Donnerstag, 1. Juni 2023

[Schnipseltime] Ein Inselsommer zum Verlieben von Rosita Hoppe


 

Gemächlich und vor sich hin pfeifend, schlenderte Simon zurück zum Restaurant, wo sein Auto auf ihn wartete. Nicht zu fassen. Dieser Abend hatte sich besser entwickelt, als er es für möglich gehalten hatte. Über das angebliche Interesse seiner ehemaligen Mitschüler konnte er nur müde grinsen. Er hatte sie alle von Anfang an durchschaut und ihr kumpelhaftes Getue war an ihm abgeprallt. Die Begegnung mit dem einzigen Menschen, der ihm damals die Schulzeit erträglich gemacht hatte, hatte ihm diesen Abend gerettet. Susanna. Hübsch war sie. Sogar mehr als das. Das eng anliegende schwarze Kleid schmiegte sich um ihren perfekt geformten Körper und brachte ihre schulterlangen, golden schimmernden Haare perfekt zur Geltung. Schon in der Schule hatten ihn ihre blonden Haare fasziniert, obwohl sie sie damals oft zu einem Zopf zusammengefasst getragen hatte. Inzwischen war aus dem leuchtenden Blond eher ein Goldton geworden, der wunderbar mit ihrer leichten Bräune harmonierte. Sie hatten so intensiv miteinander geplaudert, als gäbe es die vielen Jahre, die sie sich nicht gesehen hatten, gar nicht. Obwohl er bemerkt hatte, dass sein jetziges Aussehen sie anfangs irritierte, verlief ihr Gespräch recht schnell in vertrauten Bahnen. Es tat ihm leid, dass ihr Leben gerade chaotisch war. Sie hatte sicher anderes verdient.

Ein bisschen bedauerte er, dass sich ihre Wege gleich nach dem Klassentreffen getrennt hatten. Vielleicht hätten sie noch die eine oder andere Lokalität ansteuern können, um weiter zu quatschen, wenn sie sich für den Abend nicht bei Inga einquartiert hätte. Wenigstens hatte sie ihm ihre Telefonnummer gegeben. Er würde sie anrufen, auch wenn ihn das Gefühl beschlich, dass Susanna das vermutlich nicht glaubte.

In ihm keimte der Gedanke auf, dass er ihr auf irgendeine Weise helfen sollte – auch wenn er noch keinen Schimmer hatte, wie. Überhaupt wusste er nicht, wie er sich verhalten sollte. Vorhin, als sie sich verabschiedet hatten, hatte er eine Sekunde lang den übermächtigen Drang gespürt, sie zu küssen. Eine Tatsache, die ihn mächtig verwirrte. Auch wenn es mit Katja momentan nicht so gut lief und sie beide sogar eine kurze Beziehungspause hinter sich hatten, sollte er nicht gleich eine andere Frau küssen wollen.

Gerade, als er das Restaurant erreichte, stolperten zwei seiner ehemaligen Mitschüler, sichtbar angetrunken, aus dem Eingang. Ausgerechnet die beiden miesesten Typen von einst.

»Hallo Kumpel, auch noch da?«, rief Freddy lautstark quer über den Platz.

Es hatte wenig Zweck so zu tun, als würde er sie nicht bemerken.

»Wo willste denn so schnell hin?«, rief nun auch René. »Haste Lust aufn Bier?«

Der konnte ja nicht mal mehr unfallfrei sprechen. »Nö, lasst mal. Ich muss los«, wehrte Simon ab und beobachtete argwöhnisch, wie die beiden ausgerechnet in die Richtung torkelten, wo sein Schätzchen parkte.

»Ei, guck mal, Freddy. Was ist das denn für ein Schlitten? Heilige Scheiße, das is’n Lambo … Wie kommt der denn ausgerechnet hierher?«

Verdammter Mist. Bloß nicht anfassen! Sein Magen krampfte sich zusammen, als die beiden den Wagen umrundeten und versuchten, ins Innere zu sehen.

»Nehmt eure Finger weg!«

»Wieso? Wir wollen nur mal gucken.« René winkte umständlich. »Komm her, so einen Schlitten haste vermutlich auch noch nicht von Nahem gesehen.«

Simon zog den Schlüssel aus seiner Hosentasche und drückte auf die automatische Türentriegelung. Von dem plötzlichen Geräusch irritiert, sprangen die beiden einen halben Meter zurück. »Macht euch vom Acker und schlaft euren Rausch aus«, gab er ihnen mit auf den Weg. Er hätte zu gern in ihre Gesichter gesehen, als er die Fahrertür öffnete und sich auf den Sitz gleiten ließ. Dummerweise hatte er hinten keine Augen.

»Haste das gesehen?«, murmelte René.

Simon schloss die Tür, damit er sich ihr Gebrabbel nicht weiter anhören musste. Um sie ein bisschen aufzuscheuchen, trat er einen Tick fester aufs Gaspedal als üblich und sah im Außenspiegel, wie sie beiseite stolperten. Er hielt ja nichts davon, mit dem zu protzen, was er sich erarbeitet hatte, aber so ein kleines bisschen Genugtuung für die Schmach, die sie ihm während der Schulzeit angetan hatten, sollte ihm vergönnt sein.

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