Laster nahm die Hände von den Augen
und blinzelte gegen die plötzlich wieder viel zu grelle Helligkeit an. Zwei
Sekunden sah er nur verschwommen. Dann bemerkte er eine Gestalt in der Tür. Ein
Glück, dass er nicht sofort losgelegt hatte.
»Alles in Ordnung, Blaine?«, fragte
er, bevor seine Sicht sich klärte und er bemerkte, dass er nicht seinen
Assistenten vor sich hatte.
Der Mann in der Tür trug eine
Ledermaske, die sein ganzes Gesicht bedeckte. Lediglich Augen, Nase und Mund
waren frei. Nicht einmal die Haarfarbe war zu erkennen. Die Lippen bewegten
sich nicht. Er stand nur reglos da.
Panik raste durch Laster. Was zum
Teufel ging hier vor? Was wollte der Kerl? Handelte es sich um einen üblen
Scherz, den Blaine sich erlaubt hatte? Steckte Megan dahinter? Oder wurde
Laster gerade überfallen?
Die beruhigende Musik, die ihn aus
den Kopfhörern beschallte, passte nicht zu der angsteinflößenden Situation.
Rasch nahm Laster die Kopfhörer ab und erhob sich. »Wer sind Sie? Was tun Sie
hier?«
Keine Antwort. Stattdessen machte
der Mann einen Schritt auf ihn zu und hob seinen Arm.
Sofort wich Laster zurück. Sein
Blick flog zu dem Gegenstand in der Hand des Fremden. Ein Block. Keine Waffe.
Dennoch blieb er vorsichtig.
Mit bedachten Bewegungen trat er
neben seinen Schreibtisch und streckte sich, bis er den Block erreichte. Es
handelte sich um einfache Abreißblätter, die durch eine Spiralbindung
zusammengehalten wurden. Die erste Seite war aufgeschlagen und in
Druckbuchstaben stand etwas darauf geschrieben.
Laster zog sich wieder hinter
seinen Schreibtisch zurück und las die Zeilen, während er immer wieder zu dem
Fremden sah. Anscheinend hatte der Mann nicht vor, Laster zu überfallen, sonst
hätte er nicht gewartet, bis er bemerkt worden war. Trotzdem wollte Laster
nichts riskieren.
‚Ich habe den Flyer gelesen, mit dem Models für ein Fotoshooting gesucht
werden. Auch wenn Sie keinen Namen vermerkt haben, wusste ich sofort, dass er
von Ihnen stammt.‘
Verwirrt suchte Laster den Blick
des Unbekannten. Wodurch er sich wohl verraten hatte?
‚Gern würde ich an dem Projekt mitarbeiten. Mir ist bewusst, was genau
passieren wird. Anonym. Ich stelle keinerlei Ansprüche auf die Bilder, die
entstehen. Allerdings habe ich keinen Partner, mit dem ich daran teilnehmen
kann. Wenn Sie dafür eine Lösung finden, kann ich sofort für Sie vor die Kamera
treten.‘
Was für eine seltsame Bewerbung.
Warum wollte sich der Mann Laster nicht einmal beim Vorgespräch zu erkennen
geben? Misstraute er Laster? Dachte er, man würde ihn bloßstellen?
»Meine Models unterschreiben
Vereinbarungen, mit denen sie mir nicht nur die Erlaubnis für die freie
Verwendung der Bilder geben. Es ist auch eine Verschwiegenheitsvereinbarung
enthalten, die wir beide unterschreiben würden. Sie müssen nicht befürchten,
dass ich Sie verrate.«
Der Mann schwieg, streckte
allerdings die flache Hand aus und deutete mit dem Kopf auf den Block, den
Laster festhielt. War er vielleicht stumm? Laster reichte ihm den Block zurück.
Aus seiner Hosentasche holte der Mann einen Stift, beugte sich über den
Schreibtisch und begann etwas auf den Zettel zu kritzeln.
Das gab Laster die Möglichkeit, den
Mann genauer zu betrachten. Obwohl er nur ein paar Schritte gegangen war,
glaubte Laster am Bewegungsablauf und der Haltung zu erkennen, dass es sich um
einen jungen Mann handelte. Er trug eine dicke Jacke, die nicht viel über
seinen Körperbau verriet. Seine schlanken Beine steckten allerdings in engen
Jeans, was vermuten ließ, dass auch der Rest von ihm gut gebaut war. Weshalb
versteckte er sich hinter einer Maske?
Der Unbekannte schob Laster den
Block wieder zu. Neugierig überflog Laster die Zeilen.
‚Ich unterzeichne diese Vereinbarung, wenn Sie darauf bestehen.
Allerdings mit einem Pseudonym. Die Fotos sind auch nur heute Abend möglich.
Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, werde ich wieder gehen.‘
Die Masche, den Geheimniskrämer zu
spielen, funktionierte verdammt gut. Laster befürchtete nicht länger,
vielleicht einem Kriminellen gegenüberzustehen, der ihn ausrauben wollte. Er
nahm nicht mehr an, dass es sich um einen Scherz handelte, den ihm jemand
spielen wollte. Dennoch wusste er, dass er ein Problem hatte.
»Für heute sind keine Aufnahmen
geplant gewesen. Ich habe niemanden, mit dem Sie Aufnahmen machen können. Um
das zu organisieren, ist es heute zu spät.«
Sein Gegenüber zuckte mit den
Schultern. Dann veränderte sich der Ausdruck in den braunen Augen. Mit dem Kinn
deutete der Mann auf Laster.
Erst verstand er nicht. Doch als
ihm klar wurde, dass er als Partner für diese Fotos gedacht war, schüttelte er
den Kopf. »Das geht nicht. Ich bin der Fotograf, der dieses Projekt umsetzen
will. Ich kann nicht selbst vor die Kamera.«
Der andere schrieb etwas auf den
Block. ‚Machen Sie die Aufnahmen live,
während Ihre Models miteinander schlafen?‘
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