»Du bist schon wach?«, ertönte eine Baritonstimme.
»Eigentlich wollte ich vorher weg sein.« Ein Handtuch um die Hüfte geschlungen,
trat ein gut aussehender junger Mann ein. Wassertropfen rannen aus dem langen,
dunklen Haar, sammelten sich zu Rinnsalen, die über die Brust flossen, den
Bauch hinab.
Entschieden zwang Connor den
Blick ins Gesicht seines Gegenübers.
»Ich hätte dich nicht
ansprechen sollen, dann wäre uns diese Peinlichkeit erspart geblieben.« Eilig
schlüpfte Jonas in Jeans und T-Shirt. »Es ist nichts passiert, was dir Sorgen
bereiten muss.« Er senkte die Stimme. »Falls du jedoch noch mal jemanden zum
Reden brauchst oder für mehr, meine Nummer liegt auf der Kommode im Flur.
Danke. Du hast mir gutgetan und mich vergessen lassen, für eine kurze Weile.
Glaub mir, es gibt Schlimmeres, als verlassen zu werden! Wenn der Tod deine
Liebe fortreißt, stirbt etwas in dir.«
»Davon wusste ich nichts. Wir
haben nur über mich geredet.«
»Mir hilft es nicht, darüber
zu sprechen, im Gegenteil. Deine Nähe war tröstlich. Dir hat es auch gefallen,
obwohl du danach deutlich erklärt hast, dass du nicht schwul bist.«
Verlegen schaute Connor ihn
an. »Es tut mir leid, Jonas, manchmal benehme ich mich idiotisch. Möchtest du
Kaffee?«
»Ich gehe besser. Du bist
nicht schwul und ich nicht auf der Suche.«
»Bitte entschuldige, ich
wollte dich nicht verletzen.«
»Damit verletzt du lediglich
dich selbst und nimmst dir die Möglichkeit, glücklich zu sein. Was ist so
schlimm daran, einen Mann zu lieben?«
»Nichts, aber ich möchte
Familie.«
»Was hat das eine mit dem
anderen zu tun?« Kopfschüttelnd sah Jonas sich um. »Wie lange wohnst du hier?
Einige Monate? Du hast nicht mal ausgepackt.«
»Es kam ständig etwas
dazwischen.«
»Dein Selbstmitleid? Solange
es hier aussieht wie in einem Lagerhaus, wirst du nie ankommen. Pack die
Umzugskartons aus, schließ mit dem ab, was ohnehin hinter dir liegt, und fang
neu an! Das Einzige, was zählt im Leben, ist die Liebe. Kein fauler Kompromiss.
Du trauerst nicht der Zeit mit Nadja nach, sondern dem, was ihr hättet haben
können.«
Ertappt schluckte Connor. Das
beschrieb seine Motive präzise. Aus dem Grund hatte er an der Ehe festgehalten,
obwohl das Zusammenleben immer anstrengender wurde. Wäre er ehrlich mit sich
gewesen, hätte er die Scheidung eingereicht, bevor Nadja ihm zuvorkam. »Im
Nachhinein ist man meist schlauer.«
»Als ich Jasmin traf, wusste
ich, dass sie es ist und habe nie daran gezweifelt. Mit ihr wollte ich alt
werden.« Tränen rannen Jonas über die Wangen. Nachlässig wischte er sie mit dem
Handrücken fort. »Mach’s gut!« Ohne sich umzusehen, ging er.
Hörbar fiel die Haustür ins
Schloss.
Erstaunt schaute Connor ihm
nach, sein Herz raste. Instinktiv wollte er dem jungen Mann nacheilen, ihn
umarmen und trösten. Seine Worte hatten ihn berührt.
Das Einzige, was zählt, ist die Liebe.
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