Donnerstag, 12. Januar 2023

[Schnipseltime] Marla - Das Erbe von Simone Wolfe

 

Ausschnitt aus Kapitel 2 von „Marla – Das Erbe”

(Band 2 der „Marla”-Reihe von Simone Wolfe)

 

 

»An den Wänden ringsum standen hohe Regale, die vom Boden bis unter die Decke mit allerlei Gefäßen, Krügen und Schalen beladen waren. Die meisten waren aus Ton gefertigt und mit einem Korken fest verschlossen, aber einige der Fläschchen bestanden aus Glas. Sie enthielten alle möglichen Tinkturen, Pulver, getrocknete Pflanzen und in Öle eingelegte Blüten. Neugierig trat Marla näher, allerdings konnte sie die Beschriftungen in den geschwungenen altalbischen Buchstaben nicht entziffern. Dann fiel ihr ein Glasgefäß ins Auge, das in dem Zwielicht auf den ersten Blick den Anschein machte, als enthielte es kleine rote Zweiglein. Marla nahm das Fläschchen interessiert in die Hand – und hätte es beinahe fallengelassen. Tatsächlich handelte es sich nicht um die Zweige einer Pflanze, sondern um abgehackte getrocknete Vogelfüße. Angewidert und mit einem flauen Gefühl in der Magengrube stellte sie die Flasche zurück auf das Regal. Langsam wurde ihr von dem strengen Geruch in dem Laden schummerig. Sie drehte sich um – und wäre fast vor Schreck rückwärts in die Schrankwand gestolpert. Hinter ihr stand ein Alb. Sie hatte keine Ahnung, wie lange er schon da gestanden und sie beobachtet hatte. Seine Erscheinung sendete Marla unwillkürlich einen Schauer über den Rücken: Seine Augen waren schneeweiß und betrachteten sie mit einem stechenden Blick, die ebenfalls weißen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, seine Wangen waren eingefallen, seine Haut war runzelig und ledrig.

„Entschuldigung, ich … ich wollte nur …”, stammelte Marla, erinnerte sich dann daran, dass sie eigentlich gar keinen Grund dazu hatte, sich zu entschuldigen und streckte dem alten Mann die Liste entgegen. „Ich bin beauftragt worden, diese Zutaten zu besorgen.” Der Alb starrte sie noch einen Moment auf diese unangenehme Art an, nahm aber schließlich das Stück Papier mit knorrigen Fingern entgegen. Er hielt es sich sehr knapp vor die Augen, was offensichtlich machte, dass er vermutlich halb blind war. Wortlos begann er, die Dinge der Liste zusammenzutragen und stellte die Waren auf die Theke. Marla hoffte inständig, dass er nicht mehr allzu lange brauchen würde. Von dem starken Geruch wurde ihr zunehmend schwindeliger und fast schon übel.

Der Mann schaute noch einmal prüfend auf das Papier und schüttelte den Kopf. „Die Königin der Nacht habe ich momentan nicht vorrätig”, krächzte er mit rauer Stimme.

„Kein Problem, ich werde es so weitergeben …”, antwortete Marla schnell. Der Alb legte den Kopf schräg und betrachtete sie noch einmal eingehend mit seinen stechenden weißen Augen. Langsam humpelte er auf Marla zu. Sie hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten und wollte unwillkürlich einen Schritt zurückweichen, bemerkte aber, dass sie praktisch sowieso bereits mit dem Rücken an dem Regal hinter ihr stand. Irgendetwas an diesem alten Mann jagte ihr Angst ein, warnte sie innerlich davor, ihm zu trauen. Er kam immer näher und noch immer glotzte er ihr direkt ins Gesicht. Ohne ihr Zutun suchte ihre Hand nach ihrem Schwertgriff, bis sie sich bewusst wurde, dass sie den Schwertgurt heute morgen gar nicht umgeschnallt hatte. Das Gesicht des Albs war nur noch einige Fingerbreit von ihr entfernt, der Geruch seines Atems, eine Mischung aus süßlicher Fäule und ihr unbekannten Kräutern, ließ Marlas ohnehin schon flauen Magen revoltieren.

„Du hast sehr interessante Augen”, schnarrte er. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer du bist!” Ohne jedwede Vorwarnung zuckte seine knochige linke Hand nach oben und umgriff fest Marlas Gesicht. Er quetschte ihre Wangen, dass es schon weh tat. Sie wollte seine Hand beiseite schlagen, aber mit einer Schnelligkeit und Stärke, die sie dem alten Mann gar nicht zugetraut hätte, schnappte er mit seiner Rechten ihr Handgelenk. Sie wich nun doch noch weiter vor ihm zurück und stieß unsanft gegen die Schrankwand. Die Gefäße schepperten, als sie von dem Stoß zusammengerüttelt wurden und ein oder zwei Flaschen fielen klirrend zu Boden. Trotzdem lockerte er seinen eisernen Griff nicht und drängte sie mit seinem Körper gegen das scharfkantige Holz.

„Du bist Marla, habe ich Recht?” Kleine Speicheltropfen trafen sie im Gesicht. Instinktiv suchte ihre freie Hand hinter sich nach einem der Behältnisse. Sie umfasste den Hals einer Flasche, bereit, sie dem anderen über den Kopf zu schlagen.«

 

 

 

Klappentext zu „Marla – Das Erwachen” (Band 1):

 

Eine tödliche Gefahr beendet das friedliche Leben der Grafentochter Marla abrupt und zwingt sie, in die verborgene Welt der Alben zu fliehen. Hier erkennt sie schnell, wie wenig sie über ihre eigenen albischen Wurzeln weiß. Die jahrhundertelangen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Menschen, Alben und Drachen reißen Marla in einen Strudel aus Ereignissen. Was hat es mit ihrer Begabung auf sich, mit Tieren kommunizieren zu können? Und wird es ihr gelingen, die auferlegten Fesseln ihres Standes und ihrer menschlichen Erziehung zu sprengen und sich neu zu definieren?

 

 

„Klappentext zu Marla – Das Erbe” (Band 2):

 

Die Abenteuer der jungen Halbalbe Marla gehen weiter: Als die albischen Widerstandskämpfer erfahren, dass sich ein Drache in höchster Not befindet, begeben sich Marla und ihre Gefährten auf die gefährliche Reise zum Drachenvolk. Dabei gerät Marla selbst in die Fänge des Feindes und entwickelt einen riskanten Plan. Wird es ihr gelingen, sich aus ihrer bedrohlichen Lage zu befreien und dabei das Leben ihrer Freunde zu schützen? Und wird sie sich tatsächlich als eine der letzten Auserwählten unter Beweis stellen können? Plötzlich hängt alles von ihr ab.


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