Donnerstag, 10. April 2025

[Schnipseltime] Fallen - Ruf der Dunkelheit von Nikki Reva


 

Prolog – Kaytlin –

»Ich will sie!«, donnert eine laute, männliche Stimme durch den steinernen Gang. Die Worte hallen wider und vervielfältigen sich, sodass ich keine Ahnung habe, wo sich ihr Ursprung befindet.

Außer einiger Fackeln und eines roten Teppichs, der jeden meiner Schritte dämpft, sehe ich nur grauen Stein um mich herum. Ganz so, als wäre dieser Gang mitten in einen Berg geschlagen worden. Die Luft ist stickig und trocken. Jeder Atemzug kratzt in meiner Kehle und ich wünschte, ich hätte eine Flasche Wasser oder etwas ähnliches dabei.

Zögernd setze ich einen Fuß vor den anderen. Fahre mit den Fingerspitzen über die zerklüftete Wand und taste mich den Weg entlang. Alles sieht vollkommen gleich aus. Selbst die beiden Abzweigungen, an denen ich vorbeikomme, wirken identisch. Wird die Stimme lauter? Bewege ich mich auf sie zu? Ich kann es nicht genau sagen. Will ich überhaupt ihren Ursprung kennen? Sie klingt aggressiv. Schwer schluckend bleibe ich stehen. Wische mit zittrigen Bewegungen meine schweißnassen Hände an meinem T-Shirt ab.

»Sorgt dafür, dass sie nicht untertaucht.« Den Zorn in seiner Stimme spüre ich bis in meine Eingeweide. »Am besten bringt ihr sie hierher.«

»Sie müssen sich ausruhen, Eure Hoheit«, erwidert eine Frau. »Ihr seid noch zu schwach.«

»Sag mir nicht, was ich zu tun habe«, wird sie sofort zurechtgewiesen.

Inzwischen bin ich sicher, mich den Stimmen zu nähern. Sie werden lauter. Weit kann ich nicht mehr von ihnen entfernt sein. Schwindel erfasst mich, als ich mir eingestehen muss, sie zu kennen. Doch das ist unmöglich!

Halt suchend, stütze ich mich an der Wand ab. Nein, verdammt! Das kann nicht sein. Oder doch? Etwas in mir will die Wahrheit wissen. Ich brauche Gewissheit, auch wenn die Hoffnung, dass ich mich täusche, verschwindend gering ist.

Noch einmal atme ich tief durch. Sammle Mut, den lauter werdenden Wortfetzen zu folgen, bis zu einer schwarzgetäfelten Holztür, die zu meiner Rechten in die Wand eingelassen ist. Nur kurz betrachte ich die edlen Ornamente, die sowohl den Rahmen als auch die Tür selbst zieren. Sie wirken unpassend an einem Ort, an dem es nichts anderes als Fackeln und rauen Stein gibt.

Angestrengt lausche ich auf jedes Geräusch, das von der anderen Seite zu mir dringt. Schritte, das Schaben von Stuhlbeinen über den Boden und leises Rascheln von Papier. Automatisch hebe ich eine Hand und strecke sie nach der Klinke aus. Auf halbem Weg halte ich jedoch inne. Will ich wirklich wissen, was — oder besser gesagt, wer — mich dahinter erwartet? Alles in mir zieht mich in die entgegengesetzte Richtung. Weit weg von dieser Stimme, die wie Säure durch meine Adern schießt.

Unsicher werfe ich einen Blick in den leeren Gang hinter mir und trete einen Schritt zurück. Als mir auffällt, dass ich noch immer die Hand erhoben habe, presse ich die Lippen hart aufeinander. Nein, ich kann nicht einfach gehen, sondern brauche Gewissheit. Egal, wie diese aussehen mag. Ehe ich es mir anders überlegen kann, stoße ich die Tür mit einem Ruck auf. Lautstark knallt sie gegen die Wand. Der Mann, der mittig in dem hell erleuchteten Zimmer steht, schnellt zu mir herum. Der weiße Verband, der sich um seine Brust schlingt, springt mir sofort ins Auge. Doch dann wandert mein Blick zu seinem Gesicht. Wild fallen ihm dichte Strähnen in die rotfunkelnden Augen.

Keuchend weiche ich zurück. Pralle mit dem Rücken gegen den Fels und schlage eine Hand vor den Mund. Unglaube spiegelt sich auch in seinem Blick. Doch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann verzieht er den Mund zu einem schiefen Grinsen. Genau zu so einem, das noch vor wenigen Wochen meine Knie hat weich werden lassen.

In diesem Moment löst es allerdings nichts anderes als blankes Entsetzen in mir aus. Mein Fluchtinstinkt setzt ein und ich renne los.

»Haltet sie auf!«

Ich habe keine Ahnung, wem er diesen Befehl zubrüllt und es ist mir auch scheißegal. Bisher habe ich niemanden gesehen. Vielleicht ist er irre? Oder doch nur ein Trugbild? Zu spät bemerke ich den schwarzen Nebel, der durch die Spalten und winzigen Risse des Steinganges und Boden quillt. Doch als wenige Meter vor mir eine klauenbesetzte Hand daraus hervorragt und nach meinem Fuß greifen will, schreie ich auf und springe zur Seite. Entsetzt beobachte ich Ddutzende Dämonen, die sich aus den Schwaden herausschälen. Wie in meinen schlimmsten Albträumen bauen sie sich vor mir auf. Ihre schwarzen Augen sind starr auf mich gerichtet. Sie peitschen dornenüberzogene Schwänze in meine Richtung. Silberschwarze Hörner funkeln im Schein der Fackeln.

Ich traue meinen Augen kaum. Angst brodelt in jeder meiner Zellen, doch ich weiß, dass ich sie nicht zulassen darf. Nicht, wenn ich überleben will. Also klammere ich mich an das Bild des rothaarigen Mannes, der mir beinahe alles genommen hätte. Konzentriere mich darauf, was er mir angetan hat und nutze die Wut darüber, um Energie aus den Fackeln zu ziehen.

Ein Dämon direkt vor mir zieht zwei lange, gebogene Dolche aus dem Hosenbund und stürzt brüllend auf mich zu. Den Stacheln an seinen Handgelenken nach zu urteilen, bräuchte er diese gar nicht. Ungeachtet dessen, schleudere ich einen fußballgroßen Feuerball direkt auf seine Brust. Die Wucht des Aufpralls fegt ihn von den Füßen. Er fliegt nach hinten, knallt gegen einen zweiten Dämon und reißt ihn mit sich zu Boden.

Bevor ich den nächsten mein Feuer spüren lassen kann, hallt ein finsteres Grollen durch den Flur. Augenblicklich stoppe ich. Ich kenne dieses Geräusch. Habe es bereits etliche Male gehört und noch immer bringt es meine Knochen zum Vvibrieren. Schützend erschaffe ich eine deckenhohe Feuerwand vor mir, ehe ich nach hinten blicke. Ein riesiger Dämon mit Wolfsgesicht stapft zähnefletschend auf mich zu. Seine Hand umklammert mehrere Metallketten, an deren Enden sechs hungrig und wütend aussehende Halmasti zerren.

Mit einem leisen Klicken lösen sich die Leinen und die Höllenhunde springen auf mich zu. Mir ist bewusst, dass ich das niemals überleben kann. Es sind einfach zu viele. Gegen einen oder zwei hätte ich vielleicht eine Chance. Aber nicht gegen eine Horde ausgewachsener Dämonen und so viele Halmasti. Meine einzige Möglichkeit ist es, zu fliehen.

Ich wirble herum, schieße blindlings Feuerbälle um mich und sprinte den Gang hinab. Selbst der Echsendämon mit Dornenhandgelenken tritt grinsend beiseite. Scheinbar habe ich ihn vorhin nicht ernsthaft verletzt. Doch warum lassen sie mich so einfach durch? Ist das irgendein krankes Spiel? Egal, Hauptsache weg.

Eingehüllt in ein Flammenschild, wage ich es trotz allem nicht, auch nur einen von ihnen aus den Augen zu lassen, während ich an ihnen vorbeizische. Heißer Atem der Halmasti weht gegen meinen Nacken. Ich erwarte jeden Moment, ihre messerscharfen Zähne in meinem Fleisch zu spüren. Gehetzt ruckt mein Kopf nach hinten, als ich um eine Ecke biege. Mein Fuß tritt ins Leere. Eine steile Treppe bahnt sich den Weg hinab in die Dunkelheit. Ich verfehle die erste Stufe und verliere den Halt.

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