Der nächste Tag verläuft wieder halbwegs normal. Finn schaut mich
zwar finster an, redet aber wenigstens mit mir. Die anderen versuchen,
möglichst unbeteiligt zu wirken.
Die Nachricht, dass
jemand Claasens Tochter geknackt hat,
verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Das macht das Essen zu einem Spießrutenlauf,
weil so mancher hämisch grinst.
Allerdings schmerzt die
Erinnerung an meine Nacht mit Miro und Tonys dumme Sprüche nicht mehr so sehr.
Ich ärgere mich zwar immer noch,
aber jetzt kommt die Wut. Ich hasse Miro dafür, dass
er es überall herumposaunt.
Als ich nach dem
Abendessen wieder alleine in meiner Wohnung sitze, drängt es mich zu einer
Aussprache mit Miro. Bevor ich es mir anders überlegen kann, springe ich auf
und eile zu ihm.
Ich habe den Finger noch
nicht ganz von der Klingel weggenommen, da öffnet er bereits. Er wirkt nicht
überrascht, mich zu sehen. »Hi, komm rein.« Schon geht er vor.
Ich sehe ihm sprachlos
nach. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, jemals wieder einen Fuß in diese
Wohnung zu setzen. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig, wenn ich nicht
unverrichteter Dinge abziehen will. Zähneknirschend gehe ich ihm daher nach in das
Appartement.
»Whiskey?«, fragt er
seelenruhig und gießt sich selbst einen großzügigen Schluck ein.
»Nein, danke.« Zornig
verschränke ich die Arme vor der Brust.
Er zuckt mit den
Achseln. »Du willst mir natürlich sagen, was ich für ein Arschloch bin.«
»Genau! Allerdings hätte
ich es lieber selbst ausgesprochen«, gifte ich ihn an.
»Tu dir keinen Zwang
an.«
»Du bist ein Arschloch!«
Doch es befreit mich nicht. »Du hast mich einfach ausgenutzt und mir vorgegaukelt, dass
du Gefühle für mich hast! Und dann gibst du damit auch noch an. Hast du denn
gar keinen Anstand?« Obwohl ich dagegen ankämpfe, kommen mir wieder die Tränen.
»Warum machst du das?«
Miro stellt das Glas ab
und geht zu mir. Er legt einen Finger unter mein Kinn und hebt mein Gesicht an.
»Alles klar. Das war deine Version. Willst du jetzt meine hören?«
Ich weiß nicht, ob ich
das wirklich will. Trotzdem nicke ich schwach.
»Also zunächst einmal –
ich steh auf dich, okay?«
Überrascht schaue ich
ihn an. »Warum bist du trotzdem zu Tony gegangen und hast mich rausgeworfen?
Und dann habt ihr am nächsten Tag Witze über mich gerissen.«
»Er hat gefragt, warum
ich zu spät gekommen bin. Ich hab ihm halt gesagt, dass du mich aufgehalten
hast. Dann hat er eins und eins zusammengezählt. Und – hey, Baby, warum sollte
ich leugnen, dass ich eine scharfe Braut wie dich flachgelegt habe? Und bei der
Sitzung ...« Er fährt sich durch die Haare und lächelt mich entschuldigend an.
»Die Jungs haben mich irgendwie mitgerissen. Du kennst sie doch. Aber das war
nicht cool von mir. Tut mir leid!«
»Ich habe mich gefühlt
wie der letzte Dreck!« Ich verschränke die Arme vor der Brust.
»Sorry. Ich bin halt
kein Frauenversteher wie Romeo. Ich verspreche dir, dass ich das nie wieder
mache. Okay?«
Ich schaue ihm in die
Augen, sehe, dass er es ernst meint. »Gut. Aber warum musstest du es allen
anderen erzählen? Ich fühle mich wie die größte Schlampe der Welt. Sogar Leute,
die ich noch nicht mal kenne, flüstern darüber.«
»Falsche Baustelle,
Baby. Das war ich nicht. Ich bin doch kein Tratschweib!« Dabei sieht er ehrlich
entrüstet aus.
Bei dem Treffen haben es
einige mitbekommen. Das kann schnell die Runde machen. Langsam verraucht meine
Wut. Natürlich ist sein Verhalten immer noch scheiße, aber zumindest will er
mich anscheinend nicht bloßstellen.
Ungefragt schenkt Miro
mir ein Glas Whiskey ein und hält es mir vor die Nase. Diesmal nehme ich es an
und lasse den Alkohol durch meine Kehle rinnen. Er brennt, wärmt aber auch.
Forschend sehe ich Miro an. Er erwidert meinen Blick offen.
»Also – magst du mich
doch?« Ich hasse mich dafür, aber mein Herz schlägt schneller, als er nickt.
»Und was bedeutet das
nun für uns? Was sind wir?«
Er zuckt mit den
Achseln. »Weiß nicht. Müssen wir denn einen Stempel darauf machen?«
Ich schüttle den Kopf.
»Dann warten wir ab, wie
sich die Dinge weiterentwickeln. Lass uns etwas Spaß haben, Baby. Das Leben ist
für alles andere viel zu kurz – und zu grausam.«
Denkt er wirklich, ich
falle wieder auf ihn herein? »Ich schlafe bestimmt nicht noch einmal mit dir!«
Er grinst. »Warum denn
nicht? Du weißt doch – ist der Ruf erst mal ruiniert ...« Ohne Vorwarnung zieht
er mich an sich und küsst mich. Obwohl ich mir eingeredet habe, dass ich Miro
hasse, erwidere ich seinen Kuss hungrig.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit dem Abschicken des Kommentars bin ich mit den Datenschutzrichtlinien des Blogs einverstanden.