Am darauffolgenden Abend
wischte ich auf Knien den Boden, wo einem Gast, kurz bevor das Café schloss,
sein fast volles Glas Zitronenlimonade umgekippt war, und weinte leise um meine
Herzensfreundin. »Kann ich vielleicht helfen?«, fragte eine tiefe Stimme hinter
mir. Erschrocken fuhr ich zusammen. Ich hatte nicht bemerkt, dass jemand das
Café betreten hatte. Die Stimme kam mir irgendwie bekannt vor. Langsam drehte
ich mich um und erblickte ein Paar Jeanshosen. Mein Blick glitt nach oben und
noch, bevor ich beim Gesicht angekommen war, wusste ich, zu wem beides gehörte.
Ich schloss die Augen. Auch das noch. Der einzige Mensch auf der ganzen Welt,
dem ich in diesem Moment am wenigsten begegnen wollte, stand genau vor mir.
Schnell wischte ich mit dem Arm die Tränen aus meinem Gesicht und hoffte, dass
er mein Schluchzen nicht gehört hatte. Ich hatte nicht die geringste Lust, mir
deswegen einen blöden Spruch anzuhören. Langsam hob ich meinen Blick
vollständig und endete in einem Paar grauer Augen. »Was machst du denn um diese
Zeit hier?«, fragte ich Jo mit belegter Stimme. »Ich hatte heute in der Praxis
viele Patienten, die mich um den Feierabend gebracht haben. Als ich hier vorbei
kam, habe ich dich durch die Fenster gesehen und die Tür stand halb offen und
da dachte ich …« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter zur
Eingangstür und wirkte auf einmal unsicher. »Möchtest du noch ein kühles
Bier?«, fragte ich und wusste nicht, wer von uns beiden überraschter über mein
Angebot war. »Ja, gerne.« Ein leichtes Lächeln überzog Jos Gesicht. Ich warf
den klebrigen Lappen in den Eimer, ging voran und holte uns ein Bier. Jo folgte
mir zuerst in die Küche, dann in den Hinterhof. Wir setzten uns auf die alten
Stühle in den langsam kühler werdenden Abend. »War wieder ganz schön heiß
heute, was?« Unsicher, worüber ich mich mit ihm unterhalten sollte, blickte ich
zu Jo. Wetter war immer ein unverfängliches Thema. »Mmhm. Warum hast du
geweint?«, fragte er unvermittelt. »Du fragst mich allen Ernstes, warum ich
geweint habe?«, entgeistert starrte ich ihn an. Wie schaffte er es immer, mich
direkt von null auf hundert zu bringen?
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