Samstag, 20. März 2021

[Autoreninterview] Jeannette Oertel

 Autoreninterview

Jeannette Oertel


Natürlich möchte ich als erstes wissen, mit wem meine Leser und ich es zu tun haben. Könntest du dich in eigenen Worten kurz vorstellen?
Ich wurde in der DDR geboren, und wegen der Mauer um meine Heimat bin ich schon früh im Geist durch die ganze Welt gereist. Meine Phantasie verwandelte die graue Industriestadt, in der ich aufgewachsen bin, in Schillerndes, in Geheimnisvolles. In Berlin, wohin ich mit meinen Eltern später zog, fand ich davon endlich einiges in der Realität. Etwas in mir blieb zuversichtlich: Eines Tages entdecke ich die Welt. Und weil es so viel aufzuholen gab, gingen nach der Wende meine ersten großen Reisen nach Neuseeland und Island. Dort erlebte ich dann fast alle Naturschönheiten zum ersten Mal auf einen Streich: Gletscher. Fjorde. Kochende Erde. Regenwälder. Und in Island: Trolle. Elfen. Ich war so hingerissen, dass ich auswandern wollte. Ich wollte die ganze Welt auf einmal, doch das war der Welt zu schnell, lach.
Die meiste Zeit habe ich in Berlin gelebt und geliebt, aber auch in London, Brüssel und München. Meine Wahlheimat inzwischen ist am Bodensee.
Bevor ich die Idee hatte, zu schreiben, habe ich gesungen – erst Pop in einer Band und dann klassisch, und habe mich schließlich für einen Beruf mit Fremdsprachen entschlossen. Beruflich und persönlich habe ich eine rasante Achterbahnfahrt hinter mir. Mit Sehnsüchten, Abgründen und geheimen Winkeln in Menschenseelen konfrontiert, wurde Schreiben für mich dabei zum Lebenselixier.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich fing als Teenager an, mich in die Herzen der mir kostbarsten Menschen zu schreiben. Ich war schüchtern. Schreibend dagegen bahnte sich mein Mut an. Und immer wieder ermunterten mich diese Menschen: „Schreib, Jeannette! Schreib mal ein Buch!“
Schreibend habe ich mir ein zweites Leben erschaffen. Eine Bühne für meine Phantasie, für alles, was aus mir ins Licht wollte. Es hat meinen inneren Vorhang ganz weit aufgezogen. Am liebsten schreibe ich über Leidenschaften, die gefährlich werden, über Sehnsüchte wie Fieberträume.
Welche Bücher sind bis jetzt von Dir erschienen? Könntest du sie uns in max. 5 Sätzen beschreiben?
„Der wunde Himmel“ ist mein Debütroman.
Die Sekretärin des Botschafters von E. verfällt einem Diplomaten, mitten in Berlin. Er wird ihr Verhängnis und ihre große Liebe. Doch mysteriöse Verfolger tauchen auf und immer Bedrohlicheres. Und immer auswegloser holt ihre Vergangenheit sie ein, bis sie nur noch eine einzige, gefährliche Wahl hat.
Überall im Buchhandel und bei Amazon:
Ab wann gibt es kein Stop mehr, egal, was geschieht? Wo verliert eine Frau sich in ihrer Leidenschaft, wenn sie keine Grenzen mehr kennt?
Und nebenher schreibe ich immer wieder Kurzgeschichten für Anthologien meines Verlages Konkursbuchverlag Claudia Gehrke.
Arbeitest du gerade an einem neuen Werk?
Die menschenleeren Orte im Lockdown. Mehr Polizei als Fußgänger? Dazu die Sonne, voller Kraft, und ich friere. Die ungeheuerliche Stille über all dem. Wenn Menschen einander entgegenlauen, weichen sie von weitem schon einander aus. Anfangs musste ich dabei immer an den Film „Die Frauen von Stepford“ denken, oder an Science Fiction-Filme, die ich als Kind mit meinem Vater gesehen habe. Ich war sicher, dass dieses Gefühl, in einer surrealen Welt zu leben, sich legen würde, doch das tat und tut es nicht. Ich liebe Thriller, und auf einmal war ich in meinem eigenen. Mitten in einem Filmtrailer zu meinem nächsten Roman.
Wenn du Freizeit zur Verfügung hast, was machst du am liebsten?
Weite Reisen. Meine besonders tiefe Leidenschaft aber ist, immer mehr Kenntnisse in der Tiefenpsychologie zu erwerben, rund um die ich mir ein Coaching Business aufbauen will. Meine Welt ist aber auch die der Theater. Ich liebe das experimentelle Theater, das Kerzen anzündet, statt grellem Deckenlicht, und ungewöhnliche Dinge transparent macht.
Hast du auch Lieblingsbücher und einen Lieblingsautoren, mit denen du gerne einmal die eine oder andere Lesestunde verbringst?
Steinunn Sigurdardottir und Paul Auster zählen zu meinen Lieblingsschriftstellern. Die beiden hätte ich auch gern als Freunde. Tiefe und Nacht würde ich mit ihnen leben. Es wären Freunde, mit denen ich ausnahmsweise gerne auch mal schweigen würde. Schweigen, um wahrzunehmen, was zwischen Worten und Taten geschieht.
Kannst du uns deinen Schreib- und Arbeitsplatz beschreiben oder zeigen, wo du am liebsten schreibst und deine Ideen verwirklichst?
Dort, wo Orchideen blühen, Rosen. In meiner Wahlheimat am Bodensee, und dort am liebsten am Schweizer Ufer. Oder auf einem Schiff, unter verzückten Touristen, mir vorstellend, dass es keinen Alltag gibt, nur Inspiration aus Wachträumen.
Am liebsten schreibe ich in fahrenden Zügen. Ankommend in einer mir noch fremden Welt. In einem mir noch unbekannten Land. Oder in einem Land oder einer Stadt, in das oder die ich immer wieder zurückkehren muss, weil mein Herz sonst müde wird.
Wie können wir uns einen ganz normalen Tag bei dir vorstellen?
Ein endloses Aufwachen mit viel Kaffee und Schokolade, während ich die besondere Vormittagsfrische für Marketing und meine Coaching-Ausbildung nutze. Um danach mir Frisches zu kochen und mich sodann in die Welt meiner neuen Romanfiguren zu schleichen und aufzuspüren, wonach ihnen ist. Zu allen Abenteuern bereit und bis in die Nächte.
Was ist dein Lieblingsgenre beim Lesen, welches beim Schreiben?
Ich lese am liebsten das, was ich selbst schreibe, und am allerliebsten auch in dieser Genre-Mischung: Liebe. Thriller. Dystopie. Krimi. Drama.
Hast du ein Lieblingszitat, nach welchem du in deinem Leben handelst? Und hast du ein Zitat aus einem deiner Bücher, welches deine Arbeit am besten beschreibt?
„Bleib dran an dem, was du willst. Gib alles. Und lass es los. Dann kommt es zu dir.“
Und aus meinem Roman „Der wunde Himmel“: „Worte würden nie reichen für uns. Ich wollte sein Zustand sein. Seine Sehnsucht.“
Hast du ein Lieblingsland und warum?
Portugal! Vor allem liebe ich Lissabon. Die unfassbar hohe Energiefrequenz dort macht so viel mehr möglich. Und das Licht – das für mich kraftvollste, beharrlichste, hellste.
Bist du ein kritikfähiger Mensch oder wie gehst du mit Kritik im Allgemeinen um?
Kritik liegt mir am Herzen. Ich will als Autorin ja wachsen. Und doch lese ich jede einzelne Kritik mit wackeligen Knien. Gleichzeitig brenne ich danach, zu erfahren, womit ich möglichst viele Leserinnen und Leser mitreißen und tief berühren darf, noch mehr und mehr und mehr.
Warum hast du dich entschieden zu einem Verlag zu gehen und nicht Selfpublisher zu werden?
Ganz ehrlich: Ein uralter Glaubenssatz: „Niemals Eigenverlag, sonst wirst du von keinem Verlag mehr ernst genommen!“ So hatte ich es vermittelt bekommen. Inzwischen bin ich mir da aber gar nicht mehr so sicher. Tolle Werke von wunderbaren Selfpublisherinnen sind via Social Media dermaßen präsent und beliebt. Mittlerweile schließe ich Self-Publishment für künftige Bücher von mir – zwischen Verlagsveröffentlichungen – nicht mehr aus.
Gibt es etwas, was du meinen Lesern noch mit auf den Weg geben möchtest?
Meinen bisherigen Lesern sage ich ein Riesendanke. Ihr macht mein Buchbaby und mich sehr glücklich. Danke auch für jede neue Freundschaft, die dabei entstanden ist, und weiter entsteht. Das sind gigantische Geschenke in meinem Leben.

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