Mittwoch, 7. April 2021

[Schnipseltime] Das schwarze Amain: Die Abenteuer der Gauklerin von Maria Linwood

 



Mecanaé. Zu einer Zeit, als Magie noch die Welt durchströmte …
Stjerna ging beschwingt durch den dunkler werdenden Wald. Ihr gefielen diese Momente, die sie für sich allein hatte, weit ab von den anderen Gauklern. Die sinkende Sonne malte goldene Flecken in den dunkelgrünen Forst und würziger Duft hing in der Luft. Stjerna streckte die feingliedrigen Finger nach einem Haselstrauch aus. Eigentlich sollte sie Bärlauch für die Suppe sammeln, aber Hasel half bei allerlei Verletzungen und davon würde es auf den Jahrmärkten einige geben – Schnitte, verbrannte Finger, Kratzer und Spuren von Auseinandersetzungen … Den Vorrat etwas aufzustocken, konnte nicht schaden. Sie schloss behutsam den Griff um die zarten, leicht samtigen Blätter und zupfte sie von den dünnen Ästen. Als sie genügend in ihrer Tasche verstaut hatte, pustete sie sich beiläufig eine ihrer langen Strähnen aus der Stirn. Sollte sie tiefer in den Wald gehen? Sicher verbargen sich noch mehr Heilpflanzen zwischen Sträuchern, Farnen und Bäumen, deren Umrisse sich in der Abenddämmerung langsam verwischten. Außerdem war es bald Zeit für das Abendessen und sie stand noch immer ohne Bärlauch da. Verborgen im Blätterdach zwitscherte ein Vogel. Stjerna lächelte. Sie fühlte sich frei. Entschlossen setzte sie ihren Weg fort. Ihre Schritte verursachten ein leises Rascheln. Das Zirpen von Grillen und Quaken von Fröschen erfüllte den Klang der Umgebung. Stjerna zog ihren Umhang enger um die Schultern, als die abendliche Kälte sie zu umhüllen begann. Ein schmaler Stein, von Efeu umrankt und hinter Bäumen teils verborgen, zog durch seine bizarre Form ihren Blick auf sich.

Stjerna beschleunigte ihre Schritte, am glatten Stamm einer Buche stützte sie sich ab und kletterte behände über eine umgestürzte Birke. Vorsichtig schob sie das grün-braune Gewirr an Ästen aus dem Weg und kletterte durch die Öffnung auf eine kleine Lichtung. Säuselnd schlossen sich die Zweige hinter ihr. Es war kein außergewöhnlich geformter Stein, dem sie sich näherte, sondern eine gehörnte Figur. Moos und Efeu bedeckten die Oberfläche an manchen Stellen, dennoch war die Gestalt deutlich zu erkennen – ein Niscahl-Dämon! Stjerna erschauerte. Sie wusste, sie sollte es nicht, dennoch trat sie näher. Vorsichtig. Wer mochte die Figur eines solchen Dämons geschaffen haben? Einer unheilverheißenden Kreatur der Dunkelheit? Das Übernatürliche bevölkerte ihre Welt, doch als Mensch kam sie selten in Kontakt damit. Sie hatte Zeichnungen jener Wesen gesehen, Beschreibungen und Geschichten gehört, aber ein solches Abbild? Noch dazu von einem Niscahl? Faune, Waldgeister, Zentauren, diese Geschöpfe wurden gern dargestellt, doch Dämonen?

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