
Ich liege
hier in meinem Bett in der forensischen Psychiatrie, im Trakt für geistig
abnorme Rechtsbrecher und fixiere einen Punkt an der weißen Decke, während
ich auf meine Sitzung mit der freundlichen, nicht mehr ganz jungen, aber
durchaus attraktiven Psychiaterin warte. Wie immer werde ich keinen Ton sagen.
Vielleicht gibt sie es irgendwann auf. Hoffentlich!
Reglos, als würde ich schlafen,
starre ich vor mich hin und versinke in meinen Gedanken. Ich frage mich, wie so
oft: Was bin ich wirklich? Bin ich ein Monster, bin ich
geisteskrank? Vermutlich. Ich weiß es selbst nicht. Aber eines weiß ich mit
Sicherheit: Ich bin kein braver Junge!
„Braver Junge, Prachtbursche,
höflicher Bub“, so wurde ich einst genannt. So oft habe ich es gehört, dass ich
es lange Zeit selbst glaubte. Vor etwa einem Jahr änderte sich dies
schlagartig. Jetzt tituliert man mich als „Monster und geisteskranke Bestie“.
Seither ist das mein neues
Zuhause und ich werde diese Mauern nie wieder verlassen. Lebenslange
Haft mit Sicherheitsverwahrung, Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie
und keine Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung. Maßnahmenvollzug ist die
korrekte Bezeichnung. So lautete mein rechtskräftiges Urteil. Ob ich das für
gerecht empfinde? Wen interessiert‘s?
Es gab keine Zweifel. Die
Geschworenen kamen zu dem einstimmigen Urteil, dass ich in allen Punkten der
Anklage schuldig war. Meiner Anwältin kann ich keine
Vorwürfe machen. Es gab nichts, was die Pflichtverteidigerin für mich tun
konnte, zu erdrückend waren die Beweise. Was sollte sie auch Entlastendes
vorbringen, wenn ihr Mandant mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck im Blut der
eigenen Eltern sitzend aufgefunden wird?
Ich erinnere mich an den Tag
meiner Verhaftung, als wäre es gestern gewesen. Es war der Tag, an dem meine
Eltern starben. Des Öfteren frage ich mich, ob ich irgendwas bereue. Immer
wieder die gleiche Frage. Dieselbe, die mir auch der Richter stellte. Und ja,
ich bereue es. Ich bereue, dass ich nicht versucht habe zu fliehen. Ich hätte
weglaufen können oder sogar müssen. Aber nein, ich blieb einfach sitzen und
wartete, bis sie mich holten. Sicher hätten sie mich letztendlich trotzdem
gekriegt. Irgendwann, aber vielleicht wäre es ein richtiges Abenteuer geworden.
Nur leider tat ich nichts dergleichen, denn ich bin ein Feigling. Ich war schon
immer ein Feigling. Ich habe es nicht einmal versucht.
Aber wer weiß, vielleicht ist es
auch besser so. Alles im Leben kommt, wie es kommen muss. Das haben meine
Eltern letztendlich auch begriffen. Zu spät? Definitiv!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit dem Abschicken des Kommentars bin ich mit den Datenschutzrichtlinien des Blogs einverstanden.