Am Ende des Flurs fiel eine Tür laut zu. Emma schreckte auf
und kehrte wie in Trance auf die Onkologie zurück.
Plötzlich rasten in Sekundenschnelle Schwarzweißbilder der
immer und immer wieder sorgfältig verdrängten Kindheit vor ihrem inneren Auge
vorbei. Eine Miniszene jagte in atemberaubendem Tempo die nächste – wie auf
einer Hochschaubahn: Sie spürte den Gürtel. Der linke Arm schmerzte, weil Hartmut
sie daran über den Hof zerrte. Die Mutter schlug sie und schrie dabei. Bei der
Erinnerung an ihre Stimme hatte sie Frieda vor Augen und fügte die wenigen
belauschten Worte wie Puzzleteile zusammen, sodass sie einen Sinn ergaben. Ihr
verhasster Stiefvater lebte noch immer. Das Wort Vater hatte sie für ihn selten
über die Lippen gebracht, weil er es nicht verdient hatte, so genannt zu
werden. Sie rechnete im Geiste nach, wie alt Hartmut inzwischen sein musste.
Gewiss weit über neunzig. Und dieser Mistkerl lebte noch immer. Gute Menschen
wie Theo oder vielleicht bald Poldi starben zu früh. Es gab keine
Gerechtigkeit. Aber das wusste Emma längst.
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