Freitag, 8. Dezember 2023

[Schnipseltime] Toxin-Killer von Emilia Benedict


 

4. Kapitel

Jefferson City, Missouri

Aidan lenkte seinen Mustang auf den Parkplatz vor dem gerichtsmedizinischen Institut und stellte ihn direkt neben den von seinem Partner.

Ethan war wie immer pünktlich und vor ihm da. Beide waren hier miteinander verabredet, um der Obduktion von Brown beizuwohnen. Dieses Szenario würde Aidan ganz sicher wieder den Appetit verderben, und das für den Rest des Tages. Aber es war eine verdammt wichtige Angelegenheit. Er brauchte alles, was er an nützlichen Hinweisen bekommen konnte, und zwar schnell. Er konnte es sich nicht leisten, erst lange auf den Obduktionsbericht zu warten. Damit würde er nur wertvolle Zeit verlieren. Die Chance, den Täter zu erwischen, war größer, solange die Spur noch frisch war.

Aidan stieg aus seinem Wagen und sah auf die Uhr. Er war spät dran. Er wusste, dass es nicht gerade zu seinen Tugenden gehörte, pünktlich zu sein. Im Laufschritt spurtete er die wenigen Meter über den Parkplatz, holte gleichzeitig seine Marke hervor und hielt sie am Eingang kurz dem Pförtner hin. Er eilte weiter ins Kellergeschoss. Dort warf er sich rasch die vorgeschriebene OP-Kleidung über und stürmte in den Obduktionssaal.

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, blendete ihn für einen Augenblick das grelle Deckenlicht. Der Raum war komplett weiß gefliest und erinnerte Aidan jedes Mal aufs Neue an eine Waschküche.

Der Gedanke verflog so schnell, wie er kam, denn der Geruch aus einem Gemisch von Latex, Blut und Gewebe rief ihm in Erinnerung, wo er war. Von dem Gestank wurde ihm sofort flau im Magen, dabei hatte das Schauspiel noch nicht einmal begonnen. Er ging hinüber zu Ethan und stellte sich neben ihn. Unterdessen kramte er hastig ein Taschentuch unter seinem Kittel hervor und hielt es sich vors Gesicht.

O Mann, das war eine wahre Wohltat, aber nur für den Moment. Mit dem Tuch vor dem Gesicht konnte er sehr schlecht Luft holen. Er steckte es wieder weg und nahm ein paar Atemzüge durch den Mund. Das war immerhin noch besser als durch die Nase. Dumm nur, dass er den Geruch binnen Sekunden als Geschmack auf der Zunge hatte. Mein Gott, ist das eklig, dachte er und hoffte inständig, dass der Gestank nicht als Mundgeruch haften bliebe. Zu allem Übel setzte nun auch noch der Würgereiz ein.

Er musste sich ganz dringend ablenken oder die Obduktion würde ohne ihn stattfinden. Am besten gelang ihm das immer, indem er sich stark konzentrierte. Er fixierte seinen Blick auf den OP-Tisch. Darauf lag der vorbereitete Leichnam. Diesen Anblick war er gewöhnt, das machte ihm nichts aus. Nur das Aufschneiden und Ausnehmen waren nicht so sein Ding, damit sah er die nächste Hürde auf sich zukommen.

Dr. Harris und Dr. Brendl inspizierten den Leichnam gerade äußerlich und hielten die Ergebnisse auf dem Diktiergerät fest. »Größe eins achtzig, Gewicht hundertachtzig Pfund, hellrötliches Hautkolorit, Augen und Schleimhäute auffällig gereizt, Lippen zyanotisch, Totenflecke …«

Aidan musste sich anstrengen, um nichts zu überhören, denn nicht alles von der Fachsprache war ihm geläufig.

Nun ging der Spaß los. Die Pathologen kamen zur inneren Besichtigung des Leichnams. Schädel, Brust und Bauchhöhle waren an der Reihe und Aidan kotzübel. Unmerklich schielte er hinüber zu Ethan und war erleichtert, denn sein Gesicht hatte ebenfalls an Farbe verloren.

Dr. Harris begann mit einem Skalpell die Kopfhaut aufzuschneiden. Das Geräusch war kaum zu hören, trotzdem entging es Aidan nicht. Es hörte sich an, als wenn ein Bleistift übers Papier sausen würde. Gleich im Anschluss daran kam der Teil, an den er sich nie gewöhnen konnte. Dr. Harris zog die Kopfhaut über das Gesicht des Toten und legte damit den Schädelknochen frei.

Wie beim Skalpieren, dachte Aidan.

Sekunden später ertönte ein hohes heulendes Geräusch. Dr. Harris durchtrennte mit der Säge den Schädel. Dr. Brendl, ein betagter hagerer Mann, ging ihm dabei zur Hand. Behutsam entnahm er das Gehirn und ging damit hinüber zur Waagschale.

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