Sonntag, 11. Mai 2025

[Schnipseltime] Übersinnliche Gefährten - Seelenverbunden von Sabine Reifenstahl


 

Schon wieder standen wir vor Rowenas Tür und abermals wurden wir von einem ihrer festen Subs eingelassen. Dieses Mal war ich vorbereitet.

Die drei Männer saßen immer noch auf dem Sofa. Rowena ihnen gegenüber auf einem Sessel. Ihr Blick richtete sich auf uns. »Kieran. Schön, dass du vorbeikommst. Ich wollte dir ohnehin Valerian vorstellen.«

Die Gäste erhoben sich.

Gespannt beobachtete ich, wie Kieran zuerst die Hand des Riesen drückte und ihm seinen Ausweis und die Kreditkarte zurückgab. Die beiden kleineren Kerle begrüßte er, ohne dass irgendetwas Ungewöhnliches passierte.

Koschei sah nur mich an, was mein Herz sofort wieder aus dem Takt brachte.

»Was seid ihr?« Kieran besaß das Feingefühl einer Dampfwalze. Statt die Sache diplomatisch anzugehen, holte er den Knüppel heraus. »Wenn du ein Dom bist, kann ich fliegen.«

Valerian lachte. »Kannst du es nicht? Ich schon.«

Erstaunt schaute ich ihn an. Er vermochte zu fliegen? Ob er sich wie unser Freund Maeron in einen Raben verwandeln konnte?

»Ganz ehrlich. Ich dachte immer, wir seien die einzigen Nichtmenschen in dieser Welt. Es ist unglaublich beruhigend zu erfahren, dass es viel mehr gibt.«

»Ist das so?«, erkundigte sich Kieran und warf Rowena einen missbilligenden Blick zu.

»Er ist in Ordnung, sonst hätte ich ihn nicht eingeladen. Setz dich bitte. Möchtest du etwas trinken?«

Kieran ging zu einem Sessel und ließ sich darauf nieder. Mich zog er mit und platzierte mich auf der Lehne. Sein Arm um meiner Hüfte versprach Sicherheit. »Einen Cognac und ein Wasser für Mischa. Bist du sicher, was ihre Ambitionen angeht?«

»Alle drei haben mir gestattet, von ihnen zu trinken. Vertrauen gegen Vertrauen. Sie wissen jetzt, was ich bin und ich, was sie sind. Von ihnen geht keine direkte Gefahr aus, obwohl sie hier alles in Schutt und Asche legen könnten.«

»Das käme uns nie in den Sinn«, wandte Valerian sofort ein. »Wir wollen niemandem schaden, und ich bürge für meine Freunde.«

Kieran schnaubte. »Und das sollte mich beeindrucken?«

»Möglicherweise. Ich bin ein recht angesehener Anwalt.«

»Advokaten sind eher nicht für ihre Vertrauenswürdigkeit bekannt. Wobei es da löbliche Ausnahmen gibt.«

»Du wirst feststellen, dass ich eine davon bin. Ich bin auch nicht um meinetwillen in euer Refugium eingedrungen, sondern für meinen Bruder und seinen Freund hier.« Valerian deutete zuerst auf den Rotschopf, dann auf Graulöckchen.

Mein Herz blieb stehen. Zumindest fühlte es sich so an. Schmerzgeplagt zuckte ich zusammen.

Tröstend streichelte mir Kieran über den Rücken.

»Darf ich eine persönliche, sehr wichtige Frage stellen?« Nachdenklich musterte uns Valerian.

»Fragen darf man immer«, antwortete Kieran ohne Begeisterung. Er nahm Rowenas Sub das Wasserglas ab und reichte es mir. Seine Haltung verriet Anspannung, obwohl er Gelassenheit vortäuschte und lässig an seinem Cognac nippte.

Die meisten Wandler mochten keinen Alkohol, er hatte sich das Faible für einen guten Tropfen, das er bereits als Sidhe hatte, seltsamerweise erhalten.

»Seid ihr ein Paar?«, erkundigte sich Valerian.

Koschei neigte den Oberkörper gespannt nach vorn. Eine beredte Geste, wen diese Information in Wahrheit interessierte.

»Nein. Mischa steht unter meinem Schutz. Deshalb bin ich hier. Ich will wissen, was vorgefallen ist. Und warum ihr hier seid. Und zuallererst, was ihr seid. Die Tatsache, dass ihr ein Gebäude mit vielen Menschen bedroht …«

»Das tun wir nicht«, unterbrach der Rotschopf. Ihm fehlte es im Gegensatz zu seinem Begleiter an simpelsten Höflichkeitsformen, die da lauteten, seinen Gesprächspartner ausreden zu lassen. Er wirkte auch nicht so in sich ruhend wie der Riese, der ihm die Hand beruhigend auf den Oberschenkel legte.

Mein Freund überging die Unhöflichkeit. »Muss ich mich wiederholen?«

»Wir sind Drachen.«

Ich erstarrte und betrachtete die drei Kerle. Ein hysterisches Lachen platzte aus mir heraus.

»Still!«, gebot Kieran scharf. »Was genau bedeutet das?«

»Ich bin Veyrik, Sohn von Valkan, dem letzten Feuerdrachen.«

Zumindest die Haarfarbe stimmte bei ihm. Neugierig sog ich die Luft ein. Aber abgesehen von Wandelwölfen, die häufig ein bisschen wie nasser Hund rochen, gab es nichts, woran man einen Wandler erkennen konnte. Bis er sich verwandelte.

»Drachen gehören ins Reich der Mythen, nahm ich bisher immer an.« Kieran trank einen weiteren Schluck Cognac und verschaffte sich so Bedenkzeit. »Das erklärt nicht, warum ihr hier seid und wie ihr uns auf die Schliche kamt.«

»Wir wussten nicht, dass sich hier Zauberwesen treffen.«

»Die meisten sind Menschen«, korrigierte Rowena.

»Ich bin ein Drachenhybrid«, bemerkte Valerian. »Nicht nur äußerlich unterscheide ich mich von Veyrik und meinen Geschwistern. Meine Eltern waren Menschen. Valkan verliebte sich in meine Mutter. Seine Herzmagie verwandelte sie. Mich traf die Magie im Mutterleib. Wir sind Gefangene zweier Welten, halb Mensch, halb Drache.«

»Bisher habt ihr euch gut versteckt. Ich nahm an, die Legenden von erlegten Drachen …«

Valerian sprang auf. »Das sind keine Legenden. Genau deshalb zeigen wir uns niemandem. Die Menschen haben die Drachen fast ausgerottet. Nur mein Vater Valkan ist übrig. Mit meiner Mutter gründete er ein Geschlecht von Halbdrachen, meine Familie. Sie darf nicht erneut Ziel des Hasses werden!«

Jetzt erst begriff ich das Ausmaß dieser Geste des Vertrauens.

Kieran hob beschwichtigend die Hände. »Danke für diese Information, deren Wert ich verstehe. Sie bleibt euer Geheimnis. Von uns drohen euch weder Gefahr noch Verrat. Wir wollen in Frieden leben. Und das bringt mich zurück zu der Frage, warum ihr hier seid.«

»Wir wurden hergeführt. Und zwar wortwörtlich. Koschei wurde förmlich hergesogen. Vielleicht erklärst du es selbst.« Valerian sah Graulöckchen auffordernd an.

Ich versuchte, mir einen Drachen vorzustellen, der zu ihm passte, scheiterte jedoch kläglich. Nichts an ihm erinnerte an eine Feuer speiende Echse. Bei dem Blick, den er mir zuwarf, geriet mein Herz erneut aus dem Takt.

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