Samstag, 15. April 2023

[Schnipseltime] Dark Delight - Dunkle Vergangenheit von Vanessa Carduie


 

„Hey Max, was führt dich denn hierher?“

Ertappt drehe ich mich zu der Stimme um und entdecke Marie hinter der Theke. Kurz wundere ich mich über dieses merkwürdige Gefühl, denn ich bin recht häufig hier und habe keinen Grund, mich zu verstecken. Das Insomnia ist ein Nachtclub, der nicht nur bei den Bewohnern der Schattenwelt sehr beliebt ist. Die junge Werwölfin lächelt mich freundlich an und automatisch erwidere ich das Lächeln, denn ich mag Marie.

„Bist du auf der Suche nach Ablenkung oder einem Snack? Oder hast du einen Termin mit Seth?“

Lässig lehne ich mich zu ihr an die Theke und versuche, meine innere Unruhe zu vergessen. Irgendetwas ist heute merkwürdig. Ich kann nur nicht benennen, was es ist.

Seth ist der Besitzer des Insomnia und Teilhaber des Dark Delights, außerdem auch ein guter Freund von mir, daher kenne ich alle Angestellten und sie mich.

„Ersteres. Ich war schon eine Weile nicht mehr hier“, sage ich.

„Stimmt. Wie läuft’s im Dark Delights?“

„Gut“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Der Ansturm besteht nach wie vor, obwohl wir jetzt schon ein paar Jahre dabei sind. Sogar unsere anspruchsvolleren Gäste sind nach wie vor zufrieden.“

„Das freut mich und es wundert mich überhaupt nicht. Das Dark Delights ist wirklich etwas Besonderes.“

„Das höre ich natürlich gern. Komm doch einfach mal wieder mit Vlad vorbei oder mach dir mit Emilia einen entspannten Abend“, schlage ich vor. „Sagt mir vorher nur Bescheid, dann reserviere ich euch einen Tisch.“

„Das ist eine gute Idee, danke!“

Die Barkeeperin strahlt mich an und ihre grünen Augen leuchten förmlich vor Begeisterung. In Momenten wie diesen kommt Maries wirkliche Schönheit erst richtig heraus, wie ich meine. Denn sie selbst empfindet sich oft als unscheinbar, obwohl sie deutlich aufgeblüht ist, seitdem sie mit Vlad zusammen ist. Mit ihren roten Haaren, den Sommersprossen im Gesicht und der rosigen Haut ist Marie wirklich ein Hingucker. Ich mag ihre Natürlichkeit und ihr offenes, freundliches Wesen, das sie zu einer perfekten Barkeeperin macht.

Männliches Johlen lässt uns beide zur Tanzfläche blicken. Eine zarte, schwarz gekleidete Gestalt ist auf einen der Blöcke geklettert, auf denen sich zu speziellen Anlässen Tänzerinnen und Tänzer zur Musik rekeln. Wie diese lässt die junge Frau ihre Hüften kreisen und gibt sich vollkommen dem Beat der Musik hin. Einigen Kerlen gefällt das offenbar sehr gut, wie man anhand der Pfiffe und Anfeuerungsrufe deutlich erkennen kann. Erst will ich es abtun, schließlich habe ich in den vergangenen Jahrhunderten so einiges gesehen und auch schon viel mehr nackte Haut, als die jungen Menschen, die sich nun um den Block herumdrängen, um möglichst nah an der Show zu sein.

Mehr aus Neugier betrachte ich die junge Frau nun auch genauer und erstarre. Kurz wundere ich mich über diese ungewöhnliche Faszination, doch dann übernimmt meine dämonische Seite.

Anscheinend habe ich gerade die passende Ablenkung und möglicherweise einen Snack gefunden, denke ich.

Wie gebannt starre ich die Tänzerin an und verfolge gierig jede ihrer Bewegungen. Instinktiv reagiert mein Körper auf dieses erotische Schauspiel und ich spüre, wie mein Jagdtrieb erwacht.

Ich will diese junge Frau!

Als das Scheinwerferlicht ihr Gesicht beleuchtet, bin ich wie vom Donner gerührt. Diese freche blaue Haarpracht kenne ich nur zu gut.

Verdammt! Ausgerechnet sie. So viel zum Thema Ablenkung.

„Betty!“

„Du kennst sie?“, fragt Marie und wirkt besorgt.

„Ja. Sie arbeitet bei mir – als Spenderin.“

Forschend blicke ich die Werwölfin an. „Was ist? Denkst du, sie bekommt Ärger mit der Security?“

Marie schüttelt den Kopf. „Das nicht, aber dieses ungehemmte Verhalten passt nicht zu ihr. Ich habe ihr den ganzen Abend nur alkoholfreie Cocktails gemixt und bevor sie auf der Toilette verschwunden ist, wirkte sie eigentlich eher niedergeschlagen. Das kann nicht mehr als zehn Minuten her sein. Dieser plötzliche Stimmungswandel ist merkwürdig. So habe ich sie noch nie erlebt und sie ist hier Stammgast. Diese junge Dame nimmt keine Drogen, sonst könnte sie ja auch nicht bei dir arbeiten. Aber vielleicht hat da jemand nachgeholfen …“

Mit gerunzelter Stirn greift Marie nach einem herrenlosen Cocktailglas, das nicht weit von mir entfernt steht, und schnuppert daran. „Das riecht merkwürdig.“

Bei ihren Worten durchfährt mich kalte Wut. „Denkst du, ihr hat jemand etwas untergejubelt?“

Marie nimmt den Drink und stellt ihn hinter die Theke. Beweismittel darf man schließlich nicht entsorgen. „Definitiv. Egal, wie gut sie drauf ist, aber das würde keine tun, die bei klarem Verstand ist.“ Sie deutet auf die Tanzfläche.

Erschrocken sehe ich, wie Betty beginnt, sich ihres Oberteils – einer schwarzen, spitzenbesetzten Corsage – zu entledigen, und damit die Herren zu ihren Füßen zum Ausrasten bringt. Bevor ich weiß, was ich tue, überwinde ich die Distanz zwischen uns und zerre sie blitzschnell von dem Show-Block herunter. Die junge Frau fällt mir förmlich in die Arme. Sofort weht mir ihr appetitliches Aroma entgegen und triggert den Hunger, den ich jedoch hartnäckig bekämpfe.

Betty ist tabu!

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