
Sie
ist vollständig abgeschottet. Von der Außenwelt isoliert. Eingehüllt in totale
Dunkelheit, die sie verschlingt und dennoch Sicherheit verspricht. Ihr Atem
kommt und geht. Ruhig und gleichmäßig. Fast scheint es ihr, als wäre sie sich
selbst entschlüpft. Als würde sie über ihrem zusammengekauerten Körper schweben
und sich ganz objektiv von oben betrachten. Beinahe teilnahmslos. Zugleich ist
sie aber so sehr bei sich selbst, wie sie das selten zuvor wahrgenommen hat.
Versunken in abgrundtiefer Ruhe. Keine Zeit der Welt schafft es, ihre Augen an
diese Art der Dunkelheit zu gewöhnen. Sie kann nichts sehen und nichts hören.
Sie kann noch nicht mal etwas riechen. In dieser vollkommenen Stille dröhnen
das Rauschen ihres Blutes und der eigene Atem unnatürlich laut in ihren Ohren.
Kleine helle Punkte tanzen vor ihren Augen, selbst dann, als sie sie schließt.
Der Sinnesentzug löst leichten Schwindel aus, doch die weiche Auflage bietet
sicheren Halt. Ihre Handgelenke stecken in bequemen, aber unnachgiebigen Ledermanschetten,
die mit Seilen an einem Haken festgemacht sind. Es bleibt ihr dennoch genügend
Spielraum, um die gepolsterten Wände seitlich und am Kopfende ihres
Liegeplatzes zu ertasten.
Sie
hat nicht die geringste Ahnung, wie lange sie schon in dieser Zelle liegt und
wartet. Worauf wartet? Eigentlich wartet sie gar nicht. Sie ist längst
angekommen. Endlich. Bei ihm. Im Jetzt. Bei sich selbst.
Und
so lässt sie sich ungebremst fluten von dem behaglichen Gefühl der
Geborgenheit. Gibt sich der Stille, der Dunkelheit und der erzwungenen
Bewegungslosigkeit absolut hin. In genau diesem Moment erwartet niemand etwas
von ihr. Sie hat unendlich viel Zeit, einfach zu liegen, einfach zu atmen,
einfach zu sein.
Im vollkommenen Einklang mit sich selbst lässt
sie ihre Gedanken zurückschweifen. Zu jenem Tag, an dem sich das Tor zu dieser
besonderen Welt zum ersten Mal für sie geöffnet hat. Und zu jenem Tag, an dem
sich das Tor zu ihrem Inneren zum ersten Mal für sie geöffnet hat.
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