Donnerstag, 26. Juni 2025

[Schnipseltime] Die Erbin der Wut von Heidi Metzmeier


 

Prolog

Karlsruhe 1977

Von hier an gab es kein Zurück mehr. Sie parkte den Mercedes-Benz vor der Bank und zog den Zündschlüssel ab. Eilig stieg sie aus und ging davon, ohne noch einmal zurückzublicken. Ihre Gruppe hatte über die Routinen des Bankdirektors wochenlang akribisch Buch geführt. Er war stets der Erste gewesen, der die Bank betrat, immer zur gleichen Zeit, vor Beginn des Publikumsverkehrs.

Ihr Puls raste, Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und ihr Atem ging schnell. Nach zwei Häuserblocks erlaubte sie sich, für einen Moment innezuhalten. Alles lief wie geplant. Sie atmete tief durch und ging mit festen Schritten auf einen Hauseingang zu. Er bot eine Nische, von der aus sie unbemerkt die Ausführung ihrer Pläne beobachten konnte.

Dieser Job war ihr wichtig. Das System war von innen ausgehöhlt, die noch junge Demokratie würde sich niemals entwickeln können, wenn man die alten Zöpfe nicht abschnitt. Der Bankdirektor war in ihren Augen Teil eines verfilzten, überkommenen, elitären Netzwerks, das zerschlagen werden musste.

Als sie einen weiteren Blick in Richtung Bank riskierte, erschrak sie. Der Bankdirektor ging auf das Eingangsportal zu, aber er war nicht allein. Eine junge Frau mit brünetten lockigen Haaren, im knielangen Wollrock, ging dicht hinter ihm. Sie hatte einen federleichten Gang. Ein junger Mann in Cordhose und Rollkragenpullover lief neben der Frau. Er war ihr sehr vertraut. Seine Miene war versteinert, sein ganzer Körper angespannt.

»Benno, großer Gott! Nein!« Bevor sie den Schrei unterdrücken konnte, hallte er schon durch die Straßen. Ohne darüber nachzudenken, rannte sie auf ihn zu. Dabei rief sie immer wieder seinen Namen. Ihre Blicke trafen sich in dem Moment, als die Autobombe detonierte. Ein ohrenbetäubendes Donnergrollen verschlang die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

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