In den
unterirdischen Umkleide- und Ruheräumen stehen wie bei unserem ersten Showkampf
leichte Speisen und belebende Getränke bereit. Im Gegensatz zum letzten Mal
werden wir jedoch nicht alle auf einmal hinaus in die Arena gehen. Jeweils
einer von uns und einer von den Menschen wird über einen entsprechenden
Mechanismus nach oben katapultiert, damit wir vor der tosenden Zuschauermenge
zeigen, was wir können.
Doch vor diesem
Spektakel kommt die Eröffnungsshow. Alexis flüstert einige Worte, schon baut
sich eine Art Leinwand aus einem hauchdünnen, silbernen Material am hinteren
Rand des Raumes auf. Nach einem weiteren Befehl unseres Trainers werden darauf
die Bilder von draußen so klar wiedergegeben, als sähen wir durch einen
Spiegel. Ich wusste gar nicht, dass es im Mystic Empire magische
Übertragungsformen gibt. Aber wahrscheinlich sind sie so limitiert wie die
Fortbewegungsmittel der Fabelwesen.
Im Moment können
wir jedoch nur verfolgen, wie die Zuschauenden langsam in der Arena eintrudeln
und ihre Plätze einnehmen. Denn natürlich sind wir weit vor der
Eröffnungszeremonie angekommen. Undenkbar, wenn wir Blade Artists zu spät
kämen.
Aiden und ich
nehmen uns etwas Leichtes zu essen und jeder ein Glas Wasser. Danach stellen
wir uns an den Rand zu Dana, Jasper, Benjamin und Miranda. Wir nicken uns nur
knapp zu, keiner sagt ein Wort. Wozu auch? Schließlich kommen auch die Elben,
wobei Colette natürlich Shawn im Schlepptau hat. Selbst der Drachenkrieger
wirkt angespannt. Das beruhigt mich seltsamerweise.
Nervös sehe ich
zu, wie sich die Reihen weiter füllen, während der grell leuchtende Countdown
am Himmel die Minuten und Sekunden herunterzählt. Kurz bevor es losgehen soll,
versammeln wir uns vor der Leinwand. Ich sehe, dass es draußen brechend voll
ist. Die Ränge sind voller johlender, grölender Menschen und Fabelwesen, die
darauf warten, dass wir unsere Leben riskieren.
Nicht zum ersten
Mal fühle ich mich als Teil eines blutigen Spektakels, das eher die Massen
unterhalten als den Frieden bewahren soll. Ein dramatischer Tusch erklingt; das
ebenso ersehnte wie gefürchtete Startsignal. Aiden umarmt mich von hinten und
ich lehne mich dankbar gegen ihn. Einige Sekunden hängt erwartungsvolles
Schweigen in der Luft. Dann startet ein perfekt inszeniertes Feuerwerk, das den
verdunkelten Himmel mit einer wahren Farbenflut erstrahlen lässt.
Die Lichter
formen sich zu bunten Sternen und funkelndem Glitzerregen, während melodische
Klänge für die richtige Stimmung sorgen. Am Ende der Lichtshow erscheinen am
Firmament – vermutlich durch die Magie der Elben – zwei durchscheinende Blade
Artists, die gegeneinander kämpfen; Silber und Gold gegen Blau und Gelb.
Im Anschluss
schwebt unser Königspaar in einem silbernen Streitwagen in die Arena; ihr
Privileg als Sieger der letztjährigen Duties. Sie werden von schneeweißen
Flügelpferden gezogen und winken zu der johlenden Menge hinab. Von der anderen
Seite kommt kurz darauf Präsident Forrester nebst Gattin in einem Fluggerät,
das wie ein halbiertes, metallisch blau schimmerndes Ei aussieht. Exakt in der
Mitte der Arena halten sie an. Wieder explodieren Lichtraketen, die sich zu
Schwertern, Impulsstrahlern und anderen Waffen verformen. Die bekannte Melodie
ertönt: Zunächst das stakkatohafte Trommeln, gefolgt von den Streich- und
Blasinstrumenten. Danach setzt der Gesang ein, den wir mehr oder minder laut
mitsingen:
»Brüder und
Schwestern, lasst die Waffen erklingen. Wir kämpfen nicht für Ruhm und Ehre,
sondern für den Frieden. Wir sind bereit; für die Gerechtigkeit zu sterben, die
Unschuldigen vor dem Krieg zu schützen. Unser Blut für ihr Blut, unser Leben
für ihr Leben – so soll es sein. Jetzt und immerdar.«
Die Melodie
verklingt und Stille senkt sich über die Arena. Unsere Herrscherpaare nicken
einander zu, bevor sie in entgegengesetzte Richtungen zu ihren Logen fliegen.
»Meine Damen und
Herren, ein weiterer bewunderungswürdiger Start für die fünfzehnten Duties. Hat
unsere Turnierleitung das nicht ausgezeichnet gemacht, Phil?«, plappert die
Moderatorin der Menschen, eine sonnengebräunte, dauerlächelnde Blondine, ins
Mikro.
»Das stimmt,
Tiffany.« Ihr mystisches Pendant ist ein bildschöner Mann mit blauen Augen und
schwarzen Haaren. Womöglich ein Nymph, denn er erinnert mich ziemlich an Zane.
»Was meinst du –
was erwartet uns bei den diesjährigen Duties? Werden sie brutal oder eher mild
wie im Vorjahr?« Die Sensationsgeilheit und das Verlangen nach blutigen
Kämpfen, die man aus ihrer Stimme heraushören kann, ekeln mich an.
»Schwer zu sagen,
Tiffany.« Der Nymph legt eine Hand an seine unfassbar vollen Lippen. »Wir haben
viele neue und interessante Kämpfer in den Teams. Vor allem von Prinz Aiden,
dem Thronfolger der Elben, verspricht man sich einiges. Die Wetten stehen hoch
auf ihn.«
»Aber auch das
Menschenteam hat ein paar Asse im Ärmel«, ergänzt die blutrünstige Moderatorin
schnell. »Warte nur, bis Kevin, der Hüne, mit seiner Lieblingswaffe loslegt –
dem Flammenwerfer.«
Ich erinnere mich
noch gut daran, wie gern er den Strahl auf jemanden in unseren Reihen gerichtet
hat und wie er sich freute, wenn seine – im Übungskampf harmlosen – Lichtfeuer
uns erwischt haben. Ab morgen werden es echte Flammen sein. Ich erschauere.
»Außerdem haben
die Menschen eine neue Technik im Gepäck: die Teleportation. Ein Druck auf den
Anzug und der Angreifer ist weg.« Bei Tiffanys selbstherrlichem Ausdruck wird
mir schlecht.
Auch die anderen
Blade Artists wirken irritiert. Zu unserem Leidwesen nickt Alexis. »Ja, es ist
wahr. Die Turnierleitung hat es erst heute Morgen bekannt gegeben.« Wütend
knirscht er mit den Zähnen. Schließlich strafft er seine imposante Gestalt und
ein kämpferisches Funkeln liegt in seinem Blick. »Aber das ist letztlich egal. Auch damit
werden wir fertig. Richtig?«
»Richtig«,
brüllen wir einstimmig.
Alexis nickt
Shawn zu. »Zeit für deinen Auftritt.«
Der
Drachenkrieger erwidert die Geste und folgt ihm zu den Vorrichtungen, die uns
Blade Artists nach oben katapultieren. Derweil nehmen die Regierenden beider
Welten ihre Plätze ein, während die Kommentatoren weiter vor sich hin plappern
und über die Vorzüge bestimmter Kämpfender reden. Dann verstummen sie einen
Moment. Anscheinend warten sie auf eine Information der Regie, ob alles
vorbereitet ist.
»Nun, Freunde
fairer Kämpfe, es geht los. Wir präsentieren ... die Blade Artists.« Phil
erinnert an einen Jahrmarktschreier, als Shawn nach oben schießt.
»Den ersten
Kämpfer muss ich Ihnen nicht vorstellen: Es ist Shawn, der unbesiegbare
Drachenkrieger, der zum letzten Mal für das Mystic Empire antritt. Sehr schade,
denn er ist regelrecht mit dem Schwert verwachsen. Besonders gefürchtet sind
aber seine Angriffe aus der Luft.«
Während Phil ihn
anpreist wie einen Preisbullen, zieht Shawn mit grimmigem Gesichtsausdruck
seine Showwaffe. Sein Gegner wird hochkatapultiert. Mit einem seltsamen Ziehen
im Bauch erkenne ich den Mann, der mich beinahe gemeinsam mit seinen Freunden
missbraucht hätte.
»Allerdings ist
auch Collin nicht zu verachten – und das meine ich nicht nur als Kämpfer«,
schwärmt die Moderatorin und ihre Mundwinkel verziehen sich zu einem
süffisanten Lächeln. »Er beherrscht das Schwert ebenfalls vortrefflich.
Außerdem ist er ein Meister des Nahkampfs.« Wie Shawn posiert Collin mit seiner
Waffe.
Der Gong ertönt
und die beiden stürmen aufeinander los. Ihre Schwerter prallen mit einem
dumpfen Ächzen gegeneinander. Bevor Collin weiß, wie ihm geschieht, verwandelt
Shawn sich in seine Drachengestalt und schießt ihm einen flammenden Strahl
entgegen, der heute Abend jedoch ungefährlich ist. Ansonsten wäre Collin jetzt
tot.
Auf der Leinwand
erkenne ich sein leichenblasses Gesicht. Eigentlich müsste ich wilde
Schadenfreude empfinden, aber stattdessen fühle ich mich wie gelähmt. Gegen wen
werde ich kämpfen müssen? Wird es jemand sein, den ich kenne? Bitte lass es
nicht Jennifer sein!
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