Mittwoch, 26. Mai 2021

[Schnipseltime] Die Erlkönigin von Elisabeth von Sydow

  


Als das Schubfach vollständig geöffnet war, offenbarte es eine staubige Leere. Lediglich ein kleiner weißer Umschlag lag inmitten der großen Fläche. Und auf dem Umschlag standen die Worte An sie.

Marne starrte mehrere Momente lang auf das Stück Papier. Etwas sagte ihr, dass damit sie selbst gemeint war. Tief einatmend griff Marne mit einer Hand nach dem Umschlag und holte ihn aus dem Fach. Ihre schlanken Finger öffneten ihn geschickt und zogen einen in der Mitte gefalteten Zettel heraus. Mit nun deutlich zittrigen Fingern klappte Marne das Papier auf, das von oben bis unten vollgeschrieben war, und begann es zu lesen.

Irgendwann hört man auf zu träumen, zu lieben, zu leben – und man fängt an zu vergessen.

Es kann tröstend sein. Es kann heilend sein. Aber nur für den Moment. Nichts kann so schlecht sein, dass es nicht auch etwas Gutes in sich trägt. Niemand kann so nichtig sein, dass man ihn vergessen will. Weder die Guten noch die Schlechten. Weder die Netten noch die Nervigen. Und schon gar nicht diejenigen, die einem so viel zum Erinnern geben.

Man vergisst nie den einen Menschen, der einen gezeigt hat, wie sich Liebe anfühlt. Ich habe sie erfahren. Diese Liebe. Durch Benedikt. Und auch wenn das Ende tragisch war, werde ich nie vergessen – 

Und du, Marne, solltest das auch nicht!

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