Die Göttin ließ ihre Beute zu Boden gleiten und fesselte sie
mit routinierten Bewegungen. Mürrisch wischte sie sich das Blut aus dem Gesicht.
Sie hatte sich auf die Unterlippe gebissen, als der Kerl seinen Kopf in ihr
Gesicht gerammt hatte. Wenn sie Pech hatte, würde dem Gerangel ein ordentliches
Veilchen folgen.
Sie packte ihn am Kragen und drehte ihn zu sich herum. Ein
richtiges Sahneschnittchen!, dachte sie. Zumindest wenn man davon absah, dass
seine Lippen blau verfärbt waren, die Lider seiner Augen unkontrolliert
flatterten und sein ockerfarbener Teint aschfahl wirkte.
Mit flinken Fingern tastete sie seine Taschen ab. Nahm
Handy, Pager, Autoschlüssel, sowie Portemonnaie heraus. Sie zog missbilligend
die Stirn kraus, als sie Letzteres aufklappte und des Inhalts gewahr wurde. Ein
Polizeidienstausweis prangte ihr regelrecht entgegen. Dieser Fakt erklärte
ihrer Meinung nach zur Genüge, was der Kerl hier zu suchen hatte.
»Tz, tz, tz«, gab sie tadelnd von sich. Er war also ein
kleiner Jäger. Wie ausgesprochen bedauerlich für ihn, dass er dabei den Pfad
von jemandem gekreuzt hatte, der in der Nahrungskette eindeutig über ihm stand.
Ihre Beute hob röchelnd den Kopf und spie etwas Blut aus.
»Sch-schteschanie?«, nuschelte er in einem jammernden
Tonfall und versuchte abermals sich aufzurichten. Als das nicht gelang, rollte
er sich auf den Bauch und machte Anstalten, sich davon zu robben. Sie packte ihn
im Nacken, drehte ihn erneut zu sich herum, um seinen Oberkörper mit ihren
Schenkeln zu fixieren. Seine honigfarbenen Augen blickten ungläubig zu ihr auf.
Er wirkte nicht wie die Männer, die sie für gewöhnlich jagte, sondern wie das
genaue Gegenteil.
Dieser Umstand ließ die Göttin zögern. Ihre Fingerspitzen
fuhren über seinen Oberkörper, verharrten kurz über einem goldenen Anhänger in
Schwertform, den er über dem Herzen trug. Sie roch seine Angst, fühlte seinen
Herzschlag, schmeckte das Salz seines Schweißes auf ihrer Zunge. Sie wusste,
dass sie sein Leben in ihren Händen hielt und darüber verfügen konnte.
»Du bist vom rechten Weg abgekommen«, wisperte sie ihm zu.
Doch es kam ihr wie eine Lüge vor.
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