Sonntag, 28. Februar 2021

[Schnipseltime] Kängurublues: Dr. Jo Carter - Ärztin im Outback von Emma Sommerfeld

 


Textschnipsel „Kängurublues“ (Hinweis: Buch enthält Sonnenuntergänge und lustige australische Tiere, Liebe und ein Happy-End. Aber auch Depressionen und Ängste)

 

Ja. John war tot. Einen Moment lang war sie wieder da, die alles umfassende Leere. Das schwarze Loch schien einen Sog auszuüben. Sie musste sich anstrengen, um sich dagegenzustemmen. Aber sie war ja nicht allein.

Tanz mit mir, Jo. Jetzt.

Ich weiß nicht …

Hör auf die Musik. Das hilft gegen alle Sorgen. Weißt du doch.

Ja, weil ich mich auf nichts als die Bewegungen konzentriere. Das ist nur Ablenkung.

Nein. Es werden auch Dopamin und Serotonin freigesetzt. Tanzen ist gut gegen Depressionen.

Ich habe keine Depression. Ich bin in Trauer. Das ist nicht dasselbe. Du solltest das von allen am besten wissen.

Die andere Stimme schwieg, und Jo fühlte einen Stich. Die letzte Bemerkung war nicht fair gewesen. Aber der Song …

Sie schloss die Augen, hörte auf die Musik, fühlte, wie der klare Rhythmus etwas in ihrem Körper anstieß. Dieser Song gab ihr das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben. Johns Beinahe-Sprechgesang begann den Raum zu füllen, und sie spürte die Vibration unter ihren Fußsohlen. Langsam fiel sie in die Bewegung, wiegte sich im Takt, hin und her, hin und her. Verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und wieder zurück.

Ja, ich habe noch etwas unter Kontrolle. Ich habe meinen Körper unter Kontrolle und meine Bewegungen.

Und nicht nur das. Wusstest du, dass Tanzen die Funktion der neuronalen Synapsen verbessert?

Ich mach das, weil ich mich entspannen will.

Das sollst du ja auch. Aber ich dachte, es interessiert dich, dass dadurch der Hippocampus nicht so schnell an Masse verliert und somit Gehirn und auch das Zentralnervensystem angeregt werden. Mit anderen Worten – du alterst langsamer!

Vielen Dank auch!

Sie lachte laut auf und drehte sich um die eigene Achse. Jetzt war auch der Rest Anspannung von ihr abgefallen, und sie ließ sich ganz auf die Musik ein. Sie stellte den Ton noch lauter, hob die Arme über den Kopf, und als der nächste Song begann, ließ sie Joan Jetts harte Gitarrenklänge durch ihren Körper fließen und schwamm auf der Woge des durchdringenden Beats in eine Welt, in der es nichts gab als Töne und einen Körper, der ihnen folgte.

Bei vollem Bewusstsein berauscht.

(Ende des Textschnipsels)

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