Freitag, 4. Oktober 2024

[Schnipseltime] Unfinished von Juliane Schiesel

 

„Nein!“, knurrte sie das störrische Grünzeug an und zog noch mal mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte. Es fühlte sich an, als hätte sie es fast geschafft! Der Strauch kam ihr entgegen, die Wurzeln lösten sich aus dem feuchten, aber noch gefrorenen Erdreich. Und dann rutschten Graces Hände an den dünnen Ästen ab. Sie sah noch, wie der Strauch zurückfederte, dann landete sie auch schon mit dem Hintern auf dem Boden.

„Was verdammt tun Sie da?“ Plötzlich waren da starke Arme, die ihr aufhalfen. Blaue Augen, die sie mit einer Mischung aus Irritation und Reserviertheit anblickten. Blonde Haare, die wirr vom Kopf abstanden. Ein Duft nach frisch geduschtem Mann. Automatisch atmete sie tief ein. Oh Gott, sie war genauso verrückt wie die Protagonistinnen in ihren Geschichten aus der Vor-Annabelle-reitet-meinen-Freund-Zeit!

Grace entwand sich seinen Armen, richtete sich endgültig auf und klopfte den Schmutz an ihrem Hintern ab. Sie stockte, krallte ihre Hand in den erstaunlich weichen Stoff der Hose und stellte mit Erschrecken fest, dass sie noch immer ihren Schlafanzug trug. Sie schluckte. Wo war ein Tornado, wenn man ihn brauchte? Der Pyjama war wunderbar weich. Aber auch rosafarben mit lachenden Regenbögen drauf. „Unkraut jäten“, sagte sie mit so viel Stolz, wie sie aufbringen konnte und hob den Kopf ein Stückchen höher.

„Unkraut … jäten? Das sind Stachelbeeren und kein Unkraut!“ Ihr Nachbar blickte sie noch immer derart irritiert an, dass Grace nur mühsam ein Lachen unterdrücken konnte. Die Wut auf Bob flaute ab und sie schämte sich nur noch ein kleines bisschen für ihren Aufzug. Diesmal war sie auch nur ein wenig erschrocken, dass dieser Mann sich schon wieder angeschlichen hatte.


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