
Mein Magen fühlt
sich an, als sei er mit Steinen gefüllt, während ich über den Flur schleiche.
Hier und da nickt mir jemand zu oder winkt. O Gott, ob ich all diese Kollegen
nächste Woche überhaupt sehe? Bis ich den Aufzug erreiche, brennen meine Augen
schon und mein Atem geht nur noch schwer. Ich fahre nach oben in den
einundzwanzigsten Stock und steuere Millers altes Büro an. Da Sanderson keine
Assistentin hat, ist das Vorzimmer leer. Vorsichtig sehe ich durch die offene
Tür in sein Büro. Er hat das Jackett abgelegt und den obersten Knopf des Hemds
geöffnet. Die Ärmel sind hochgekrempelt und ich erkenne gebräunte Haut.
Verführerisch braune Haut. Während er auf der Tastatur tippt, bewegen sich die
Muskeln und Sehnen darunter. Ein faszinierender Anblick. Ich weiß nicht, ob ich
hineingehen soll oder nicht. Eine Weile starre ich nur zu ihm.
Er blickt auf und
der Anflug eines Lächelns huscht über sein Gesicht. »Oh, Miss Donovan, kommen
Sie doch herein.«
Ich folge seiner
Aufforderung. Mein Herz rast wie ein Schnellzug, pumpt das Blut durch meine
Adern. Das Geräusch schwillt an, wird zum Rauschen des Ozeans. Ich höre nichts
anderes mehr. Aber Sanderson sagt sowieso kein Wort, sondern wartet schweigend,
während ich mich mit vorsichtigen Schritten dem Besprechungstisch nähere. Das
Lächeln ist aus seiner Miene gewichen und er sieht streng aus. Kein Wunder,
immerhin habe ich ihn in einem Chat als heiß
wie die Hölle beschrieben.
Nervös setze ich
mich auf den Stuhl, rutsche ganz nach vorn. Dies wird schließlich keine nette
Plauderstunde, sondern der Moment meiner Kündigung werden. Tränen brennen in
meinen Augen, doch es gelingt mir irgendwie, sie zurückzuhalten. Ich werde
nicht vor Elias Sanderson heulen. Auf keinen Fall! Ich straffe die Schultern
und nehme den Kopf höher.
Er sieht mich
durchdringend an, hebt den Zeigefinger und tippt damit gegen seine wohlgeformte
Unterlippe. »Ich gehe davon aus, dass diese Nachricht mich eigentlich nicht
erreichen sollte, oder? Sie war sicher für einen anderen.«
Gut, er kommt
gleich zur Sache. Warum sollte er seine wertvolle Zeit auch mit Small Talk
verplempern? Mit einer Frau, die bald seine Ex-Mitarbeiterin sein wird. »So …
so ist es. Und ich … äh, das tut mir wirklich unfassbar leid.« Mein Gesicht
glüht, und am liebsten würde ich verschwinden; einfach im Boden versinken. Für
immer.
Aber zu meiner
Verwunderung unterbricht er mich mit einem leisen Lachen. »Bitte, das ist kein
Grund, um rot zu werden, Miss Donovan. Ich kann ganz gut damit leben, als
gutaussehend bezeichnet zu werden.« Er grinst mich an und ich spüre, wie ich
nur noch röter werde. Bestimmt sehe ich aus wie ein gekochter Hummer. Hell, was
sagt man bloß zu seinem Chefchef in so einer Situation? Ich setze erneut zu
einer Erklärung an, aber er unterbricht mich.
»Wirklich, es ist
okay. Sie sagen ja nur die Wahrheit, oder?« Sein Lächeln vertieft sich, er
zeigt zwei hinreißende Grübchen, die ihn sehr jungenhaft erscheinen lassen.
Dabei klingt er noch nicht einmal arrogant. Er hat recht. Dieser Mann ist
scharf wie eine Chilischote.
»Sie sollten
wissen, dass ich verlobt bin«, füge ich schnell hinzu.
»Das sagen Sie
mir vermutlich, damit ich mir keine Hoffnungen mache.« Es zuckt um seine
Mundwinkel und er wirkt, als könnte er jeden Moment in Gelächter ausbrechen.
»Äh … nein. Ich
fand nur, das sollten Sie wissen. Wenn … falls ich Ihre Reden schreiben werde.
Dann … dann müssten Sie keine Angst haben, dass …« Gott, komme ich mir dämlich
vor! Meine Wangen glühen noch röter, wenn das geht. Mittlerweile strahle ich
bestimmt eine solche Hitze aus, dass ihm der Schweiß in Strömen herunterlaufen
müsste.
Doch er scheint
es nicht zu bemerken. Er stutzt nur. »Warum falls
Sie weiter meine Reden schreiben?«
Wir sehen uns an.
Dann huscht Erkenntnis über sein Gesicht und er fängt jetzt wirklich an zu
lachen. Es klingt herzlich und äußerst erheitert. »Haben Sie gedacht, ich würde
Ihnen kündigen, weil Sie mich attraktiv finden?«
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