Always Differently: Früchtchen
an Bord
XXL -Textschnipsel
Vorwort
Hi, ich bin’s,
Baby-Schatz. Ich gehe davon aus, dass dies mein Name ist. Zumindest nennen mich
alle so, mal Baby, mal Schatz. Sie sind sich nicht ganz einig, vielleicht ist
das aber auch irgend so ein neumodischer Doppelname. Heutzutage machen sie ja
aus fast allem einen Namen.
Hab mal gehört,
wie ein Mann eine Frau mit Alte Schachtel angesprochen hat. Vollkommen
verrückt, sag ich dazu. Der Vorname war ja noch einigermaßen passend, denn die
hatte schon mindestens zwanzig oder dreißig Jahre auf dem Buckel. Aber der
Nachname Schachtel, ich weiß ja nicht.
Wer die alle sind, woher soll ich das
wissen? Hab sie noch nie gesehen, immer nur gehört.
Warum? Na, weil ich noch nicht draußen bin. Ich habe mich in der letzten Zeit
so daran gewöhnt, dass ich beschlossen habe, noch ein bisschen hierzubleiben.
Kapitel
3
Ich
habe kein Wahlrecht
Es gibt Kinder, die können
selbst bestimmen, wann sie zur Welt kommen. Habe ich von denen da draußen
gehört. Sie haben sich laut darüber unterhalten. Und da ist es nur natürlich,
dass ich das auch will. Die Frage erübrigt sich also.
Und doch läuft
bei mir mal wieder nichts reibungslos. Sie wollen es mir verbieten und mir
offensichtlich das Recht auf Mitsprache verweigern. Warum? Das ist mir noch
nicht ganz klar. Allerdings habe ich da eine Vermutung. Sie haben keine Hobbys
und ihr einziges Vergnügen besteht aus reiner Schikane. Vielleicht ist auch die
Schikane deren Hobby. So oder so. Jedes Mal, wenn ich auf die treffe, wollen
sie mich bespitzeln oder aus meiner Wohnung rauswerfen. So etwas ist doch nicht
normal.
In letzter Zeit attackieren sie mich
sogar mit Stinkbomben, aber dazu komme ich gleich.
Ich nehme an, die treffen ihre
Auswahl rein zufällig, nur dummerweise fiel sie dabei
diesmal auf mich. Anders kann ich mir diesen Zirkus nicht erklären.
»Das
ist Mobbing. Nicht mit mir«, brülle ich und kann es kaum fassen. »Dafür habt
ihr euch den Falschen ausgesucht. Verpisst euch oder ich nehme mir ’nen Anwalt.
Dann verklage ich euch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.« Doch mein Mund
ist voll mit Fruchtwasser und so blubbere ich nur.
Ich glaube ganz fest daran. Denn ich
bin der Meinung, auch ich habe Rechte. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen,
alles zu tun, damit sie mich nicht zwischen ihre Finger bekommen. Wie ich
jedoch weiterhin feststellen muss, ist das nicht so einfach.
Die Mama geht ziemlich oft in so ein
Haus. Sie nennt es Geburtshaus und findet es da gemütlich.
Das sagt sie zumindest andauernd. Sie trifft sich dort immer mit einer anderen
Frau. Der Name von ihr ist Hebamme und manchmal heißt sie Hanni. Mama hat aber
auch schon Hebamme-Hanni zu ihr gesagt. Keine Ahnung, wie die nun tatsächlich
heißt. Jedenfalls finde ich sie sympathisch. Und das liegt nicht nur an ihrer
Stimme, sondern sie steht auf meiner Seite – als Einzige!
Bei meiner Mama war das nur in den
vergangenen neun Monaten so gewesen. Sie hat gemacht, was sie wollte, und sich
von niemandem reinreden lassen. Da war sie noch schwer in Ordnung. Jetzt ist
das nicht mehr so. Sie hat sich verändert und macht nur noch das, was
andere ihr sagen. Manchmal denke ich, sie ist ein Feigling.
Die Hebamme, Hanni oder Hebamme-Hanni
ist da ganz anders. Sie hat eine feste Meinung und bleibt auch dabei. Wenn es
nach ihr ginge, dürfte ich sogar das Wahlrecht für
mich beanspruchen. So wie es sich gehört. Sie will, dass ich meine Wohnung erst
verlasse, wenn ich so weit bin. Zwar gibt sie meiner Mama ’ne Menge Ratschläge,
wie sie mich eher herauslocken kann, doch ich denke, das ist lediglich eine Art
Ablenkungsmanöver.
Seither befolgt meine Mama die Tipps
von der Hebamme, Hanni, Hebamme-Hanni oder wie auch immer die heißt.
Logisch. Doch was sie dabei veranstaltet, ist alles andere als angenehm, bis
auf das warme Badewasser. Ich liebe Wasser.
Mama schluckt nun ständig
so ein Zeug. Das sind voll die Stinkbomben. Wenn die in meine Wohnung knallen,
müffelt und schmeckt einfach alles nur eklig.
Mist. Wenn man vom Teufel spricht …
Und zack, gerade rutscht der nächste stinkende Haufen von oben in meine Hütte.
»Himmel,
nein!«, gurgele ich und schlucke davon versehentlich eine ordentliche Ladung.
Pfui Spinne. Mir wird schlecht. Schon
wieder dieses abscheuliche Gesöff. Mein schönes fruchtiges Wasser
schmeckt jetzt komplett nach diesem Zeug. Gleich muss ich würgen. Nichts wie
raus aus der Bude, und zwar schnell. Das halte ich keine Sekunde länger aus.
Was ich mir hier gefallen lassen muss, ist echt filmreif, und das bei den
heutigen Mietpreisen.
Nee, stopp mal, ich zahle ja gar
keine Miete. Egal, solange die das nicht merken, ihr Pech. Ist eh zu spät,
ich hau ab. Bloß weg hier. Und Tschüss.
Ha, der Ausgang, da ist er ja. Da
unten bei der Riesenrutsche. So, ab geht er, auf Nimmerwiedersehen. Und los.
Halt, Moment. Nicht so schnell,
Baby-Schatz. Denk erst mal nach. Das ist doch genau das, was die wollen. Ich
soll raus aus meinem Apartment. Ich glaube, die versuchen mich eiskalt
auszutricksen. Bestimmt lauern die am Ausgang der Riesenrutsche auf mich. Oje,
was wenn die mich verhaften wollen? Vielleicht soll ich gar nicht ausziehen,
weil ich nicht mehr trainiere, sondern weil ich bis jetzt noch keine Miete
bezahlt habe.
Ach du heiliger Furz, schießt
es mir durch Kopf und Gedärm und zischt am hinteren Ende meines zarten Körpers
mit leisem Pfiff und dezenter Duftnote wieder heraus.
Na denen werde ich einen schönen
Strich durch die Rechnung machen. Damit kommen die nicht durch. Mit ihren
radikalen Methoden werden sie keinen Erfolg haben, dafür sorge ich. Ab sofort
reiße ich mich zusammen und bleibe, wo ich bin. Egal, wie viele Stinkbomben sie
nach mir werfen. Wir werden ja sehen, wer länger durchhält.
Ich glaube, meine Mama ist ein Fakir.
Vielleicht gehört sie auch einer Sekte an, aber das
finde ich noch heraus. Sie ist zusammen mit Papa gerade bei einem Treffen. Die
sitzen dort alle im Kreis auf dem Boden. Frauen und Männer, Mama neben Papa.
Die haben jede Menge echte Nadeln im Körper stecken. Mann, ist das krank. Aber
nur die Frauen, die Männer sind wahrscheinlich zu feige. Wird Zeit, dass ein
richtiger Kerl wie ich herzukommt. Seitdem sitzen sie steif da und meditieren,
sieht zumindest so aus, eben wie bei ’ner Sekte.
Verrückte
Welt. Möchte mal wissen, warum meine Mama das mitmacht. Ha, ich hab’s. Die
steht womöglich drauf.
Sollte ich mich irgendwann doch
entschließen, meine Wohnung zu verlassen, das
kann allerdings noch eine Weile dauern, werde ich das mal ausprobieren und sie
ordentlich kneifen. Vielleicht bringt mir das ein paar Pluspunkte.
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