Ausschnitt aus Kapitel 2 von „Marla – Das
Erbe”
(Band
2 der „Marla”-Reihe von Simone Wolfe)
»An den Wänden
ringsum standen hohe Regale, die vom Boden bis unter die Decke mit allerlei Gefäßen,
Krügen und Schalen beladen waren. Die meisten waren aus Ton gefertigt und mit
einem Korken fest verschlossen, aber einige der Fläschchen bestanden aus Glas.
Sie enthielten alle möglichen Tinkturen, Pulver, getrocknete
Pflanzen und in Öle
eingelegte Blüten. Neugierig trat Marla näher, allerdings konnte sie die Beschriftungen
in den geschwungenen altalbischen Buchstaben nicht entziffern. Dann fiel ihr
ein Glasgefäß ins Auge, das in dem Zwielicht auf den ersten Blick den Anschein
machte, als enthielte es kleine rote Zweiglein. Marla nahm das Fläschchen interessiert
in die Hand – und hätte es beinahe fallengelassen. Tatsächlich handelte es sich
nicht um die Zweige einer Pflanze, sondern um abgehackte getrocknete Vogelfüße.
Angewidert und mit einem flauen Gefühl in der Magengrube stellte sie die
Flasche zurück auf das Regal. Langsam wurde ihr von dem strengen Geruch in dem
Laden schummerig. Sie drehte sich um – und wäre fast vor Schreck rückwärts in
die Schrankwand gestolpert. Hinter ihr stand ein Alb. Sie hatte keine Ahnung,
wie lange er schon da gestanden und sie beobachtet hatte. Seine Erscheinung
sendete Marla unwillkürlich einen Schauer über den Rücken: Seine Augen waren
schneeweiß und betrachteten sie mit einem stechenden Blick, die ebenfalls weißen Haare hingen ihm wirr ins
Gesicht, seine Wangen waren eingefallen, seine Haut war runzelig und ledrig.
„Entschuldigung, ich … ich wollte
nur …”, stammelte Marla, erinnerte sich dann daran, dass
sie eigentlich gar keinen Grund dazu hatte, sich zu entschuldigen und streckte
dem alten Mann die Liste entgegen. „Ich bin beauftragt worden, diese Zutaten zu
besorgen.” Der Alb starrte sie noch einen Moment auf diese unangenehme Art an,
nahm aber schließlich das Stück Papier mit knorrigen Fingern entgegen. Er hielt
es sich sehr knapp vor die Augen, was offensichtlich machte, dass er vermutlich
halb blind war. Wortlos begann er, die Dinge der Liste zusammenzutragen und
stellte die Waren auf die Theke. Marla hoffte inständig, dass er nicht mehr
allzu lange brauchen würde. Von dem starken Geruch wurde ihr zunehmend
schwindeliger und fast schon übel.
Der Mann schaute noch einmal prüfend
auf das Papier und schüttelte den Kopf. „Die Königin der Nacht habe ich
momentan nicht vorrätig”, krächzte er mit rauer Stimme.
„Kein Problem, ich werde es so
weitergeben …”, antwortete Marla schnell. Der Alb legte den Kopf schräg und
betrachtete sie noch einmal eingehend mit seinen stechenden
weißen Augen. Langsam humpelte er
auf Marla zu. Sie hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten und wollte unwillkürlich
einen Schritt zurückweichen, bemerkte aber, dass sie praktisch sowieso bereits mit dem Rücken an
dem Regal hinter ihr stand. Irgendetwas an diesem alten Mann jagte ihr Angst
ein, warnte sie innerlich davor, ihm zu trauen. Er kam immer näher und noch
immer glotzte er ihr direkt ins Gesicht. Ohne ihr Zutun suchte ihre Hand nach
ihrem Schwertgriff, bis sie sich bewusst wurde, dass sie den Schwertgurt heute
morgen gar nicht umgeschnallt hatte. Das Gesicht des Albs war nur noch einige
Fingerbreit von ihr entfernt, der Geruch seines Atems, eine Mischung aus süßlicher
Fäule und ihr unbekannten Kräutern, ließ Marlas ohnehin schon flauen Magen
revoltieren.
„Du hast sehr interessante Augen”,
schnarrte er. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer du bist!” Ohne jedwede
Vorwarnung zuckte seine knochige linke Hand nach oben und umgriff fest Marlas
Gesicht. Er quetschte ihre Wangen, dass es schon weh tat. Sie wollte seine Hand
beiseite schlagen, aber mit einer Schnelligkeit und Stärke,
die sie dem alten Mann gar nicht zugetraut hätte, schnappte er mit seiner Rechten ihr Handgelenk. Sie
wich nun doch noch weiter vor ihm zurück und stieß unsanft gegen die
Schrankwand. Die Gefäße schepperten, als sie von dem Stoß zusammengerüttelt
wurden und ein oder zwei Flaschen fielen klirrend zu Boden. Trotzdem lockerte er seinen
eisernen Griff nicht und drängte sie mit seinem Körper gegen das scharfkantige
Holz.
„Du bist Marla, habe ich Recht?” Kleine
Speicheltropfen trafen sie im Gesicht. Instinktiv suchte ihre freie Hand hinter
sich nach einem der Behältnisse. Sie umfasste den Hals einer Flasche, bereit,
sie dem anderen über den Kopf zu schlagen.«
Klappentext zu „Marla
– Das Erwachen” (Band 1):
Eine tödliche Gefahr beendet das friedliche Leben der
Grafentochter Marla
abrupt und zwingt
sie, in die verborgene Welt der Alben zu fliehen. Hier erkennt sie schnell, wie
wenig sie über ihre eigenen
albischen Wurzeln weiß. Die jahrhundertelangen kriegerischen
Auseinandersetzungen zwischen Menschen, Alben und Drachen reißen Marla in einen
Strudel aus Ereignissen. Was hat es mit ihrer Begabung auf sich, mit Tieren
kommunizieren zu können? Und wird es ihr gelingen, die auferlegten Fesseln
ihres Standes und ihrer menschlichen Erziehung zu sprengen und sich neu zu
definieren?
„Klappentext zu
Marla – Das Erbe” (Band 2):
Die Abenteuer der
jungen Halbalbe Marla gehen weiter: Als die albischen Widerstandskämpfer
erfahren, dass sich ein Drache in höchster Not befindet, begeben sich Marla und
ihre Gefährten auf die gefährliche Reise zum Drachenvolk. Dabei gerät Marla
selbst in die Fänge des Feindes und entwickelt einen riskanten Plan. Wird es
ihr gelingen, sich aus ihrer bedrohlichen Lage zu befreien und dabei das Leben
ihrer Freunde zu schützen? Und wird sie sich tatsächlich als eine der letzten
Auserwählten unter Beweis stellen können? Plötzlich hängt alles von ihr ab.
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