Ungewollt werde ich an den
letzten Mann erinnert, der mir dermaßen gefiel, dass ich ihm Unsterblichkeit
schenkte. Ich hatte mir ein bisschen Zweisamkeit erhofft, einen Gefährten, der
mit mir die Ewigkeit überdauert.
Doch wozu nutzte er meine
Gabe?
Im 15. Jahrhundert verbreitete
er Angst und Schrecken, spießte Tausende auf Pfähle, um ihnen beim Sterben
zuzuschauen. Vlad Tepes trank literweise
Blut und gründete ein Geschlecht lichtscheuer Nachkommen, durchweg unleidliche
Zeitgenossen. Ihre Eigenart, beim Abgang rosafarben zu glitzern, tröstet kaum
über ihre Untaten hinweg. Dennoch muss ich zugegen, der Anblick, wenn sie funkelnd
zu Staub zerfallen, ist spektakulär.
Warum ausgerechnet Draculas
Erben so aufsehenerregend abtreten, bleibt ein Mysterium. Doch da ich mich
schuldig fühle an der Existenz pink glitzernder Vampire, die sich wie Rockstars
feiern lassen, sehe ich es als Pflicht an, ihren Lebensgeist auszusaugen. Ihre
schimmernden Rückstände erinnern mich jedes Mal daran, nie wieder zu lieben.
»He, was is’ nu’? Du hast mir was versprochen!«
Mit seinem dünnen Stimmchen
reißt Digger mich aus den Grübeleien. Angewidert mustere ich, was er mir stolz
präsentiert und seufze. Wäre ich ein Huhn, würde mich das Würmchen reizen. Aber
ich bin eine viertausend Jahre junge Frau mit genauen Vorstellungen von
Freudenspendern und Lustkillern.
Die Lippen zum gezwungenen Lächeln
verzogen, trete ich an den Vampir heran und lasse die Hand abwärts gleiten.
Dabei vermeide ich es bewusst, die beklagenswert unspektakuläre Männlichkeit zu
berühren, und bette die Finger stattdessen auf seinen. Schlagartig erstarre
ich.
Der Bursche bewegt seine
Rechte unverkennbar und bespaßt sich selbst.
»Nicht so ungeduldig«, weise
ich ihn zurecht und verrolle innerlich die Augen. In all den Jahren kam mir so
was noch nicht unter. Und ich bin schon vielen Glitzervampiren mit übergroßem
Ego begegnet.
Beim Klang meiner Stimme zuckt
Digger erschrocken zurück. In seiner Miene blitzt Panik auf. Vermutlich
erinnert er sich an die Mythen von der Seelentrinkerin, wie seinesgleichen mich
nennt. Als ob diese Individuen eine Seele besäßen. Von Verstand ganz zu schweigen.
Ich bin eine Lamie!
Bevor er zur Flucht ansetzt,
drücke ich ihm einen Kuss auf den kalten Mund. Seine Gegenwehr erlahmt
augenblicklich.
Schlimmer geht immer!, bemerke ich schnaubend.
Bestialischer Geruch umfängt mich, und ich schmecke abgestandenen Atem. Die
Luft anzuhalten, nützt wenig.
Der Typ müffelt aus allen
Poren. Für den Gestank gibt es keine Entschuldigung. Der Mythos, Vampiren hinge
ein Hauch von Verwesung an, gründet auf derart ungewaschenen Subjekten wie dem
hier. Digger scheint ein gestörtes Verhältnis zur Körperhygiene zu haben.
Vielleicht fürchtet er, beim Duschen wie die böse Hexe des Westens aus dem Zauberer
von Oz zu zerfließen. Meiner Erfahrung nach ist Wasser völlig ungefährlich,
es sei denn, man schöpft es aus der Lethe oder dem Styx.
Erneut frage ich mich, was
seine Groupies an diesem stinkenden Aussatz finden. Er ist weder hübsch
anzusehen, noch riecht er gut. Und sein Gesang?
Jede Katze mauzt melodiöser, selbst wenn ihr jemand auf den Schwanz
tritt.
Aus: Vampirflöten – Zwischen schalem Geschmack und Glitter
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