Montag, 6. Februar 2023

[Schnipseltime] Das Omega-Gen - Auf Leben und Sieg (Das Omega-Gen 3) von Ava Cooper


 

In den unterirdischen Umkleide- und Ruheräumen stehen wie bei unserem ersten Showkampf leichte Speisen und belebende Getränke bereit. Im Gegensatz zum letzten Mal werden wir jedoch nicht alle auf einmal hinaus in die Arena gehen. Jeweils einer von uns und einer von den Menschen wird über einen entsprechenden Mechanismus nach oben katapultiert, damit wir vor der tosenden Zuschauermenge zeigen, was wir können.

Doch vor diesem Spektakel kommt die Eröffnungsshow. Alexis flüstert einige Worte, schon baut sich eine Art Leinwand aus einem hauchdünnen, silbernen Material am hinteren Rand des Raumes auf. Nach einem weiteren Befehl unseres Trainers werden darauf die Bilder von draußen so klar wiedergegeben, als sähen wir durch einen Spiegel. Ich wusste gar nicht, dass es im Mystic Empire magische Übertragungsformen gibt. Aber wahrscheinlich sind sie so limitiert wie die Fortbewegungsmittel der Fabelwesen.

Im Moment können wir jedoch nur verfolgen, wie die Zuschauenden langsam in der Arena eintrudeln und ihre Plätze einnehmen. Denn natürlich sind wir weit vor der Eröffnungszeremonie angekommen. Undenkbar, wenn wir Blade Artists zu spät kämen.

Aiden und ich nehmen uns etwas Leichtes zu essen und jeder ein Glas Wasser. Danach stellen wir uns an den Rand zu Dana, Jasper, Benjamin und Miranda. Wir nicken uns nur knapp zu, keiner sagt ein Wort. Wozu auch? Schließlich kommen auch die Elben, wobei Colette natürlich Shawn im Schlepptau hat. Selbst der Drachenkrieger wirkt angespannt. Das beruhigt mich seltsamerweise.

Nervös sehe ich zu, wie sich die Reihen weiter füllen, während der grell leuchtende Countdown am Himmel die Minuten und Sekunden herunterzählt. Kurz bevor es losgehen soll, versammeln wir uns vor der Leinwand. Ich sehe, dass es draußen brechend voll ist. Die Ränge sind voller johlender, grölender Menschen und Fabelwesen, die darauf warten, dass wir unsere Leben riskieren.

Nicht zum ersten Mal fühle ich mich als Teil eines blutigen Spektakels, das eher die Massen unterhalten als den Frieden bewahren soll. Ein dramatischer Tusch erklingt; das ebenso ersehnte wie gefürchtete Startsignal. Aiden umarmt mich von hinten und ich lehne mich dankbar gegen ihn. Einige Sekunden hängt erwartungsvolles Schweigen in der Luft. Dann startet ein perfekt inszeniertes Feuerwerk, das den verdunkelten Himmel mit einer wahren Farbenflut erstrahlen lässt.

Die Lichter formen sich zu bunten Sternen und funkelndem Glitzerregen, während melodische Klänge für die richtige Stimmung sorgen. Am Ende der Lichtshow erscheinen am Firmament – vermutlich durch die Magie der Elben – zwei durchscheinende Blade Artists, die gegeneinander kämpfen; Silber und Gold gegen Blau und Gelb.

Im Anschluss schwebt unser Königspaar in einem silbernen Streitwagen in die Arena; ihr Privileg als Sieger der letztjährigen Duties. Sie werden von schneeweißen Flügelpferden gezogen und winken zu der johlenden Menge hinab. Von der anderen Seite kommt kurz darauf Präsident Forrester nebst Gattin in einem Fluggerät, das wie ein halbiertes, metallisch blau schimmerndes Ei aussieht. Exakt in der Mitte der Arena halten sie an. Wieder explodieren Lichtraketen, die sich zu Schwertern, Impulsstrahlern und anderen Waffen verformen. Die bekannte Melodie ertönt: Zunächst das stakkatohafte Trommeln, gefolgt von den Streich- und Blasinstrumenten. Danach setzt der Gesang ein, den wir mehr oder minder laut mitsingen:

»Brüder und Schwestern, lasst die Waffen erklingen. Wir kämpfen nicht für Ruhm und Ehre, sondern für den Frieden. Wir sind bereit; für die Gerechtigkeit zu sterben, die Unschuldigen vor dem Krieg zu schützen. Unser Blut für ihr Blut, unser Leben für ihr Leben – so soll es sein. Jetzt und immerdar.«

Die Melodie verklingt und Stille senkt sich über die Arena. Unsere Herrscherpaare nicken einander zu, bevor sie in entgegengesetzte Richtungen zu ihren Logen fliegen.

»Meine Damen und Herren, ein weiterer bewunderungswürdiger Start für die fünfzehnten Duties. Hat unsere Turnierleitung das nicht ausgezeichnet gemacht, Phil?«, plappert die Moderatorin der Menschen, eine sonnengebräunte, dauerlächelnde Blondine, ins Mikro.

»Das stimmt, Tiffany.« Ihr mystisches Pendant ist ein bildschöner Mann mit blauen Augen und schwarzen Haaren. Womöglich ein Nymph, denn er erinnert mich ziemlich an Zane.

»Was meinst du – was erwartet uns bei den diesjährigen Duties? Werden sie brutal oder eher mild wie im Vorjahr?« Die Sensationsgeilheit und das Verlangen nach blutigen Kämpfen, die man aus ihrer Stimme heraushören kann, ekeln mich an.

»Schwer zu sagen, Tiffany.« Der Nymph legt eine Hand an seine unfassbar vollen Lippen. »Wir haben viele neue und interessante Kämpfer in den Teams. Vor allem von Prinz Aiden, dem Thronfolger der Elben, verspricht man sich einiges. Die Wetten stehen hoch auf ihn.«

»Aber auch das Menschenteam hat ein paar Asse im Ärmel«, ergänzt die blutrünstige Moderatorin schnell. »Warte nur, bis Kevin, der Hüne, mit seiner Lieblingswaffe loslegt – dem Flammenwerfer.«

Ich erinnere mich noch gut daran, wie gern er den Strahl auf jemanden in unseren Reihen gerichtet hat und wie er sich freute, wenn seine – im Übungskampf harmlosen – Lichtfeuer uns erwischt haben. Ab morgen werden es echte Flammen sein. Ich erschauere.

»Außerdem haben die Menschen eine neue Technik im Gepäck: die Teleportation. Ein Druck auf den Anzug und der Angreifer ist weg.« Bei Tiffanys selbstherrlichem Ausdruck wird mir schlecht.

Auch die anderen Blade Artists wirken irritiert. Zu unserem Leidwesen nickt Alexis. »Ja, es ist wahr. Die Turnierleitung hat es erst heute Morgen bekannt gegeben.« Wütend knirscht er mit den Zähnen. Schließlich strafft er seine imposante Gestalt und ein kämpferisches Funkeln liegt in seinem Blick.  »Aber das ist letztlich egal. Auch damit werden wir fertig. Richtig?«

»Richtig«, brüllen wir einstimmig.

Alexis nickt Shawn zu. »Zeit für deinen Auftritt.«

Der Drachenkrieger erwidert die Geste und folgt ihm zu den Vorrichtungen, die uns Blade Artists nach oben katapultieren. Derweil nehmen die Regierenden beider Welten ihre Plätze ein, während die Kommentatoren weiter vor sich hin plappern und über die Vorzüge bestimmter Kämpfender reden. Dann verstummen sie einen Moment. Anscheinend warten sie auf eine Information der Regie, ob alles vorbereitet ist.

»Nun, Freunde fairer Kämpfe, es geht los. Wir präsentieren ... die Blade Artists.« Phil erinnert an einen Jahrmarktschreier, als Shawn nach oben schießt.

»Den ersten Kämpfer muss ich Ihnen nicht vorstellen: Es ist Shawn, der unbesiegbare Drachenkrieger, der zum letzten Mal für das Mystic Empire antritt. Sehr schade, denn er ist regelrecht mit dem Schwert verwachsen. Besonders gefürchtet sind aber seine Angriffe aus der Luft.«

Während Phil ihn anpreist wie einen Preisbullen, zieht Shawn mit grimmigem Gesichtsausdruck seine Showwaffe. Sein Gegner wird hochkatapultiert. Mit einem seltsamen Ziehen im Bauch erkenne ich den Mann, der mich beinahe gemeinsam mit seinen Freunden missbraucht hätte.

»Allerdings ist auch Collin nicht zu verachten – und das meine ich nicht nur als Kämpfer«, schwärmt die Moderatorin und ihre Mundwinkel verziehen sich zu einem süffisanten Lächeln. »Er beherrscht das Schwert ebenfalls vortrefflich. Außerdem ist er ein Meister des Nahkampfs.« Wie Shawn posiert Collin mit seiner Waffe.

Der Gong ertönt und die beiden stürmen aufeinander los. Ihre Schwerter prallen mit einem dumpfen Ächzen gegeneinander. Bevor Collin weiß, wie ihm geschieht, verwandelt Shawn sich in seine Drachengestalt und schießt ihm einen flammenden Strahl entgegen, der heute Abend jedoch ungefährlich ist. Ansonsten wäre Collin jetzt tot.

Auf der Leinwand erkenne ich sein leichenblasses Gesicht. Eigentlich müsste ich wilde Schadenfreude empfinden, aber stattdessen fühle ich mich wie gelähmt. Gegen wen werde ich kämpfen müssen? Wird es jemand sein, den ich kenne? Bitte lass es nicht Jennifer sein!

 

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