Buchvorstellung einmal anders
Ich drehe den Kindle hin und her und öffne schließlich das darauf enthaltene Buch. Es ist genau das um das es heute gehen soll. „Touch of Utopia“ von Vanessa Carduie, E.F. von Hainwald, A.C Loclair und Chii Rempel. Ich beginne ein wenig darin zu schmökern. Nach einigen Minuten höre ich ein feines Stimmchen: »Hast du denn überhaupt keine Fragen? Sie werden nicht kommen. Interview einfach mich, deshalb bin ich ja da!«
Ich lache laut auf, denn ich liebe es mit Büchern zu reden und wer weiß neben den Autoren am meisten über das Buch? Vermutlich das Buch selbst. Also, dann lege ich mal los. 😊
Hallo, danke, dass du heute Zeit gefunden hast, um mit mir zu reden.
Sehr gern. Ich freue mich, wenn jemand mit mir kommuniziert. In deiner Zeit ist die Technik ja noch nicht so fortgeschritten.Kannst du dich meinen Lesern vorstellen? Vielleicht in eigenen Worten, da die Leser den Klappentext auf der Verkaufsplattform lesen können?
Ich kann es gern versuchen. In mir gibt es vier ganz unterschiedliche Geschichten zu entdecken. Es gibt Weltraumabenteuer und ein mysteriöses Teehaus, Zeitreisen und heiße schottische Lords, eine verliebte KI und auch eine düstere, vielleicht gar nicht so weit entfernte Zukunft, in der übernatürliche Wesen eine Rolle spielen.In deinem Inneren spielt sich ja so einiges ab, die in dir enthaltenen Charaktere erleben so einiges. Da du ja auch viel mit den Autoren zusammenarbeiten musst, kannst du uns vielleicht beantworten, ob es ihnen leichter fällt sie durch einfache, schöne oder schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu führen?
Puh, da ich eine Anthologie bin und es sich um vier Autorinnen und Autoren handelt, ist das nicht so leicht zu beantworten. Wenn ich mir jedoch überlege, was die Charaktere alles erleben und erdulden müssen … Ich würde sagen, die vier haben auf jeden Fall einen Hang dazu, ihre Protagonisten zu quälen. Ob sie das mit Freude tun, tja, das können nur sie beantworten. Aber sie geben sich Mühe, es wiedergutzumachen.Hast du eine oder mehrere Lieblingsstelle, die du uns gerne vorstellen würdest?
Weißt du wie viel deiner Autoren tatsächlich in dir oder auch in dem ein oder anderen Charakter steckt?aus „Refabricated“ von Chii Rempel:In dem kurzen Leben, das ich mein Eigen nennen durfte, hatte nichts für mehr Verwirrung und Bauchschmerzen gesorgt als das bloße Dasein dieses jungen Mannes namens Storm. Ich ertappte mich regelmäßig dabei, wie ich nach seiner Hand greifen wollte, obwohl er mir deutlich gemacht hatte, dass meine Berührung nicht willkommen war. Nicht nur einmal musste ich bewusst meinen Blick von ihm lenken, wenn ihn das Licht eines neuen Planeten traf und sich seine Augen mit Wunder füllten. Selbst seine bloße Anwesenheit war so anziehend für mich, dass ich konstant den Drang unterdrücken musste, ihn zu berühren. Mir war bewusst, wieso mein Körper sich nach ihm sehnte, doch es erschloss sich mir nicht, wie mein Verstand jemanden vermissen konnte, der mir nie mehr als eine Handvoll Worte entgegengebracht hatte.aus „Skinwalker“ von E.F. von Hainwald:Schmunzelnd blickte Noa ihm hinterher und ertappte sich dabei, wie er Gefallen an Rakus breiten Schultern und den Bewegungen seiner Schulterblätter fand. Ein warmes Kribbeln wirbelte durch seinen Bauch und die Vorstellung, ihn die Wirbelsäule hinabzuküssen, fand sein Körper ziemlich aufregend.Noas Lächeln erstarb. Er wandte sich ab und blickte zum fernen Horizont. Die Nahtstelle, an der sich Ozean und Himmel miteinander zu verbinden schienen, jedoch niemals Eins sein konnten, lenkte seine Gedanken auf seine wahre Natur. Noa beugte sich vor und blickte auf sein Spiegelbild im Meer. Es war nur ein undeutlicher Schemen, dennoch zeigte es die ungeschönte Wahrheit.Ein grünes und ein graues Auge sahen ihm entgegen. Lenns Gesicht.aus „Grace of Time“ von A.C. LoClair:Rex sprang auf und lief die lange Treppe hinauf, fest davon überzeugt, Avery zu finden.»Himmel, er ist genauso naiv, wie er stark ist«, murmelte Hannes, in der Hoffnung, Rex würde gesund und munter zu ihm zurückkehren.Ein Leben ohne ihn wäre undenkbar. Ein Schaudern erfasste Hannes. Er hatte Angst um seinen Freund. Es kribbelte in seinem Herzen, in der kleinsten Zehenspitze, in jeder Fingerkuppe, scheinbar in jeder Haarwurzel und verpasste ihm eine mächtige Gänsehaut. Hier in diesem Drecksloch erkannte er, was Rex ihm bedeutete, wie sehr er ihn in seinem Leben brauchte und genoss. Tränen stiegen ihm in die Augen und er starrte auf die Treppe, in der Hoffnung, Rex würde in eben dieser Minute wieder zu ihm herunterpoltern. Doch außer dem Zischen und Knacken, Krachen und Scheppern oben zusammenfallender Gebäude herrschte schon fast eine gespenstische Ruhe hier unten.aus „Red Moon Rising“ von Vanessa Carduie:Ein seltsames Prickeln lässt mich innehalten. Unauffällig versuche ich, die Ursache dafür zu finden, doch mir fällt nichts Besonderes auf. Ich will mich schon durch die Menge zum hinteren Bereich schlängeln, als ich wie vom Blitz getroffen innehalte.Ein Mann in einem eleganten schwarzen Anzug lehnt neben der verspiegelten Glasfront an der Balustrade, die sich hoch über dem eigentlichen Clubraum erstreckt. Seine dunklen Haare sind an den Seiten kurz geschnitten und am Oberkopf länger, so wie es gerade Mode ist, und das weiße Anzughemd am Kragen geöffnet. Seine ganze Erscheinung zeugt von Macht und Geld.Obwohl es bei dieser Entfernung unmöglich sein sollte, kreuzen sich unsere Blicke. Wieder erfüllt mich dieses seltsame Prickeln, das zu meinem Erstaunen stärker wird. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Mir wird heiß und kalt, als mich der Fremde eingehend mustert. Er ist wirklich attraktiv, doch ich wehre mich gegen diese Faszination.Verdammt! Was ist nur los mit mir?! Ich habe keine Zeit für Spielchen, erst recht nicht mit irgendeinem Blutsauger. Melina braucht mich.
Die eine oder andere Eigenschaft werden sie ihren Protagonisten schon mitgegeben haben. 😉 Davon abgesehen, sind die Charaktere fiktiv und jeder interpretiert da etwas anderes hinein.Wie würdest du oder ihre Charaktere / Protagonisten / Antagonisten / Nebendarsteller die Autoren beschreiben?
Ich denke, was alle vier eint, ist die Liebe für vielschichtige Charaktere und ihre Begeisterung für besondere Geschichten. E.F. von Hainwald hatte die Idee und A.C. LoClaire, Chii Rempel und ganz spontan auch noch Vanessa Carduie mit ins Boot geholt. Auf jeden Fall haben sie einen Hang dazu, ihre Protagonisten in schwierige Situationen zu bringen. Langweilig dürfte beim Lesen also niemandem werden.Wie seid ihr eigentlich zum Titel gekommen? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du viel Mitspracherecht?
Der Titel hat sich gegen Ende des Entstehungsprozesses ergeben. Die vier Autoren haben sich untereinander abgesprochen und auf diese Version geeinigt. Es lief alles erstaunlich entspannt und harmonisch ab. Er ist auch eine Anspielung, denn obwohl es sich um queere Protagonisten handelt, ist die sexuelle Orientierung/Identität kein großes Thema. Dafür gibt es andere Probleme, die es zu lösen gilt.Bist du zu 100% zufrieden mit deinem Cover / Outfit oder würdest du nachträglich gerne etwas ändern wollen?
Nein, ich bin sehr zufrieden. Als Taschenbuch gefalle ich mir noch besser (, wobei es in meiner Zeit so gut wie keine geduckten Bücher mehr gibt). Die Gestaltung von Cover und Innenleben ist ein Gesamtkunstwerk, denn jede Geschichte hat ihr eigenes Innencover und passende Grafiken dazu. Es war auch gar nicht so einfach, ein Cover zu finden, dass zu vier so unterschiedlichen Geschichten passt. Aber auch das ist gelungen.Zum Abschluss würde mich noch dein Lieblingszitat aus dem Buch interessieren.
Die Leute, die an mir vorbeigehen, sehen mich schon komisch an, deshalb höre ich auf zu reden und lächle den Personen einfach zu. Aber ich lasse es mir nicht nehmen, noch einmal kurz zum Buch »Danke, für deine Geduld und Antworten« zuzuflüstern.Diesmal entscheide ich mich für ein Zitat aus „Red Moon Rising“ von Vanessa. Es ist so schön düster und beschreibt die verzwickte Lage von Josh perfekt.„Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken, als ich an den hiesigen Unterweltboss denke: Alec Black. Persönlich bin ich ihm noch nicht begegnet, doch es wird gemunkelt, dass er überall seine blutigen Finger im Spiel hat: Drogen, Prostitution, Menschenhandel, Bestechung. Auch vor Mord soll er nicht zurückschrecken, doch bisher konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Diesem Xeno will wahrscheinlich niemand begegnen. Wenn die Gerüchte stimmen, könnte es sehr gut sein, dass man dies auch nicht überlebt.Perfekte Aussichten für mich, denke ich und lehne mich gegen die kalte Hauswand. Das Gitter der Feuerleiter über mir ist symbolisch für meine Situation, wie ich mit einem ironischen Lächeln feststelle. Melina leiden lassen oder mich als Cop unter Xenos wagen? Was für eine grandiose Auswahl.“
Dann vertiefe ich mich wieder in das Buch.
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