Freitag, 23. Juli 2021

[Buchvorstellung einmal anders] Tote Tanten plaudern nicht von Vera Nentwich

  


Buchvorstellung einmal anders


Heute ist ein komischer Tag 😊 Ich warte seit einer Ewigkeit auf die Autorin Vera Nentwich, aber sie kommt nicht. Ich setze mich in dem Park auf eine Bank und sehe einen Kindle dort liegen. Da ich von Natur aus, ein neugieriger Mensch bin, nehme ich ihn zu Hand.

Ich drehe den Kindle hin und her und öffne schließlich das darauf enthaltene Buch. Es ist genau das um das es heute gehen soll. „Tote Tanten plaudern nicht“ von Vera Nentwich. Ich beginne ein wenig darin zu schmökern. Nach einigen Minuten höre ich ein feines Stimmchen: »Hast du denn überhaupt keine Fragen? Sie wird nicht kommen. Interview einfach mich, deshalb bin ich ja da!«

Ich lache laut auf, denn ich liebe es mit Büchern zu reden und wer weiß neben der Autorin am meisten über das Buch? Vermutlich das Buch selbst. Also, dann lege ich mal los. 😊

Hallo, danke, dass du heute Zeit gefunden hast, um mit mir zu reden.
Immer gerne. Dann komme ich wenigstens auch mal zu Wort. Bei Vera habe ich sonst keine Chance. Sie redet unaufhörlich.
Kannst du dich meinen Lesern vorstellen? Vielleicht in eigenen Worten, da die Leser den Klappentext auf der Verkaufsplattform lesen können?
Ich, das Jüngste aus einer Reihe mit insgesamt sechs Geschwistern, die alle aus dem Leben und von den Abenteuern von Sabine Hagen, genannt Biene, erzählen. Die ehemalige Steuerfachangestellte aus Grefrath am Niederrhein ist in mehrere Mordfälle hineingeschlittert und hat letztlich mit ihrem betuchten Geschäftspartner Jago Diaz-Fernandez eine Detektei aufgebaut. Die läuft nun nach anfänglichen Schwierigkeiten recht gut. Das bringt neue Herausforderungen für Biene mit sich. Auch ihre Beziehung mit dem Polizisten Jochen steht mal wieder auf dem Prüfstand, denn sie hat das Gefühl, dass er sie belügt. Dann geschieht wieder ein Mord in Grefrath und ein besorgtes Elternpaar kommt in die Detektei, weil sie ihre Tochter vermissen. Biene muss mehr denn je ihr Privatleben sortieren und gleich mehreren Fällen auf den Grund gehen.
Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich den bisher komplexesten Fall für Biene Hagen repräsentiere.
In deinem Inneren spielt sich ja so einiges ab, die in dir enthaltenen Charaktere erleben so einiges. Da du ja auch viel mit der Autorin zusammenarbeiten musst, kannst du uns vielleicht beantworten, ob es ihr leichter fällt sie durch einfache, schöne oder schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu führen?
Da sprichst du etwas an, was Vera und mich im letzten Jahr sehr beschäftigt hat. Ich glaube, für viele Menschen war dieses Pandemiejahr ein großer Einschnitt. Auch wenn Vera das große Glück hatte, dass die Existenz nicht grundsätzlich gefährdet war, so musste sie doch abrupt viele Dinge einstellen, in die sie ihr Herzblut gelegt hatte. Lange Zeit wollte sie nichts mehr von mir wissen und sich zurückgezogen. Manchmal wollte sie gar nicht mehr weitermachen, mich einfach löschen und vergessen. Die Arbeit am wöchentlichen Podcast „Die Zwei von der Talkstelle“ mit Tamara Leonhard hat sie immer wieder motiviert und so hat sie sich irgendwann ein Herz genommen, und weiter an mir gearbeitet. Zum Schluss hatte ich das Gefühl, dass Sie wieder ihre alte Freude am Schreiben und den Geschichten um Biene Hagen erlangt hat.
Hast du eine Lieblingsstelle, die du uns gerne vorstellen würdest?
Ganz ehrlich, ich liebe den Showdown, aber den darf ich hier nicht zeigen. Ich will den Menschen ja nicht den Spaß verderben. Aber es gibt eine witzige Szene, die ich teilen kann. Darf ich vorstellen: Gustav Schönnekes
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„Hallo“, höre ich eine männliche Stimme hinter mir. Ich drehe mich erschrocken um und starre auf das Ende eines Gehstocks. „Sie sind doch diese Detektivin, oder?“ Der Gehstock tippt mich an den Arm und sinkt dann zu Boden. Am anderen Ende befindet sich ein alter Mann, der mich mürrisch anstarrt. „Sind Sie doch, oder?“
„Äh, ja, ich bin Detektivin.“
Der Mann macht einen wackeligen Schritt auf mich zu. Er wirkt insgesamt so, als ob er jeden Moment in sich zusammenfallen könnte. Seine Statur ist stark gebeugt, und man hat das Gefühl, würde er sich nicht auf seinen Stock abstützen können, würde er einfach in der Mitte durchbrechen. Sein Gesicht ist extrem faltig und etwas greisenhaft. Die fast schon moderne Brille, die sich magisch an seiner Nase festzuklammern scheint, passt überhaupt nicht dazu. „Prima, dann müssen Sie was tun.“
„Was soll ich tun, Herr …?“
„Schönnekes. Gustav Schönnekes.“ Er saugt tief Luft ein, als ob ihm die Nennung seines Namens alle seine Kraft geraubt hätte. „Sie müssen die Misttöle finden, die immer vor meinem Haus auf den Gehweg kackt.“ Er wedelt zur Unterstreichung der Wichtigkeit seines Anliegens mit seinem Gehstock vor meinem Gesicht herum.
„Äh, wie stellen Sie sich das denn vor? Da ist doch eher das Ordnungsamt zuständig.“
„Da bin ich schon gewesen. Die können nichts tun. Sie müssen das machen.“
„Und was soll ich genau machen?“
„Observieren. Das tun Detektive doch, oder etwa nicht?“
„Doch schon, aber …“
„Die Leute erzählen, dass Sie jeden Pfennig gebrauchen können. Ist Ihnen mein Geld nicht gut genug?“
„Doch, äh, ja. Also, was die Leute sagen, ist …“
„Kein Wunder, dass Sie pleite sind, wenn Sie jedes Mal so ein Theater machen.“
„Wir sind nicht …“
„Ich bezahle gutes Geld. Basta.“
„Okay“, gebe ich mich geschlagen. „Sie kennen unseren Stundensatz?“
„Nein, aber das ist egal. Finden Sie diese Töle und stellen Sie das Gekacke ab.“ Sagt es, winkt einmal mit seinem Stock, dreht sich und geht. Na gut, er schleicht eher. „Wo wohnen Sie denn?“, frage ich in seinen Rücken, aber er hört mich nicht mehr. Ich widerstehe dem Impuls, zu ihm zu gehen, und ihm die Frage ins Gesicht zu rufen. Vielleicht ist er ja schwerhörig. Aber womöglich zieht er mir dann gleich mit seinen Stock eins drüber.
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Weißt du wie viel Vera tatsächlich in dir oder auch in dem ein oder anderen Charakter steckt?
Ich weiß nicht, ob ich dir sagen kann, was ich so denke. Ich möchte schließlich keinen Ärger mit Vera. Aber so unter uns, ich glaube schon, dass Biene und Vera sich irgendwie immer ähnlicher werden. Ich kann gar nicht genau sagen, ob sich nun Biene Vera annähert oder umgekehrt. Definitiv sagen kann ich aber, dass diese Leidenschaft für Latte macchiato bei beiden stark ausgeprägt ist.
Wie würdest du oder ihre Charaktere / Protagonisten / Antagonisten / Nebendarsteller die Autorin beschreiben?
Oma würde sagen: „Lott dat Kengk. Dat mäd dat schon.“
Jago wäre wahrscheinlich von ihr eingeschüchtert und würde in ihrer Gegenwart kein Wort sagen.
Jochen und Vera würden ständig Streitgespräche führen.
In der Mädelsrunde bei Brigitte und Altbier würde es mit Vera bestimmt sehr lustig werden.
Wie seid ihr eigentlich zum Titel gekommen? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du viel Mitspracherecht?
Während des Schreibprozesses hieß ich immer „Tanten tötet man nicht“. Aber unter uns, das gefiel nie wirklich. Vera tut sich aber total schwer damit, ihrem Baby einen Namen zu geben. Also hat sie rumgefragt und um Ideen gebeten. Über die besten Vorschläge haben dann die Leserinnen und Leser abgestimmt. „Tote Tanten plaudern nicht“ war der absolute Favorit und gefällt mir auch richtig gut. Ich habe schon viele Komplimente bekommen, dass ich einen schönen Titel habe.
Bist du zu 100% zufrieden mit deinem Cover / Outfit oder würdest du nachträglich gerne etwas ändern wollen?
Mir hat´s gleich gefallen, aber ich weiß, dass Vera die Farbe orange eigentlich gar nicht mag. Aber in der Gesamtheit hat es sie dann doch überzeugt und mittlerweile, denke ich, gefällt es ihr sehr.
Kannst du uns vielleicht auch schon verraten, ob die Autorin viele echte Plätze eingebaut hat oder ob die Orte im Buch der Fantasie entspringen?
Darauf bin ich besonders stolz. Alle Orte, die in mir vorkommen, sind real. Das Gebäude, in dem die Detektei ist, gibt es wirklich. Der Deversdonk, der Platz in Grefrath, existiert genauso, wie er im Buch beschrieben wird. Auch die anderen Orte sind alle wirklich so, wie sie geschildert werden. Lediglich die Nutzung ist gelegentlich anders. So ist in der realen Detektei ein Versicherungsbüro und in dem Haus der Tante in der Neustraße wohnt jemand völlig anderes, der uns hoffentlich nicht böse ist.
Zum Abschluss würde mich noch dein Lieblingszitat aus dem Buch interessieren. 
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Wenn sie sich erhebt, schwingen ihre brünetten, langen Haare hin und her, und man sehnt die Zeitlupe herbei, um diese Bewegung zu unterstreichen. Ich hasse sie.
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Die Leute, die an mir vorbeigehen, sehen mich schon komisch an, deshalb höre ich auf zu reden und lächle den Personen einfach zu. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, noch einmal kurz zum Buch »Danke, für deine Geduld und Antworten« zuzuflüstern.
Dann vertiefe ich mich wieder in das Buch.

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