Eigentlich hätte ich von Anfang an Nein
sagen sollen. Gleich bei seiner Frage, ob er mir ein Bier spendieren dürfe. Und
das Rauchen habe ich doch schon vor langer Zeit aufgegeben.
Trotzdem lache ich
gerade viel zu laut über seinen Witz und lege dabei meine Hand auf seinen
Unterarm. Die Flasche Bier ist fast geleert. Die Zigarette zwischen meinen
Fingern schenkt mir ein Gefühl der Verwegenheit. »Ich mag deinen Humor.«
»Du weißt gar
nicht, wie viel ich an dir mag«, sagt er mit einschmeichelnder Stimme und beugt
sich etwas näher.
Das Lachen vergeht
mir. Ich ziehe an meiner Zigarette. »Du kennst mich nicht.«
»Ich habe vor, das
in den nächsten Stunden zu ändern.« Seine Augen blitzen auf, während er seine
Brauen kurz nach oben zieht.
Ein paar Sekunden
lang lasse ich den Gedanken zu, dass er die Wahrheit sagt, dass er tatsächlich
an mir interessiert ist. »Wie alt bist du eigentlich?«
»Spielt das eine
Rolle?«, fragt er zurück.
»Für mich schon.«
Auch wenn sein Interesse ein sanftes Kribbeln in meinem Magen entstehen lässt,
kann ich den offensichtlichen Altersunterschied zwischen uns nicht ignorieren.
Nicht einmal, wenn er bloß aus Langeweile ein paar Minuten mit mir flirten will.
»Dreiundzwanzig.«
Er sagt das so leicht dahin, doch ich zucke zusammen.
Dieser attraktive
Mann ist zwanzig Jahre jünger als ich. Schon beim Hereinkommen ist er mir
aufgefallen. Sein zerzaustes, etwas zu langes Haar, das ausdrucksstarke,
sonnengebräunte Gesicht, die Muskeln auf seinem Oberkörper, die sich unter dem
Shirt bewegen. Bei meinem Eintreten hat gerade eine kurvige Blondine erfolglos
versucht, bei ihm zu landen. Dennoch hat er sich vor ein paar Minuten neben
mich auf den Barhocker geschoben. Dank guter Karten im Gen-Poker werde ich oft
für jugendlicher gehalten, als ich bin. Seinen Fehler wird er bestimmt bald
bemerken.
»Solltest du nicht
lieber eine der anderen Frauen hier anbaggern?«, erkundige ich mich.
»Ich mag Frauen,
die Dank ihrer Erfahrung genau wissen, was sie wollen.«
Die perfekte
Antwort, vorgebracht mit der idealen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Anmache.
Und ich will ihm glauben. Ich verliere mich in seinen braunen Augen. Eine
Mischung aus Karamell und dunkler Schokolade. Die hellen Flecken in seiner Iris
scheinen zu funkeln. »Wie heißt du eigentlich, Romeo?«
»Louis«, antwortet
er. »Nicht verwandt mit de Funès.«
»Bist du nicht zu
jung, um den Komiker noch zu kennen?« Sein auf meine Frage folgendes Lachen
sendet ein Kribbeln über meine Haut. Es klingt so rau, so dunkel, so voller
Versprechen.
»Du scheinst mich
zu unterschätzen, Julia.«
Ich öffne den Mund,
um ihn zu korrigieren. Aber muss er meinen wahren Namen überhaupt kennen? Ist
dieser Moment nicht zu magisch, um ihn mit der Realität in Berührung kommen zu
lassen?
Seine Augen
scheinen zu leuchten, als er sich näherbeugt. »Warum bist du heute allein hier,
Julia? Weshalb hat mich nicht schon längst der Mann deines Herzens dafür
verprügelt, dass ich mit dir flirte?«
»Vielleicht ist
dein Charme nicht so offensichtlich, wie du glaubst.«
»Das wäre eine
Schande. Lass mich anders fragen: Wieso sitzt eine wunderschöne Frau wie du an
einem Wochentag abends ohne Begleitung in dieser Bar?«
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit dem Abschicken des Kommentars bin ich mit den Datenschutzrichtlinien des Blogs einverstanden.