Mittwoch, 16. November 2022

[Schnipseltime] Das Omega-Gen - Auf Leben und Ehre von Ava Cooper

 

 

»Was wollen wir denn heute noch machen?«, wechselt Aiden das Thema und lächelt mich verführerisch an.

»Ich weiß nicht«, sage ich und gähne lautstark.

Aiden lacht. »Anscheinend war euer kleiner Ausflug ganz schön anstrengend.«

»Sieht so aus.« Schon wieder entweicht mir ein Gähnen. Ich lächele Aiden verlegen an.

»Was hältst du von einer Kinonacht?« Er lächelt.

Verwirrt starre ich ihn an. »Hast du einen Fernseher?«

»Nein, so etwas gibt es bei uns nicht. Aber wir haben andere Mittel. Worüber würdest du gern mehr erfahren?«

»Äh, ich weiß nicht. Vielleicht über eure Sagen?«

»Klingt gut. Lass mich vorher noch Snacks und Getränke holen.« Wieder geht er zu dem Schrank. Wenig später kommt er mit einer Schüssel samt der leckeren Kürbischips, einer Flasche Wein und zwei Gläsern zurück. Er gießt uns ein und reicht mir ein Glas, während er sich das andere nimmt. Anschließend setzt er sich wieder zu mir.

Ich will mit ihm anstoßen, aber er schüttelt den Kopf. »Erst noch die richtige Stimmung.« Mit den Händen vollführt er einige komplizierte Bewegungen und es erscheinen Bilder vor meinen Augen. Ich erkenne den kleinen Gleach, der begehrlich auf einen Teller voller Kekse blickt, die auf dem Tisch stehen. Dies muss die Ursprungsgeschichte der Beschwörung des Windes sein, die Aiden mir in der Sylphenstadt erzählt hat.

»So, nun wirst du miterleben, wie eure Kraft geboren wurde. Bulan faighan!«

»Bulan faighan!«, wiederhole ich.

Während ich den deliziösen Wein genieße, sehen wir gemeinsam zu, wie der Junge sich nach den Süßigkeiten streckt und reckt. Aber er ist zu klein, um sie zu erreichen. Er versucht alles Mögliche, doch es bleibt vergebens. Schließlich pustet er so lange, bis der Teller zu ihm schwebt. Ich genieße sowohl die Vorführung als auch Aidens berauschende Nähe.

Es folgen weitere Mythen des Sylphenreichs, bevor er sich elbischen Märchen zuwendet. Am meisten gefällt mir die Fabel von der Prinzessin, die ihr Herz an einen einfachen Elben verloren hatte. Als ihr Vater sie gegen ihren Willen mit einem Prinzen verlobte, beschloss sie wegzulaufen. Inmitten der Nacht schlich sie aus dem Palast, um sich mit dem Liebsten zu treffen. Aber ihre Zofe hatte sie verraten und so erschienen ihre Eltern mit der Leibwache.

Der Vater toste vor Wut; kein Wort wollte er hören, dass sie sich liebten. Stattdessen forderte er seine Tochter auf, ihre Pflicht zu erfüllen. Als sie sich weigerte, richtete er seinen Zorn auf ihren Liebsten und verwandelte ihn in eine marmorne Statue. Er drohte, sie zu zerstören, wenn sie sich nicht füge. Aber die unglückliche Prinzessin dachte nicht daran und legte einen Zauber über sich, der sie ebenfalls versteinerte. Eng umschlungen stand sie nun an der Seite ihres Angebeteten, ein ewiges Bekenntnis ihrer Liebe. Der König wollte die Statue vor lauter Wut zertrümmern, doch seine Frau hielt ihn auf und zauberte sie fort.

»Seit Jahrhunderten gilt die Marmorfigur als verschollen. Aber es heißt, wenn ein Paar sie findet, das sich aufrichtig liebt, befreit es die Seelen der Liebenden.« Seine Stimme verklingt, woraufhin die Bilder der schönen jungen Frau und ihres nicht minder aparten Geliebten verblassen. Aiden lächelt mich an und streichelt meine Hand. 

Staunend sehe ich ihn an. So viel Romantik hätte ich den Elben gar nicht zugetraut. Aber ich hätte auch nie gedacht, dass er sich jemals in mich verlieben würde. Glücklich kuschele ich mich an ihn.


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