

Schnipsel 1 (Band 1)
Die
Halle der Offenbarungen war in Wirklichkeit eine geräumige Höhle von
regelmäßiger, ovaler Form. Von der hohen Decke tropfte ständig Wasser herab,
welches sich in der Raummitte zu einem kleinen See sammelte.
(…)
Sie
entkleidete sich und tauchte langsam bis zur Hüfte in den kleinen See ein. Mit
wachsender Aufregung verteilte sie die farbigen Kugeln um sich herum und
schloss die Augen. Gemäß dem Ritual der Initiation sollte das Wasser seine
Farbe ändern, je nachdem, welche magische Essenz in den Kugeln am ehesten der
Natur und dem Schicksal des Schamanen entsprach. Danach brachte jeder Kandidat
dem Ältesten eine symbolische Karaffe mit dem gefärbten Wasser, um seine
zukünftige Disziplin zu deklarieren, in welcher er sich weiterentwickeln und
dem Volk dienen wollte.
(…)
»Wovor
habe ich eigentlich Angst? Ich weiß doch, dass ich jede Art von Magie
akzeptieren werde.« Sie versuchte, die Sache rational zu betrachten, doch ihre
Augen blieben geschlossen. »Im schlimmsten Fall droht mir Kampfmagie, aber das
ist ja keine Tragödie.«
Schließlich
ließ sie den einen Gedanken zu, der die Quelle ihrer Unruhe sein könnte. »Es
gibt noch eine weitere Möglichkeit. Die schwarze Farbe würde für mich
bedeuten... nun, was würde sie bedeuten?« Sie erinnerte sich an alles, was sie
von ihren Mentoren gehört hatte. Dunkle Magie wählte die Darzaner äußerst
selten, aber wenn es geschah, lehnte das Volk auch diese Gabe nicht ab.
(…)
Als
sie ihre Hand auf die Tür den Räumen des Ältesten legte, bemerkte sie, dass
ihre Wangen von Tränen benetzt waren. Und sie hatte gehofft, sich vor sieben
Jahren für immer von ihnen verabschiedet zu haben...
Schnipsel 2: (Band 1)
Ein weiblicher Schmerzensschrei riss Noran aus seinen
Gedanken. Seine fein justierten Sinne nahmen die Geräusche eines Kampfes wahr
und den Hauch eines ihm bekannten Parfüms. Diesen Duft kannte er von seinen
Besuchen in der Enklave der Weißen Schwestern – dem bestgeschützten Viertel der
ganzen Stadt, das vermutlich auf dem gesamten Kontinent bekannt war.
Die Schwestern, wie man die solidarische Gemeinschaft von
Frauen leichter Sitten scherzhaft nannte, standen unter der Führung der Weißen
Rose und konnten auf ihrem Gebiet auf eine Art Immunität in beinah allen
sozialen Kreisen zählen. In der Luft witterte Noran zudem eine Gefahr, die ihn
unmittelbar betraf – den zarten Geruch von menschlichem Blut.
Mit schnellen Schritten durchquerte er eine momentan
verlassene Gasse, um zur nächsten Pforte zu gelangen. Dort positionierte er
sich so, dass er ungehindert in die Tiefe einer Sackgasse auf der
gegenüberliegenden Straßenseite blicken konnte. Drei Männer zeigten deutliche
Anzeichen von Feindseligkeit gegenüber einer schlanken, jungen Frau. In ihrem
dichten, dunkelbraunen Haar steckte eine weiße Rose.
»Sie konnte kein größeres Pech
haben«, dachte er.
Schnipsel 3 (Band 1):
»Also du weißt, wie diese Rune aussieht?«
»Warum möchtest du mir beim Zaubern zuschauen?« Der Druide
wich mit einer Gegenfrage aus. Er wusste, um welche Rune es dem jungen Mann
ging, zog es jedoch vor, solche Themen zu meiden.
Die goldenen Augen im nächtlichen Dämmerlicht schienen
genauso dunkel wie alles andere.
»Ich kann dir darauf nicht
eindeutig antworten. Vielleicht ist es nur Neugier und der Wunsch zu lernen,
oder vielleicht eine unerklärliche Anziehung zur Magie.«
Schnipsel 4 (Band 1):
Elias sagte oft, dass die Bodenlose Tiefe von uralter
Magie durchdrungen sei, die von der Natur Orins selbst geboren wurde. Über
diese Art von Magie wusste Funke sehr wenig. Selbst der Älteste wurde seltsam
schweigsam, wenn dieses Thema angesprochen wurde, und wies den Gesprächspartner
meist mit allgemeinen Aussagen oder sogar mit Schweigen ab. Und doch hatte er
persönlich diese Art von Prüfung für sie ausgewählt. Instinktiv verschob sie
das Fläschchen mit der frisch zubereiteten Mixtur des Katzengeschicks, das ihr
in die Rippen drückte.
(...)
Das Mädchen brauchte eine Weile, um sich so weit zu
erholen, um die Umgebung wahrnehmen und einschätzen zu können. Tief im Tunnel
bemerkte sie ein leicht schimmerndes, silbriges Licht, ähnlich dem, das
manchmal bei Vollmond an einem wolkenlosen Nachthimmel entsteht.
Sie ging langsam, streichelte mit ihrer Hand die angenehme
Oberfläche der Pflanze, immer mehr von der Glückseligkeit der Stimmung und der
Idylle des Ortes eingenommen. Dann sah sie im Augenwinkel weiter unten an den
Wänden einige bekannt aussehende Formen.
Sie schaute genauer hin und
erkannte, dass es menschliche Skelette waren, die in verschiedenen Positionen
an der pulsierenden silbernen Unterlage hafteten. »Glückspilze!«, dachte sie,
neidisch darauf, dass sie schon so lange diese wunderbare Stelle genießen
durften, während sie gerade erst hier angekommen war.
Schnipsel 5 (Band 2):
»Versteh mich nicht falsch. Ich
bin natürlich dankbar für die Ehre, mit einer so wichtigen Aufgabe betraut zu
werden.« Sie berührte sanft ihr Ke. »Aber ich habe das Gefühl, dass sie mich
völlig überwältigen könnte. Ich verstehe wirklich nicht, warum der Älteste
gerade mich ausgewählt hat, wo es doch so viele talentierte und bewährte
Schamanen gibt.«
Schnipsel 6 (Band 2):
»Ich frage mich, ob dieses Treffen an so einem
schrecklichen Ort anstatt in einer angenehmen Taverne Teil der Taktik ist, von
der du vorhin gesprochen hast«, murmelte Noran, während er seine Kapuze abnahm,
die im schwachen Licht des Nachthimmels überflüssig geworden war.
»Seit wann bist du so auf Licht und Komfort aus?« Silvan,
der ein Stück vorausging, schaute sich zunehmend beunruhigt um.
»Auf Luxus pfeife ich. Aber es gruselt mich bei dem
Gedanken an all die Augen, die uns hier beobachten, und die versteckten
Klingen, die auf uns lauern.«
Wie auf ein geheimes Zeichen hin
traten plötzlich etwa ein Dutzend graue Silhouetten zwischen den Häusern
hervor.
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