
Schon wieder standen wir vor
Rowenas Tür und abermals wurden wir von einem ihrer festen Subs eingelassen.
Dieses Mal war ich vorbereitet.
Die drei Männer saßen immer
noch auf dem Sofa. Rowena ihnen gegenüber auf einem Sessel. Ihr Blick richtete
sich auf uns. »Kieran. Schön, dass du vorbeikommst. Ich wollte dir ohnehin
Valerian vorstellen.«
Die Gäste erhoben sich.
Gespannt beobachtete ich, wie
Kieran zuerst die Hand des Riesen drückte und ihm seinen Ausweis und die
Kreditkarte zurückgab. Die beiden kleineren Kerle begrüßte er, ohne dass
irgendetwas Ungewöhnliches passierte.
Koschei sah nur mich an, was
mein Herz sofort wieder aus dem Takt brachte.
»Was seid ihr?« Kieran besaß
das Feingefühl einer Dampfwalze. Statt die Sache diplomatisch anzugehen, holte
er den Knüppel heraus. »Wenn du ein Dom bist, kann ich fliegen.«
Valerian lachte. »Kannst du es
nicht? Ich schon.«
Erstaunt schaute ich ihn an.
Er vermochte zu fliegen? Ob er sich wie unser Freund Maeron in einen Raben
verwandeln konnte?
»Ganz ehrlich. Ich dachte
immer, wir seien die einzigen Nichtmenschen in dieser Welt. Es ist unglaublich
beruhigend zu erfahren, dass es viel mehr gibt.«
»Ist das so?«, erkundigte sich
Kieran und warf Rowena einen missbilligenden Blick zu.
»Er ist in Ordnung, sonst
hätte ich ihn nicht eingeladen. Setz dich bitte. Möchtest du etwas trinken?«
Kieran ging zu einem Sessel
und ließ sich darauf nieder. Mich zog er mit und platzierte mich auf der Lehne.
Sein Arm um meiner Hüfte versprach Sicherheit. »Einen Cognac und ein Wasser für
Mischa. Bist du sicher, was ihre Ambitionen angeht?«
»Alle drei haben mir
gestattet, von ihnen zu trinken. Vertrauen gegen Vertrauen. Sie wissen jetzt,
was ich bin und ich, was sie sind. Von ihnen geht keine direkte Gefahr aus,
obwohl sie hier alles in Schutt und Asche legen könnten.«
»Das käme uns nie in den
Sinn«, wandte Valerian sofort ein. »Wir wollen niemandem schaden, und ich bürge
für meine Freunde.«
Kieran schnaubte. »Und das
sollte mich beeindrucken?«
»Möglicherweise. Ich bin ein
recht angesehener Anwalt.«
»Advokaten sind eher nicht für
ihre Vertrauenswürdigkeit bekannt. Wobei es da löbliche Ausnahmen gibt.«
»Du wirst feststellen, dass
ich eine davon bin. Ich bin auch nicht um meinetwillen in euer Refugium
eingedrungen, sondern für meinen Bruder und seinen Freund hier.« Valerian
deutete zuerst auf den Rotschopf, dann auf Graulöckchen.
Mein Herz blieb stehen.
Zumindest fühlte es sich so an. Schmerzgeplagt zuckte ich zusammen.
Tröstend streichelte mir
Kieran über den Rücken.
»Darf ich eine persönliche,
sehr wichtige Frage stellen?« Nachdenklich musterte uns Valerian.
»Fragen darf man immer«,
antwortete Kieran ohne Begeisterung. Er nahm Rowenas Sub das Wasserglas ab und
reichte es mir. Seine Haltung verriet Anspannung, obwohl er Gelassenheit
vortäuschte und lässig an seinem Cognac nippte.
Die meisten Wandler mochten
keinen Alkohol, er hatte sich das Faible für einen guten Tropfen, das er
bereits als Sidhe hatte, seltsamerweise erhalten.
»Seid ihr ein Paar?«,
erkundigte sich Valerian.
Koschei neigte den Oberkörper
gespannt nach vorn. Eine beredte Geste, wen diese Information in Wahrheit
interessierte.
»Nein. Mischa steht unter
meinem Schutz. Deshalb bin ich hier. Ich will wissen, was vorgefallen ist. Und
warum ihr hier seid. Und zuallererst, was ihr seid. Die Tatsache, dass ihr ein
Gebäude mit vielen Menschen bedroht …«
»Das tun wir nicht«,
unterbrach der Rotschopf. Ihm fehlte es im Gegensatz zu seinem Begleiter an
simpelsten Höflichkeitsformen, die da lauteten, seinen Gesprächspartner
ausreden zu lassen. Er wirkte auch nicht so in sich ruhend wie der Riese, der
ihm die Hand beruhigend auf den Oberschenkel legte.
Mein Freund überging die
Unhöflichkeit. »Muss ich mich wiederholen?«
»Wir sind Drachen.«
Ich erstarrte und betrachtete
die drei Kerle. Ein hysterisches Lachen platzte aus mir heraus.
»Still!«, gebot Kieran scharf.
»Was genau bedeutet das?«
»Ich bin Veyrik, Sohn von
Valkan, dem letzten Feuerdrachen.«
Zumindest die Haarfarbe
stimmte bei ihm. Neugierig sog ich die Luft ein. Aber abgesehen von
Wandelwölfen, die häufig ein bisschen wie nasser Hund rochen, gab es nichts,
woran man einen Wandler erkennen konnte. Bis er sich verwandelte.
»Drachen gehören ins Reich der
Mythen, nahm ich bisher immer an.« Kieran trank einen weiteren Schluck Cognac
und verschaffte sich so Bedenkzeit. »Das erklärt nicht, warum ihr hier seid und
wie ihr uns auf die Schliche kamt.«
»Wir wussten nicht, dass sich
hier Zauberwesen treffen.«
»Die meisten sind Menschen«,
korrigierte Rowena.
»Ich bin ein Drachenhybrid«,
bemerkte Valerian. »Nicht nur äußerlich unterscheide ich mich von Veyrik und
meinen Geschwistern. Meine Eltern waren Menschen. Valkan verliebte sich in
meine Mutter. Seine Herzmagie verwandelte sie. Mich traf die Magie im Mutterleib.
Wir sind Gefangene zweier Welten, halb Mensch, halb Drache.«
»Bisher habt ihr euch gut
versteckt. Ich nahm an, die Legenden von erlegten Drachen …«
Valerian sprang auf. »Das sind
keine Legenden. Genau deshalb zeigen wir uns niemandem. Die Menschen haben die
Drachen fast ausgerottet. Nur mein Vater Valkan ist übrig. Mit meiner Mutter
gründete er ein Geschlecht von Halbdrachen, meine Familie. Sie darf nicht
erneut Ziel des Hasses werden!«
Jetzt erst begriff ich das
Ausmaß dieser Geste des Vertrauens.
Kieran hob beschwichtigend die
Hände. »Danke für diese Information, deren Wert ich verstehe. Sie bleibt euer
Geheimnis. Von uns drohen euch weder Gefahr noch Verrat. Wir wollen in Frieden
leben. Und das bringt mich zurück zu der Frage, warum ihr hier seid.«
»Wir wurden hergeführt. Und
zwar wortwörtlich. Koschei wurde förmlich hergesogen. Vielleicht erklärst du es
selbst.« Valerian sah Graulöckchen auffordernd an.
Ich versuchte, mir einen Drachen vorzustellen, der zu ihm passte,
scheiterte jedoch kläglich. Nichts an ihm erinnerte an eine Feuer speiende
Echse. Bei dem Blick, den er mir zuwarf, geriet mein Herz erneut aus dem Takt.
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