Sonntag, 16. Februar 2025

[Schnipseltime] Wolfram von Kim Tannhauser

 


»Der gewünschte Gesprächspartner kann den Anruf leider gerade nicht entgegennehmen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepton«, erklärte ihm die automatische Stimme schon zum fünften Mal an diesem Tag.

»Ach komm schon, du Boomer«, beschwerte sich Emil bei dem Apparat. »Es ist drei Uhr nachmittags. An einem Wochen-ende. Nimm endlich ab!«

»Vielleicht ist genau das dein Problem«, bemerkte die Verkäuferin, die seine Unterhaltung mitgehört hatte. »Die wenigsten Chefs wollen die Stimmen ihrer Rotzlöffelazubis am Wochenende hören.«

»Erstens bin ich kein Azubi, sondern Werksstudent, zweitens hat der Herr Chef mir Freitagabend ohne Vorwarnung die Kün-digung gemailt. Da werde ich wohl ein Recht auf eine Antwort haben. Außerdem«, Emil grinste und blickte auf, »hallo erstmal und wie geht es dir, liebe ehemalige Frau Nachbarin ... oder hast du mich etwa nicht erkannt?«

Die rothaarige Kioskmitarbeiterin zog in der Tat ein Gesicht, als hätte sie Emil noch nie zuvor gesehen.

»Ich bins. Emil«, versuchte er, ihr auf die Sprünge zu helfen. »Wir haben in der Marxstraße nebeneinander gewohnt. Wie geht es Joel?« Nun schien er wirklich das Falsche gesagt zu haben, denn der Verkäuferin, bei der er sich nun hundertpro-zentig sicher war, dass es sich um seine ehemalige Nachbarin Frau Vega handelte, fiel die Farbe vom Gesicht.

»Das macht dann drei Euro siebenundvierzig«, nuschelte sie und schob Emils Einkauf im Akkordtempo in eine Tüte.

Emil blickte sie argwöhnisch an. Dann beschloss er, sich geschlagen zu geben, zu bezahlen und den Kiosk zu verlassen. Und ein anderes Mal zurückzukommen, um etwas genauer nachzubohren. Wie sagte seine Sherlock Holmes liebende Oma immer so schön? An ihm war ein Detektiv verloren gegangen. Wo er wieder beim eigentlichen Problem war. Was hatte es mit dieser plötzlichen fristlosen Kündigung auf sich? Natürlich nannte das Schreiben einen juristisch wasserfesten Grund – sein Chef hatte schließlich einen Ruf als renommierter Anwalt. Trotz-dem stank die Sache gewaltig zum Himmel. Und das Ganze klang mehr wie an den Haaren herbeigezogen – besonders für Leute, die den eigentlichen Sachverhalt kannten: Also ihn und einen gewissen Daniel Klimm. Emil brannte darauf, der Sache auf den Grund zu gehen.

 


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