Dienstag, 17. Dezember 2024

[Schnipseltime] Remoire - Echos der Vergessenen von Lumen Milites

 

In ihrem Traum rannte Seraphine und wirbelte Aschewolken auf. Alles um sie herum war verbrannt und es stank nach Tod. Irgendjemand verfolgte sie? Was es auch war, es trieb Seraphine immer weiter in die unendliche Dunkelheit der Wüste vor sich hinein. Die Erde bebte und sie verspürte furchtbare Angst.
»Lauf, Seraphine, lauf!« Eine wohlbekannte Stimme erklang in ihrem Ohr. Vor ihr tauchte eine Gestalt auf. Ein kleines Mädchen, mit langen schneeweißen Locken, das ein altmodisches bodenlanges Gewand trug und ihr den Rücken zukehrte. Seraphine hatte sie noch nie zuvor gesehen, doch wusste sie ganz genau, wer dieses Kind war und spürte Erleichterung.

»Seray!«, rief sie völlig außer Atem. Die Kleidung des Mädchens war grau von der vielen Asche und auch ihr weißes Haar war von Schmutz und blutverkrusteten roten Strähnen durchzogen. Auf ihrem Kopf thronte ein halb verwelkter Kranz aus blauen Blumen. Seraphine lief bei dem verstörenden Anblick ein Schauer über den Rücken.
Die Kleine sprach, ohne sich umzudrehen. »Du kannst mich sehen? Unsere Verbindung wird stärker.«
Erneut bebte die Erde und der Boden bröckelte. Feine Risse zogen sich wie Narben unter ihren Füßen entlang und bestärkten in Seraphine den Drang zu fliehen. Die Angst umklammerte eisern ihr Herz.

»Wir haben keine Zeit! Siehst du denn nicht was geschieht? Unsere Welt stirbt!«
Das weißhaarige Mädchen seufzte resigniert. »Das ist nur ein Albtraum Seraphine, aber ja, ich spüre es auch. Es ist genauso wie damals. Aber es ist nicht das Ende, das dich in solche Panik versetzt, sondern der drohende Verrat. Je stärker deine Verbindung zu mir und den anderen Seelen des Paktes wird, desto mehr spürst du auch ihre Absichten.« Die Risse wurden größer und Seraphine widerstand dem Drang Seray einfach bei der Hand zu packen und mitzuziehen. Panik drohte sie zu überwältigen und wurde nur von diesem unglaublichen Verlangen fortzulaufen überschattet. Doch sie durfte nicht gehen, nicht, ehe sie endlich die Wahrheit über Seray und den Pakt erfahren hatte. Ohne jede Vernunft schrie sie gegen das bedrohliche Dröhnen an, das aus der Erde ertönte. »Bitte, sag mir, was damals geschehen ist, und sei es nur, damit ich denselben Fehler nicht wiederhole!«
Serays Worte waren so deutlich zu hören, als würde sie ihr direkt ins Ohr flüstern. »Du bist noch nicht bereit für die Wahrheit. Deswegen musst du jetzt fliehen. Laufen, immer weiter laufen, wie es dir dein Instinkt befiehlt. Hoffentlich wirst du irgendwann lernen, hinter die Schatten zu sehen.«
Der Boden tat sich auf. Der komplette Landstrich fiel in sich zusammen und zog eine Kluft zwischen sie und Seray. Seraphine wollte hinüberspringen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht länger. Hilflos musste sie mitansehen, wie die Erde sie Stück für Stück voneinander trennte. Seraphine warf Seray einen entsetzten Blick zu, aber das Mädchen stand immer noch da wie angewurzelt, den Rücken ihr zugewandt, furchtlos im Angesicht der Zerstörung. »Du bist einem Verräter in die Falle getappt. Demselben Verräter, der auch mein Ende besiegelte. Du musst das Dorf verlassen, solange du kannst.«
Seraphine wollte schreien, aber ihre Stimme versagte.
»Er ist kein schlechter Mann und will nur seinen Bruder beschützen, genau wie vor tausend Jahren. Oh wie sehr weinte er damals um uns, als er erkannte, was er angerichtet hatte. Er schwor, es wieder gut zu machen und die Schuld zu begleichen. Er will ihn um jeden Preis retten, doch er kann nicht mehr länger warten.«
Der Traum begann ihr zu entgleiten. Seraphine spürte, wie die Realität nach ihr griff. Sie lockte mit der Versuchung der Angst zu entrinnen. »Damals war er ein Kind des Mondes, doch heute ist er der Sohn eines ähnlich mächtigen Wesens. Seine Augen sind so blau wie ein wolkenloser Himmel. Seraphine! Flieh! Flieh aus dem Dorf! Es ist noch zu früh für ein Wiedersehen.«


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