Freitag, 8. September 2023

[Buchvorstellung einmal anders] Nicht ohne meine Schatulle von Barbara Schwarzl


 
Buchvorstellung einmal anders

Heute treffe ich mich mit den Protagonisten Emma, Fritz, Richie und Petra aus „Nicht ohne meine Schatulle“ und deren Autorin Barbara Schwarzl.

Hallo, danke, dass ihr heute Zeit habt und für das Buch antwortet. Würdet ihr euch vielleicht gegenseitig beim Interview unterstützen?
„Klaro!“ Richie zwinkert Emma aufmunternd zu und gibt Fritz einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
„Danke, dass wir hier von unserer Geschichte erzählen dürfen. Ist das nicht großartig, Fritz, dass die Welt erfährt, was Hartmut, der Mistkerl, mit uns angestellt hat?“ Emma streicht eine unmerkliche Falte auf ihrem Rock gleich.
Fritz umklammert seine Baseballkappe. „Danke, Richie, dass du uns hier unterstützt. Ohne dich hätten wir so vieles nicht geschafft.“
R: „Übertreib nicht, Mann!“
„Mutter, warum hast du mich hierher geschleppt?“ Petra verzieht abschätzig ihren Mund. Dann wirft sie Richie einen giftigen Blick zu.
„Und mir ist es rätselhaft, warum du mir überhaupt deine kostbare Zeit widmest“, antwortet Emma.
Ich hatte ein langes Gespräch mit eurer Autorin, deshalb wäre es schön, wenn ihr euch meinen Lesern vorstellen könntet.
„Ladies first“, sagt Richie und weist galant auf Emma.
„Also, ich bin Emma. Eigentlich wurde ich auf den Namen Erika getauft. Als ich als Teenager an fremde Leute verschenkt wurde, änderte ich ihn, um nicht mehr an die schreckliche Zeit in St. Ägyd erinnert zu werden. Ich bin seit einem Jahr Witwe. Meine Enkeltochter Iris ist mein Sonnenschein und mein Garten ist mein Lieblingsort. Solange Theo, mein Mann lebte, verbrachte ich viel Zeit in unserer Pfarre, aber Richie hat mir die Augen geöffnet.“ Sie lächelt ihn an.
„Er hat dir nicht die Augen geöffnet, sondern Gehirnwäsche betrieben.“ Petra ist außer sich. Sie kann Richie, diesen Parasit nicht leiden.
E: „Dort ist die Tür, wenn du dich nicht zu benehmen weißt. Lass an Richie nicht deine Frustrationen aus.“
Petra will aufbegehren, aber ihr Onkel bedeutet ihr mit den Händen, es bleiben zu lassen. „Also gut, ich bin Dr. Petra Michalitsch, Emmas Tochter. Ich fasse es noch immer nicht, denn ich habe erst vor kurzem erfahren, dass meine Mutter eigentlich Erika heißt. Als Draufgabe habe ich einen Onkel bekommen“. Sie schaut Fritz an. „Allmählich fügt sich eines zum anderen. Die Ticks meiner Mutter ergeben einen Sinn. Sie streitet es ab, aber ich wage zu behaupten, dass sie meinen Vater mit ihrem Putzfimmel tötete.“
Emma will etwas entgegnen, aber Petra lässt sie nicht zu Wort kommen.
P: „Was für ein verrückter Haufen. Meine Mutter kehrt ihre Probleme so lange unter den Teppich bis sie ihrer Enkeltochter mit ihren Albträumen mitten in der Nacht Angst einjagt. Iris versteht nicht, was mit ihrer Großmutter los ist. Ich vergaß, das liegt in der Familie. Du, lieber Onkel, hast dir lange Zeit lieber die Welt schön getrunken. Und Richie, dieser Prachtkerl, fixte sich die Probleme weg.“ Sie spielt mit ihrer Swarowski-Armbanduhr.
„Du entschuldigst dich, sofort!“, rief Emma außer sich.
P: „Entschuldigen wofür? Ich muss mich lediglich bei Claudia und den LeserInnen entschuldigen, dass ich als karrieregeile Furie und Rabenmutter drüber komme. Solange sie die Umstände nicht kennen, können sie sich kein Urteil bilden.“
R: „Mir kommen die Tränen. Renk dich ein und greif deine Mutter nicht ständig an. Mach sie nicht für alle deine Probleme verantwortlich. Es interessiert hier keinen, dass dich dein geschleckter Alessio betrügt. Du gehörst so richtig …“
Petra unterbricht Richie. „Fick dich, doch selbst.“ An ihre Mutter gewandt sagt sie: „Ich habe keine Zeit für diesen Quatsch. Sorry, Claudia.“ Petra steht auf und stolziert auf ihren Stilettos davon.
„Geile Braut, aber eiskalt“, resümiert Richie, als er ihr nachblickt.
Emma schnappt nach Luft.
Eine Weile herrscht Stille. Dann ergreift Emma wieder das Wort: „Ich entschuldige mich für meine Tochter. Leider rächt es sich, dass ich ihr nicht die Liebe geben konnte, die sie verdient hätte. Richie, leider hast du recht. Sie ist eiskalt wie meine Mutter. Leider ist sie ihr sehr ähnlich. Ich wünschte sie wäre so warmherzig wie du.“
R: „Und ich hätte gerne eine Mutter wie dich gehabt. Wie unhöflich, ich habe mich den LeserInnen noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Richard Stark. Freunde nennen mich Richie. Wie Petra schon herausposaunt hat, bin ich ein Ex-Junkie, aber seit Jahren clean. Ich bin Installateur und träume davon, irgendwann mein eigener Boss zu sein. Ich habe zwei Jungs, nämlich Kevin und Justin. Sie geben mir täglich Kraft, den Kampf meines Lebens fortzusetzen. Deswegen gehe ich regelmäßig zur Therapie, wo ich Fritz kennenlernte. Weißt du noch?“
F: „Freilich kann ich mich daran erinnern. Meine Herrschaften, ich bin Fritz, der Bruder von Erika, ähm Emma. Entschuldige, ich kann mich nicht daran gewöhnen.“ Er betrachtet seine Kappe. „Ich habe meine verloren geglaubte Schwester gesucht und gleichzeitig einen Freund gefunden. Ich komme aus einem kleinen Kaff in der Südsteiermark, wo ich das Gasthaus meiner Schwiegereltern führte. Jetzt bin ich in Pension und versuche spät aber doch, mein Leben in den Griff zu bekommen.“
R: „Das schaffst du, Alter. Frau Dr. Pronner ist eine gute Therapeutin. Schau mich an!“
Beschreibt uns das Buch in möglichst wenig Sätzen.
E: „Als ich erfuhr, dass Hartmut, der Mistkerl von Stiefvater, noch immer lebte und nicht in der Hölle schmorte, begannen mich die Geister der Vergangenheit Tag und Nacht zu verfolgen. Zusätzlich tauchte Fritz nach Jahrzehnten aus der Versenkung auf. “
F: „Der Wunsch nach Rache einte uns. Jeder durchlebte seine eigenen Albträume.“
E: „Richie und das Versprechen meiner Kindheit: Wer mir wehtut, dem tu ich erst so richtig weh, leiteten uns durch diese schlimme Zeit. Ob wir meinem Leitspruch folgte, erfahren die LeserInnen im Buch. 😉
Macht es dir Spaß, deine Protagonisten ein wenig zu quälen? Sie in Situationen hineinzuwerfen, die schwierig sind? Warum nicht einfach und schön? Müssen Gefahren und Stolpersteine immer sein?
Nur einfach und schön ist für den Leser langweilig. Das Leben ist auch nicht einfach und schön. Jeder von uns hat seine eigenen Stolpersteine.
Das Quälen von Emma und Fritz erledigte der Stiefvater. Ich brauchte die beiden nur an der Hand zu nehmen und mir vorzustellen, wie sie reagieren könnten. Richie mit der losen Klappe und dem großen Herzen war eine dankbare Figur, um die Geschichte rund um Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung aufzulockern.
Habt ihr eine Lieblingsstelle im Buch, die ihr den Lesern des Blogs gerne vorstellen würdet?
R: „Meine Lieblingsstelle ist, wie Emma bei Platzregen wie eine Marienerscheinung vor meiner Karre auftauchte. Sie war komplett durch den Wind. Als ich sie danach in ein Studentencafé lotste, fühlte sie sich deplatziert, ließ sich aber nichts anmerken.“
Emma lächelte Richie an. „Meine Lieblingsszenen, sind die, als ich als junges Mädchen Hartmut an der Wange verletze und davonlaufe und jene, als ich ihm im Altersheim meine Parole nenne: Wer mir wehtut, dem tu ich so richtig weh! Das tat der Seele richtig gut.“
F: „Und mir hast du ganz schön Angst eingejagt.“
R: „Und deine Lieblingsszene, Fritz? Lass mich raten. Als du, nach St. Ägyd zurückgekehrt bist?“ Richies Augen hellten sich bei der Vorstellung auf.
Fritz lächelte. „Genau. Zu allerletzt habe ich den Mistkerl hochdekoriert auf der Straße wie ein Gepäckstück zurückgelassen.“
Petra schaut bei der Tür herein. „Als meine Mutter ihre Maske fallen ließ und mir endlich von den schrecklichen Erlebnissen in ihrer Kindheit erzählte, konnte ich sie zum ersten Mal verstehen. Wir waren uns so nahe wie nie zuvor. Dieser Augenblick währte nur kurz.“ Petra dreht sich um und entfernt sich grußlos.
Wie viel echte Barbara steckt in dem Buch oder in dem ein oder anderen Charakter?
Mit Emma verbindet mich meine Liebe zum Garten. Wir teilen uns die Antipathie für Schnecken. Sonst steckt nichts von mir selbst im Buch. Allerdings von einer mir bekannten, älteren Dame.
Nennen wir sie Hanna. Sie war in den Wirren des Zweiten Weltkriegs geboren worden. Unter Tränen schilderte sie mir, dass sie von frühester Kindheit an von ihrem Stiefvater missbraucht und als junger Teenager an fremde Leute verschenkt worden war. Sie hatte Mühe, das Unbegreifliche in Worte zu fassen, obwohl diese furchtbaren Geschehnisse Jahrzehnte zurücklagen. Und ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Ihre Lebensgeschichte ließ mich nicht mehr los.
Hannas Geschichte lässt sich reduzieren auf missbraucht, misshandelt und verschenkt. Um diesen wahren Kern habe ich eine Geschichte gesponnen mit einem noch böseren, noch abartigeren Stiefvater. Frei nach dem Motto: böse, böser, am bösesten.
Hanna hat mich inspiriert. Dennoch ist “Nicht ohne meine Schatulle” frei erfunden.
Wie würdet ihr als Hauptcharaktere eure Autorin beschreiben?
R: „Als Apothekerin hat sie etwas auf dem Kasten. Sie ist eine flotte Biene. Ich glaube sie steht auf mich. Warum sonst, bin ich die einzige Figur, die in zwei ihrer Bücher mitwirkt?“
„Richie und die Frauen.“ Fritz lächelt in sich hinein. „Sie urteilt nicht und setzt sich für Menschen wie uns ein.“
R: „Wie uns? Was meinst du damit? Ex-Abhängige, psychisch Angeknackste?“
F: „Freilich in der Art.“
E: „Barbara spricht Tabuthemen an und gibt Minderheiten eine Bühne. Mir gefällt, dass sie das Thema Kindesmissbrauch breit aufzog. Sogar die katholische Kirche bekam ihr Fett ab. Außerdem gärtnert sie so wie ich gerne.“
Wann kam die Idee zum Titel? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattet ihr als Charaktere vielleicht sogar Mitspracherecht?
R: „Nö, hatten wir nicht. Ist OK so.“
F: „Mir wäre freilich keiner eingefallen. Ich war mit meinen eigenen Problemen beschäftigt.“
E: „Gefragt hat die liebe Barbara nicht, aber das macht nichts. Vielleicht habe ich sie damit inspiriert, was ich mitgenommen habe, als ich zu den fremden Leuten kam.“
Seid ihr zu 100% mit dem Cover zufrieden oder hättet ihr nachträglich noch etwas ändern wollen?
F: „Ja, das Mädchen sieht so wie Emma, also Erika, damals aus.“
E: „Da hast du recht, Fritz. Die Ähnlichkeit ist frappant.“
R: „Ja, ist OK.“
Wisst ihr, was mich noch interessieren würde? Euer jeweiliges Lieblingszitat aus dem Buch.
„Mein Lieblingszitat von Richie hat mein Leben verändert“, sagte Emma. „Es lautet: Ein Tipp unter Freunden: Scheiß drauf, was dein Alter wollte oder was die anderen denken. Es ist dein Leben. Verstehst du? Dein scheißverkacktes Leben! Zerreiße deine Ketten und kämpfe für das, was dir wichtig ist. Behalte dein Ziel im Auge. Schaue nach vorne und niemals zurück!“
„Klingt blöd, aber mein Lieblingszitat ist: Was willst, Saubub?“ Fritz starrte ins Leere. „Nur drei Worte, die mir Mut gaben, mich Hartmut entgegenzustellen.
„Wer mir wehtut, dem tu ich erst so richtig weh.“ Richie hielt inne. „Das zeigt die Kraft und Entschlossenheit, die immer schon in dir steckte, Emma.“
„Ich will, dass ihr mich an Oma verschenkt. Hier gefällt es mir viiiel besser!“, sagte Petra durch die Tür herein mit dem Handy am Ohr. „Iris versetzte mir damit einen Stich mitten ins Herz. Gleichzeitig war ich eifersüchtig, weil ich nie mit so viel Liebe überschüttet worden bin. Weder von meiner Mutter, noch von meiner Tochter.
Vielen Dank für das Gespräch
E: „Danke, liebe Claudia, dass wir bei dir sein durften. Vielleicht sehen wir uns das nächste Mal im Garten?“
„Danke.“ Fritz lächelt verlegen.
R: „War leiwand. Aber jetzt habe ich einen Durst.“

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