Ob er die Schwäche des
Verletzten fühlte oder die Heilung ihn alle Kraft kostete, vermochte Maeron
nicht zu unterscheiden. Seine Muskeln schmerzten, unkontrollierbares Zittern
erfasste ihn, er schwankte.
»Hör auf.« Fionbar legte ihm
die Hand auf den Rücken. »Du hast getan, was möglich war. Er braucht Ruhe und
du gleichfalls.«
Panik griff nach Maeron, er
weigerte sich, den Kontakt zu unterbrechen. Das Wiegenlied hatte sie verbunden.
Anfangs spürte er Furcht und Schmerzen des Kranken genau wie bei einem
Todesschrei. Doch anders als üblich ebbten die Beschwerden ab. Als der Mann in
einen heilsamen Schlaf hinüberglitt, hinterließ er ein unbegreifliches Gefühl
von Verlust.
Maeron atmete tief durch und
betrachtete den Fremden. Warm klang die Verbindung in seinem Innern nach. Nie
hatte er sich derart vollkommen gefühlt. Obwohl sein Puls ruhig unter Maerons
Fingerspitzen schlug, brannte eine Einsamkeit in ihm, die er vorher nicht
kannte. Fröstelnd zog er die Hand zurück und die Schultern zusammen.
Was ging hier vor?
Eiseskälte biss in seine
Eingeweide, er sehnte sich danach, den Mann erneut zu berühren.
Der Zauber hatte etwas
verändert, ein scharfer Schmerz durchzuckte Maeron. Instinktiv fasste er sich
an die Brust, schloss die Augen und lauschte. Vergeblich.
Was hatte er erwartet? Dass
sein Herz zu schlagen anfing wie bei den beiden Sidhe-Kriegern? Er fühlte sich
anders als zuvor, aber nicht menschlicher. Nur furchtbar allein.
Widerstrebend ließ er sich von
Fionbar aus dem Zimmer führen und kämpfte gegen den Sog an, der von dem Kranken
ausging.
Im Flur wartete Samaro. »Die
Jungs sind auf dem Weg her, sie waren schon in Sorge. Sieht so aus, als sei
Sasha ausgerissen.«
Maeron sah zurück und
schauderte. Sasha. Unter all dem Blut und komplett nackt hatte er den
Wandelwolf nicht erkannt. Ausgerechnet Sasha! Der Mann, der so hysterisch auf
die Rabengestalt reagierte.
Im Gegensatz zu ihm zeigte das
Mädchen Enid keinerlei Furcht. Es erinnerte Maeron an seine Heimat, nicht nur,
weil es den gleichen Namen trug wie seine Mutter. Mehr noch bewies es, wie
unterschiedlich ihre Welten waren. Das Kind verwandelte sich in einen Wolf, was
bei ihnen Männern vorbehalten blieb. Scheinbar existierten hier keine
geschlechtsspezifischen Schranken, und vielleicht durften Jungen auch als Raben
fliegen.
Ein paar Tage lang hatte er
den Wolfswelpen beobachtet und sich ihm erst genähert, als Enid allein war. Sie
besaß ein tapferes Herz, ließ Maeron auf ihrem Arm sitzen und streichelte ihn.
Ihr Onkel fürchtete sich trotz seiner Größe. Ein Wolf hatte Angst vor einem
Raben.
»Wenn er ausreißt, sollten sie
ihn besser an die Leine legen«, sagte Maeron und seufzte unterdrückt. Ausgerechnet
Sasha! Laut fügte er hinzu: »Oder ihn in einen Käfig sperren.«
»Sasha ist zum guten Teil
menschlich, nur ist er eben unbändiger als sein Bruder«, erklärte Jasmin. »Ihn
deshalb einsperren?«
»Das meinte Maeron nicht
ernst«, erwiderte Fionbar.
Und ob ich das ernst gemeint
habe. Ein wildes Tier sollte auch so gehalten werden. – Dann wäre ich ihm nie
begegnet.
Besorgt schaute er den
Schlafenden an und sandte ein tonloses Dankgebet an die Morrigan, dass er ihn
erst jetzt erkannt hatte und der Wolf ihn nicht zu wittern vermochte. Der
Anblick der langen Wimpern, die sich scharf gegen die blassen Wangen abzeichneten,
versetzte ihm einen Stich ins Herz. Wie friedlich Sasha dalag.
Bumm! Ein einzelner Pulsschlag erschreckte Maeron, er griff sich an die Brust
und atmete auf.
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