. „Guter Stoffwechsel?“, frage ich. „Gute Gene“, meint er und reicht mir den Teller. „Das ist deiner. Du hast heute auch noch nichts gegessen, oder?“ Ich schüttle den Kopf. Und wundere mich ... Wo kommt diese plötzliche Fürsorge her? Schwule sind doch bekannt dafür, dass sie nett zu Mädels sind ... Der nicht!

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