„Hey Max, was
führt dich denn hierher?“
Ertappt drehe ich
mich zu der Stimme um und entdecke Marie hinter der Theke. Kurz wundere ich
mich über dieses merkwürdige Gefühl, denn ich bin recht häufig hier und habe keinen Grund, mich zu
verstecken. Das Insomnia ist ein
Nachtclub, der nicht nur bei den Bewohnern der Schattenwelt sehr beliebt ist.
Die junge Werwölfin lächelt mich freundlich an und automatisch erwidere ich das
Lächeln, denn ich mag Marie.
„Bist du auf der
Suche nach Ablenkung oder einem Snack? Oder hast du einen Termin mit Seth?“
Lässig lehne ich
mich zu ihr an die Theke und versuche, meine innere Unruhe zu vergessen.
Irgendetwas ist heute merkwürdig. Ich kann nur nicht benennen, was es ist.
Seth ist der
Besitzer des Insomnia und Teilhaber
des Dark Delights, außerdem auch ein
guter Freund von mir, daher kenne ich alle Angestellten und sie mich.
„Ersteres. Ich
war schon eine Weile nicht mehr hier“, sage ich.
„Stimmt. Wie
läuft’s im Dark Delights?“
„Gut“, antworte
ich wahrheitsgemäß. „Der Ansturm besteht nach wie vor, obwohl wir jetzt schon
ein paar Jahre dabei sind. Sogar unsere anspruchsvolleren Gäste sind nach wie
vor zufrieden.“
„Das freut mich
und es wundert mich überhaupt nicht. Das Dark
Delights ist wirklich etwas Besonderes.“
„Das höre ich
natürlich gern. Komm doch einfach mal wieder mit Vlad vorbei oder mach dir mit
Emilia einen entspannten Abend“, schlage ich vor. „Sagt mir vorher nur
Bescheid, dann reserviere ich euch einen Tisch.“
„Das ist eine
gute Idee, danke!“
Die Barkeeperin
strahlt mich an und ihre grünen Augen leuchten förmlich vor Begeisterung. In
Momenten wie diesen kommt Maries wirkliche Schönheit erst richtig heraus, wie
ich meine. Denn sie selbst empfindet sich oft als unscheinbar, obwohl sie
deutlich aufgeblüht ist, seitdem sie mit Vlad zusammen ist. Mit ihren roten
Haaren, den Sommersprossen im Gesicht und der rosigen Haut ist Marie wirklich
ein Hingucker. Ich mag ihre Natürlichkeit und ihr offenes, freundliches Wesen,
das sie zu einer perfekten Barkeeperin macht.
Männliches Johlen
lässt uns beide zur Tanzfläche blicken. Eine zarte, schwarz gekleidete Gestalt
ist auf einen der Blöcke geklettert, auf denen sich zu speziellen Anlässen
Tänzerinnen und Tänzer zur Musik rekeln. Wie diese lässt die junge Frau ihre
Hüften kreisen und gibt sich vollkommen dem Beat der Musik hin. Einigen Kerlen
gefällt das offenbar sehr gut, wie man anhand der Pfiffe und Anfeuerungsrufe
deutlich erkennen kann. Erst will ich es abtun, schließlich habe ich in den
vergangenen Jahrhunderten so einiges gesehen und auch schon viel mehr nackte
Haut, als die jungen Menschen, die sich nun um den Block herumdrängen, um
möglichst nah an der Show zu sein.
Mehr aus Neugier
betrachte ich die junge Frau nun auch genauer und erstarre. Kurz wundere ich
mich über diese ungewöhnliche Faszination, doch dann übernimmt meine dämonische
Seite.
Anscheinend
habe ich gerade die passende Ablenkung und möglicherweise einen Snack gefunden, denke ich.
Wie gebannt
starre ich die Tänzerin an und verfolge gierig jede ihrer Bewegungen.
Instinktiv reagiert mein Körper auf dieses erotische Schauspiel und ich spüre,
wie mein Jagdtrieb erwacht.
Ich will diese
junge Frau!
Als das
Scheinwerferlicht ihr Gesicht beleuchtet, bin ich wie vom Donner gerührt. Diese
freche blaue Haarpracht kenne ich nur zu gut.
Verdammt!
Ausgerechnet sie. So viel zum Thema Ablenkung.
„Betty!“
„Du kennst sie?“,
fragt Marie und wirkt besorgt.
„Ja. Sie arbeitet
bei mir – als Spenderin.“
Forschend blicke
ich die Werwölfin an. „Was ist? Denkst du, sie bekommt Ärger mit der Security?“
Marie schüttelt
den Kopf. „Das nicht, aber dieses ungehemmte Verhalten passt nicht zu ihr. Ich
habe ihr den ganzen Abend nur alkoholfreie Cocktails gemixt und bevor sie auf
der Toilette verschwunden ist, wirkte sie eigentlich eher niedergeschlagen. Das
kann nicht mehr als zehn Minuten her sein. Dieser plötzliche Stimmungswandel
ist merkwürdig. So habe ich sie noch nie erlebt und sie ist hier Stammgast.
Diese junge Dame nimmt keine Drogen, sonst könnte sie ja auch nicht bei dir
arbeiten. Aber vielleicht hat da jemand nachgeholfen …“
Mit gerunzelter
Stirn greift Marie nach einem herrenlosen Cocktailglas, das nicht weit von mir
entfernt steht, und schnuppert daran. „Das riecht merkwürdig.“
Bei ihren Worten
durchfährt mich kalte Wut. „Denkst du, ihr hat jemand etwas untergejubelt?“
Marie nimmt den
Drink und stellt ihn hinter die Theke. Beweismittel darf man schließlich nicht
entsorgen. „Definitiv. Egal, wie gut sie drauf ist, aber das würde keine tun,
die bei klarem Verstand ist.“ Sie deutet auf die Tanzfläche.
Erschrocken sehe
ich, wie Betty beginnt, sich ihres Oberteils – einer schwarzen,
spitzenbesetzten Corsage – zu entledigen, und damit die Herren zu ihren Füßen
zum Ausrasten bringt. Bevor ich weiß, was ich tue, überwinde ich die Distanz
zwischen uns und zerre sie blitzschnell von dem Show-Block herunter. Die junge
Frau fällt mir förmlich in die Arme. Sofort weht mir ihr appetitliches Aroma
entgegen und triggert den Hunger, den ich jedoch hartnäckig bekämpfe.
Betty ist
tabu!
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